Aus dem Rüstringer Archiv
Ein kleines Mädchen als Großerbin, Biografien besonderer Persönlichkeiten aus der Wesermarsch oder ein anonymer seekranker Arzt auf dem Weg in eine neue Welt. Dass Archivarbeit hochinteressant und vielfältig sein kann, beweist Heddo Peters mit seiner Textsammlung in „Geschichten aus dem Rüstringer Archiv“. Für die Publikation stellte Heddo Peters 27 Texte aus unterschiedlichen Kategorien, die die inhaltliche Vielfalt seiner jahrelangen Archivtätigkeit widerspiegeln, zur Verfügung. Seit gut 19 Jahren ist Heddo Peters bereits ehrenamtlich im Archiv des Rüstringer Heimatbundes tätig und unterstützt dort die Sammlung und Bearbeitung von Unterlagen zur regionalen Geschichte.
Zu Beginn des Buches lässt Heddo Peters seine Anfänge im Rüstringer Archiv Revue passieren. Rein zufällig kam der Autor zur Archivarbeit und entdeckte sofort seine Begeisterung für diesen Tätigkeitsbereich. Über Aspekte, die den Autor besonders interessierten, stellte er weitere, noch intensivere Recherchen an und verarbeitete sie in unterschiedlichen Textformen. Für sein aktuelles Buch traf Heddo Peters eine wunderbar vielfältige Textauswahl, zu der er den Leserinnen und Lesern auf insgesamt 293 Seiten einen Zugang ermöglicht. Aufgefächert sind die Textformen in drei Kategorien: in Aufsätze, Biografien und Vorträge.
So untersucht Heddo Peters in einem Aufsatz, wie ein Mädchen namens Anna Michaelsen aus Butjadingen zu einem, nach heutiger Schätzung, Millionenvermögen kam. Die junge Dame war im zarten Alter von nur 16 Jahren Großgrundbesitzerin und besaß neun Hofstellen in der nördlichen Wesermarsch mit einer 240 Hektar großen Gesamtfläche. Damit wurde sie im Oldenburger Land zu einer glänzenden Partie. Bei seiner Nachforschung wirft Heddo Peters das Licht auf eine besondere Familiengeschichte, die mit Anna Michaelsens Urgroßvater Reelf Ilcksen beginnt.
Heddo Peters stellt auch Biografien bekannter Persönlichkeiten aus der Wesermarsch vor. Darunter ist beispielsweise neben Walter Looschen, Fritz Frerichs, Anton Hullmann auch Alma Rogge als einzige Frau unter den bekannten Persönlichkeiten. Alma Rogge schlug einen eher ungewöhnlichen Lebensweg für Frauen zur damaligen Zeit ein. Sie wurde sich schon früh klar darüber, dass das Leben als Hausfrau und Mutter für sie keine Option sein könnte, und fasste den mutigen Entschluss, sich ihrem Talent, dem Schreiben, zu widmen, Schulabschlüsse nachzuholen und zu studieren.
In einem Vortrag beschäftigt sich der Autor mit dem Auswanderer und Arzt Gustav Götze aus Butjadingen. 1856 bricht der junge Mann auf nach Nordamerika in eine bessere Welt. Gustav Götze führt auf seiner siebenwöchigen Schiffsreise Tagebuch und schildert Erlebnisse, die er auf der Reise macht. Sein anfänglicher Versuch, seinen Beruf als Arzt auf dem Schiff zu verheimlichen, scheitert. Heddo Peters gibt spannende Einblicke in die Tagebucheinträge und Briefpassagen des Auswanderers.
Mit den schön strukturierten und illustrierten Texten, einer gewissenhaften Recherche sowie einem angenehmen Schreibstil lässt der Autor Leserinnen und Leser an seiner Begeisterung für die Tätigkeit im Rüstringer Archiv sowie an einem besonderen Wissensfundus, den das Archiv bewahrt, teilhaben. Die inhaltliche Spannbreite seiner Texte gibt einen umfassenden Einblick in regionalhistorische Themen. Heddo Peters gelingt es, eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu schlagen und dieses Wissen für die Zukunft zugänglich zu machen.
Heddo Peters: Geschichten aus dem Rüstringer Archiv. Herausgegeben vom Rüstringer Heimatbund e.V. Ein Buch der Rüstringer Bibliothek 2020, Nordenham 2020, 293 S., Abb., Hardcover, ISBN 978-3-9821273-1-6, Preis: 19,80 Euro. Merle Bülter wählt und mit Sprachwitz und Sachkenntnis erläutert. Der Kölner Illustrator Nikolaus Heidelbach hat zu jedem dieser Wörter ein ansprechendes Bild geschaffen.
Der alphabetische Reigen beginnt mit dem Adabei. So nennt man in Österreich und Bayern jemanden, der bei gesellschaftlichen Anlässen stets anzutreffen ist, auch wenn er nicht eingeladen ist: Herr Adabei ist auch dabei. „Keine Feier ohne Meier“, sagt der Berliner dazu.
Das Buch schließt mit dem Zurückdummen, einem ostpreußischen Verb, das ebenso knapp wie boshaft die nachlassenden geistigen Kräfte im Alter beschreibt. Vergesslichkeit, Senilität, Demenz – man dummt allmählich zurück.
Unter den Wörtern finden sich sage und schreibe zehn Begriffe aus dem niederdeutschen Sprachgebiet: der Blomenkieker (Schleswig-Holstein, langsam fahrender Tourist), die Dönekes (Westfalen, unterhaltsame wahre Geschichten), drömeln (Westfalen, verträumt herumtrödeln), fisseln (Westfalen, ganz leicht regnen), das Mientjedientje (plattdeutsch, der Stab, der an der Supermarktkasse die Waren der Kunden voneinander trennt, der Warentrennstab), das Ofsupel (ostfriesisches Plattdeutsch, aufgegossener Rest in der Teekanne, das Abgesoffene), die Plörre (rhei