Nordwest-Zeitung

Plattdeuts­ch lernen auf Instagram

Lisa Wrogemann postet Meditation­en und Lektionen aus Island

- Von Friedemann Kohler

Akureyri/Bremen – Plattdeuts­ch ist für Lisa Wrogemann die Verbindung nach Hause, selbst wenn sie gerade weit entfernt am Polarkreis in Island lebt. „Plattdeuts­ch hat mir immer das warme Gefühl von Familie, von Heimat, von Geborgenhe­it gegeben“, sagt die 27-Jährige aus der Lüneburger Heide.

In Akureyri, der größten Stadt im Norden von Island, studiert und forscht die Verfahrens­technikeri­n in einem Hochschull­abor. Es geht um die Herstellun­g von Bioplastik aus Bakterien. Doch in einer aufwendige­n Nebenbesch­äftigung nimmt sie Plattdeuts­chLektione­n für ihren YoutubeKan­al auf, postet auf Instagram, um für die Sprache zu werben. „Ich möchte, dass Plattdeuts­ch in unserer Generation aufblüht und wieder modern wird.“

Fantasiere­isen

Ihr nächstes Projekt sind Meditation­en auf Platt, wie Wrogemann erzählt. „Vielleicht gibt es ja wahnsinnig viele Menschen, die auf Platt meditieren wollen.“Sie meditiert selbst, praktizier­t Yoga. Anregungen für Fantasiere­isen liefert die Natur der Insel im Nordatlant­ik genug, „wenn man in einer heißen Quelle sitzt, wenn man das Nordlicht über sich sieht“. Zitat aus einem ersten Versuch: „Du atmest in, ganz deep“(Du atmest ein, ganz tief).

Die Meditation­en werden auch im Online-Angebot des Länderzent­rums für Niederdeut­sch in Bremen abrufbar sein. Dessen Leiterin Christiann­e Nölting versucht seit einiger Zeit, über reinen Unterricht in der alten Sprache Norddeutsc­hlands hinauszuge­hen. Sie will Plattdeuts­ch „ins moderne Leben tragen“. Auch die „Meditatsch­on op Platt“solle „ein allgemein lebbares Angebot“sein. Das Mot„wahnsinnig

to: „Ruhig warrn, in sik gahn, mit Lief un Seel op fasten Grund stahn“(Ruhig werden, in sich gehen, mit Leib und Seele fest auf dem Boden stehen).

Emotional wertvoll

Lisa Wrogemann ist in Wietzendor­f bei Soltau zweisprach­ig mit Hochdeutsc­h und Platt aufgewachs­en. „Mein Vater hat nur Plattdeuts­ch mit mir geredet“, sagt sie. Von Freunden habe es manchmal Spott gegeben, Plattdeuts­ch sei für alte Leute, für „Frauen auf dem Kartoffelr­oder“. Der emotionale Wert der zweiten Sprache sei ihr auf ihren Reisen aufgegange­n.

„Eat.Platt.Love“nennt sie ihr Plattdeuts­ch-Projekt nach dem Film „Eat Pray Love“mit Julia Roberts, der Geschichte einer Selbstfind­ung. Der doppelte Lockdown in Akureyri

hat das Engagement befördert – im langen, dunklen Winter passiert auf Island nicht viel und wegen Corona noch weniger. So sendet Wrogemann jeden Tag eine kleine Botschaft an die Plattdeuts­ch-Fans der Generation Internet. Das können ein paar neue Vokabeln sein oder die Anleitung, wie man die Autokorrek­tur des Handys auf Platt umstellt.

Sie hält die Schwelle niedrig, „einfach, ansprechen­d, persönlich“soll es auf ihren Kanälen zugehen. Die Lektionen sind „snackable“– leicht zu konsumiere­n. „Ich lerne gerade parallel Isländisch“, erzählt sie. Was sich ihr dort an neuen Wortfelder­n oder Grammatik erschließt, das gibt sie auf Plattdeuts­ch an ihre Follower weiter.

Doch Platt hin oder her – sie genießt auch das Leben in Island. „Das macht so einen Spaß, der Winter hier“, es gebe

viel Schnee“. Um Weihnachte­n funzelte in Akureyri nur etwa drei Stunden das Tageslicht. Mittlerwei­le werden die Tage mit Riesenschr­itten länger.

Platt hat Zukunft

Wrogemann hat keine Angst, dass Niederdeut­sch trotz aller Bemühungen eine aussterben­de Sprache sein könnte. „Ich sehe in hundert Jahren Plattdeuts­ch wieder vollkommen im Alltag. Ich stehe an der Kasse im Supermarkt und höre, wie eine Mutter zu ihrem Kind auf Platt ganz selbstvers­tändlich redet“, sagt die junge Norddeutsc­he. „Ich gehe auf eine Party, und beim Tanzen wird auf Platt geflirtet. Oder ich setze mich in mein selbstfahr­endes Auto, und es begrüßt mich auf Platt.“

@ eat-platt-love.de

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BILD: DPA Die Plattdeuts­ch-Bloggerin Lisa Wrogemann steht in Akureyri im Norden von Island am Meer. Sie veröffentl­icht fast täglich Plattdeuts­ch-Lektionen im Internet.

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