Wenn der Absturz ins Bodenlose droht
Herausragende Episode aus Köln als beklemmende Sozialstudie über die Not obdachloser Frauen
Köln – Ein Mann und eine Frau gehen sich in einem gutbürgerlichen Wohnzimmer vor dem gepflegten Aquarium gegenseitig an den Kragen, es wird gekeucht, geprügelt und geschrien: Mit verschwommenen und verstörenden Bildern beginnt der Kölner „Tatort“an diesem Sonntag (20.15 Uhr/ Das Erste). Die mit blauen Flecken und Schrammen verunstaltete Ella (Ricarda Seifried) verlässt die Stätte der Gewalt, der Mann bleibt schwer verletzt zurück.
Doch wohin, wenn man niemanden kennt und das Geld knapp ist? Mit dem Mut der Verzweiflung reiht sich Ella im beklemmenden Krimi „Tatort: Wie alle anderen auch“in das Heer der Kölner Obdachlosen ein und lernt die ausgebuffte Veteranin Monika (Rike Eckermann) kennen, die schon seit Jahren auf der Straße lebt, ihr Bettelrevier rund um den Dom abgesteckt hat, und wie so viele andere unter einer Brücke schläft.
Auf die schiefe Bahn
Ella hat Angst vor der Polizei, weil sie nicht weiß, ob ihr gewalttätiger Mann, der sie jahrelang geschlagen hat, und zu dem sie so oder so nicht zurück will, die Auseinandersetzung
überlebt hat. Von heute auf morgen ist die junge Frau obdachlos geworden: So schnell kann es gehen, ihr tiefer Fall ins soziale Abseits und der damit verbundene Verlust eines Rückzugsortes und der
Privatsphäre kommen unerwartet und plötzlich.
Lakonisch und völlig frei von Sozialkitsch, dabei durchaus mitfühlend, mit starken Figuren und einem genauen Blick fürs psychologische Detail
zeigt der herausragende Sonntagskrimi von Regisseurin Nina Wolfrum (Drehbuch: Jürgen Werner), wie sich Ella und andere obdachlose Kölnerinnen in einer Stadt behaupten müssen, in der Wohnen zum Luxusgut geworden ist – und in der Menschen nur etwas zählen, wenn sie möglichst reibungslos funktionieren und etwas zu bieten haben.
Die junge Ella hat in dieser seelenlosen Konsumwelt wenigstens noch ihr gutes Aussehen „anzubieten“und findet deshalb schnell Unterschlupf bei Tellerwäscher Axel (Niklas Kohrt), den sie im Schnellrestaurant kennengelernt hat.
In Brand gesetzt
Die ältere Monika aber bleibt zurück auf der Straße – und ist kurz darauf tot, verbrannt in ihrem Schlafsack. Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) finden heraus, dass Monika mit einer Überdosis Schmerzmittel getötet und ihre Leiche anschließend in Brand gesetzt wurde. Sie ermitteln in der Obdachlosen-Szene, in der es Frauen besonders schwer haben, und stoßen auf die Spur von Ella, die häufiger mit dem Mordopfer gesehen worden war.
Ella versucht sich derweil mit ihrem Leben in Axels Bude zu arrangieren, muss sich aber gegen dessen Zudringlichkeiten zur Wehr setzen – der Preis für ein Dach über dem Kopf ist hoch in einer Stadt wie Köln.