Viel Zuspruch für Kritik an Bürokratiestaat
Betrifft: „Ein Land im Perfektionswahn – Debatte: Warum es Deutschland an Machermentalität und Flexibilität fehlt“, Beitrag zur Ð-Serie „Wo in Deutschland der Schuh drückt“von Jürgen Fastbinder, Meinung, 11. März
In Ihrem im Betreff genannten Artikel sprechen Sie nicht nur mir, sondern wahrscheinlich auch vielen Mitbürgern in allen Punkten „aus der Seele“. Nur ich glaube nicht, dass sich an den zwischenzeitlich festgefahrenen Strukturen, Meinungen und Ansichten in naher Zukunft etwas ändern wird.
Es ist teilweise erschreckend – Corona-Pandemie ist ein gutes Beispiel –, dass teilweise mit Inkompetenz logisches Denken und Handeln untergraben wird bzw. nicht vorhanden ist. Viele Meinungen und jeder gibt seine Daseinsberechtigung kund und blockiert hierdurch logische Abläufe. Hinzu kommt das Postengeschiebe, das bereits in den unteren Regionen Einzug gehalten hat. Perfektion ist gut, wenn sie angemessen angewandt wird. Perfektionswahn ist schädlich und ein Hindernis für alle Abläufe.
Mein Glückwunsch zu Ihrem Artikel!
Heinz Wendrich Hatten
Neoliberalismus als Ersatzhandlung rechtsstaatlicher Grundprinzipien? Gutachten einzubringen, Befangenheitsanträge und Einsprüche zu stellen, bedeutet nicht etwa ein Verbrechen zu begehen, sondern sind legitime Mittel innerhalb eines juristischen Verfahrens. Wenn der Autor diese elementaren Rechtsgüter als „Verzögerungstaktik“diffamiert, zu beschneiden beabsichtigt und lieber jetzt als gleich entrechtet wissen mag, ist dessen „wunderbares Land“ganz sicher keines, in dem ich leben möchte.
Es ist gerade diese Rechtssicherheit, die die DNA eines Staates, der sich über die Unabhängigkeit der Gewaltenteilung gegenüber seinen Bürgern verpflichtet hat, von einem totalitären Regime zu unterscheiden hilft.
Dass dabei Anspruch und Wirklichkeit wiederholt eher Wahrheit und Dichtung gleichen, ist befremdlich genug. Der Umstand, dass alle Richter oberhalb der Amtsgerichte über Richterjurys, die sich vornehmlich aus Politikern der Landesparlamente und des Bundestages zusammensetzen, in ein Richteramt gewählt werden, widerspricht per se genau dieser Unabhängigkeit. Und die Nibelungentreue zwischen Jurisdiktion und Exekutive (siehe Studie Ruhruniversität) (...) bezeugt, dass einige bereit sind, Rechtsstaatlichkeit bei Bedarf zu einer bloßen Absichtserklärung verkommen zu lassen.
Thomas Rylewicz Wardenburg
Ihr Beitrag trifft „den Nagel auf den Kopf“! (...) Parteien sollen an der politischen Willensbildung „mitwirken“und „alle Gewalt geht vom Volk aus“. Leider entwickelt sich unsere Volksdemokratie immer mehr zu einer Parteiendemokratie. Die vom Wähler in der jüngeren Vergangenheit erteilten „Denkzettel“haben bei den „Noch-Volksparteien“bisher nicht die erhofften Veränderungen ausgelöst. Schluss mit dem Blick auf Wahltermine, mit Klientelpolitik, her mit einem Ehrenkodex für Abgeordnete, Verkleinerung der Parlamente auf ein angemessenes Maß. Was spricht gegen eine Offenlegung der sogenannten Lobbyarbeit gegenüber dem „Arbeitgeber Volk“und eine volle Transparenz bei der Parteienfinanzierung?
Noch eine Anregung aus aktuellem Anlass: Für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes haben unsere Volksvertreter schon lange – übriges völlig zu Recht – strenge Regelungen zum Thema Korruption und Bestechlichkeit verabschiedet. (...) Ich rege an, diese Regelungen per „Überleitungsgesetz“auf die auch als „Diener des Volkes“zu bezeichnenden Parlamentarier zu übertragen. (...)
Johann Michels-Lübben Jever
Vielen Dank für Ihren so gut geschriebenen Artikel in der heutigen Ð. Sie bringen die Probleme auf den Punkt.
Der Artikel wäre eine Pflichtlektüre für die Verantwortlichen, die in der Lage wären, eine Änderung zu erreichen. Leider werden „Frösche einen Sumpf nicht austrocknen lassen“. Daher bin ich sehr pessimistisch, da das Problem ja nicht neu ist.
Trotzdem ist es sehr gut, wenn Autoren wie Sie es immer wieder anmahnen! Vielen Dank und weiter so!
Edeltraut Rinck Oldenburg
Ich danke Ihnen für Ihre klar und konstruktiv formulierte Position, der ich mich voll und ganz anschließe. Die durch immer neue Vorgaben und Verordnungen zusehends sich selbst blockierende Bürokratie und Politik machen es immer schwieriger, unternehmerisch und gestaltend tätig zu sein. Zum Glück gibt es noch handelnde Personen, mit denen auch in dieser Überregulierung Wege gefunden werden können. Ich habe diese positive Erfahrung gerade mit den verantwortlichen Impfzentrumsleitern sowie deren Oberbürgermeistern bzw. Landrat, der Stadt und des Landkreises Oldenburg beim Thema Impfen gemacht.
Gerhard Wessels Oldenburg
Der Beitrag spricht vielen Menschen aus der Seele. Die immer noch wuchernde Bürokratie hat ihre Ursache zum
Teil in neuen Entwicklungen, zum Beispiel Gentechnik oder bedenklichen Auswüchsen in den neuen Medien.
Trotzdem ist das Streben nach Perfektion als Hauptursache kritisch zu beurteilen. Aus ihr erwächst eine „Regelungswut“auf allen Ebenen. Sie wird begünstigt durch eine große Ministerialbürokratie, die sicher sein will, dass im Lande alle Dinge gleich gehandhabt werden und dabei zu prüfen vergisst, ob Regelungen nicht wegfallen können oder die örtliche Entscheidungsebene ausreicht.
Allerdings bergen Regelungsoder Anwendungslücken die Gefahr, dass eine Entscheidung aus rein formalen Gründen gerichtlich aufgehoben wird. Also: lieber jede Kleinigkeit regeln. Wenn die Kraft und der Mut zur Entbürokratisierung nicht aufgebracht wird, müssen wir damit rechnen, dass die nächste Sintflut nicht mit Wasser, sondern mit Papier erfolgt.
Karl-Heinz Meyer Oldenburg
Jedes Wort ist klasse. Ich bin seit zwei Jahren Rentner und war vorher 48 Jahre in der
Kommunalverwaltung tätig. Wir verwalten uns selbst, weil keiner mehr Verantwortung übernehmen möchte.
Gerold Gierse Wildeshausen
Ich kann Herrn Fastbinder zu diesem außerordentlichen Beitrag nur gratulieren. Der hier angesprochene Text zeigt deutlich unsere Probleme beziehungsweise Baustellen in Deutschland auf. Ich stimme diesem Beitrag zu hundert Prozent zu.
Horst Zimmermann Bad Zwischenahn
In seinem Fazit wünscht sich der Autor eine Entschlackung des Staates durch eine unverbrauchte Politikergeneration, die den Bürger wieder in den Mittelpunkt stellt. Die Verschlankung des Staates war bereits Thema, als ich 1975 meine Ausbildung im Verwaltungsdienst begann.
Was ist seitdem passiert? Alles wurde nur noch mehr bürokratisiert. Deutsches Sicherheitsdenken und Perfektionswahn stecken anscheinend in unserer DNA und es wird mehr brauchen als junge Politiker, die den Staat als ein Unternehmen sehen, das vom Kunden her denkt. So sehr ich mir das – immer noch – wünsche: diesen Optimismus sehe ich zum Scheitern verurteilt. Jeder junge Politiker wird Teil des Systems und er wird in seinem eigenen Interesses im Strom mitschwimmen wie schon alle vor ihm. (...)
Gaby Friesen Oldenburg
Das, was Herr Fastbinder beschreibt, ist in seinen Auswirkungen sicherlich richtig. Extrapoliert ist das der Weg in die Bananenrepublik! Das hat aber mit Perfektionswahn nicht viel zu tun. (...) Zu sehen an vielen Projekten wie dem BER, Stuttgart 21 oder auch die Eisenbahnbrücke bei Weener. Ach ja, die Gorch Fock nicht zu vergessen.
Die Pandemie hat nun zusätzlich viele Unzulänglichkeiten aufgezeigt, die man getrost „unterlassene Hilfeleistung“im Verbund von Staatsversagen benennen darf. Eindeutig ein Erkennen von Unfähigkeit und Defätismus. (...)
Das hat aber ursächlich mit unseren Entwicklungen in der Bildung zu tun. Heute heißt alles „Studium“, aufgesplittet bis zur Unerkennbarkeit. Das Ergebnis: eine Produktion von „Fachidioten“. Das Fatale dabei ist, dass dieser enge Bildungsgrad die „Studierenden“nicht in die Lage versetzt, kausale Zusammenhänge zu erkennen, geschweige zu kommunizieren. Dazu kommt noch das menschliche Attribut Verantwortung abzulehnen bzw. sich hinter überbordender Bürokratie zu verstecken und damit Fortgang und Entwicklung auszubremsen.
Siegfried Schulz Oldenburg