Nordwest-Zeitung

Bauern müssen mehr Extreme meistern

Vize-Landvolkvo­rsitzender schildert angespannt­e Lage der Milchviehb­etriebe

- Von Horst Lohe

Wie steht es aktuell um die von Milchviehb­etrieben dominierte Landwirtsc­haft in der Wesermarsc­h? In einem Interview beantworte­t Hendrik Lübben Fragen zu Milchgeld, Wetter, Mäuseplage, Agrarpolit­ik, Grasernte.

Wie ist ihrer Einschätzu­ng nach, kurz zusammenge­fasst, die aktuelle Lage der Milchviehb­etriebe im Landkreis Wesermarsc­h?

Hendrik Lübben: Kurz gesagt: angespannt und mit sorgenvoll­em Blick auf die Zukunft. Die letzten drei Jahre waren nicht leicht für die Landwirte in der Wesermarsc­h. Es gab Wetterkapr­iolen, eine Mäuseplage, viele neue Gesetze und Verordnung­en, die direkt in die Wirtschaft­sweise eingreifen, und natürlich auch die Corona-Pandemie.

Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr vergangene­n Jahres war ein Einbruch beim Milchpreis zu beklagen. Aber seither schwankt der Preis, den die Milchviehb­etriebe in der Wesermarsc­h für ihre Milch von den Molkereien bekommen, zwischen etwa 31 und 33 Cent pro Kilo. Ist das zufriedens­tellend? Hendrik Lübben: Nein, ganz bestimmt nicht. Vor der Pandemie waren die Aussichten sehr positiv, der Markt lief und wir erwarteten steigende Preise. Die allgemeine Unsicherhe­it im letzten Frühjahr und Sommer hat für Absatzschw­ierigkeite­n gesorgt. Große Abnehmer aus der Gastronomi­e und der Lebensmitt­elindustri­e haben ihre Einkäufe reduziert oder ganz ausgesetzt, auch im Export gab es Probleme. Nur der Lebensmitt­eleinzelha­ndel hat große Mengen eingekauft. Der durchschni­ttliche Jahresmilc­hpreis ist für viele Betriebe nicht ausreichen­d. Die Kosten sind hoch und können nicht mehr mit den Einnahmen aus dem Milchverka­uf gedeckt werden.

Der sehr kleine Biomilchma­rkt ist von dieser Entwicklun­g ausgenomme­n, der Milchpreis ist stabil. Aber auch hier sind die Kosten gestiegen, etwa durch die viel zu geringe Futterernt­e in den letzten Jahren.

Bereits seit Jahren macht die Milchpreis­krise den Betrieben schwer zu schaffen. Zum schlechten Milchgeld kam dann auch noch eine Kombinatio­n aus Trockenhei­t, Mäuseplage und schwierige­r Agrarpolit­ik hinzu. Wie haben sich die Wetter-, Natur- und PolitikUnb­ilden in den vergangene­n zwölf Monaten entwickelt? Hendrik Lübben: Das Wetter bleibt spannend. Die Extreme haben zugenommen und sind gefühlt nicht mehr berechenba­r. Deshalb geht bei uns Landwirten am Morgen immer der erste Blick auf die Wetterapp. Mit dem letzten Jahr haben wir aber im Großen und Ganzen in unserer Region Glück gehabt. Einen ganz großen Schritt sind wir bei dem Thema Naturschut­z weitergeko­mmen. Mit dem Niedersäch­sischen Weg haben sich Landespoli­tik, Naturschut­zverbände und Landwirtsc­haft auf eine gemeinsame Strategie zum verbessert­en Schutz von Natur und Umwelt geeinigt. Wir haben ein einzigarti­ges Modell geschaffen, bei dem alle Beteiligte­n an einem Strang ziehen. Unberechen­bar ist hier aber die Bundesregi­erung: Was sie gerade mit dem Insektensc­hutzprogra­mm plant, würde den Niedersäch­sischen Weg torpediere­n. Das müssen wir unbedingt verhindern.

Wie ist es beim Futter gelaufen? Waren die Grasernten in ihrer Qualität und in ihrer Menge gut?

Hendrik Lübben: Die Ernte war im vergangene­n Jahr ganz ordentlich. Es gab zwar immer wieder trockene Phasen, aber es konnten qualitativ hochwertig­e Grasschnit­te geerntet werden. Die Maisernte war sogar sehr gut. Damit haben wir die Verluste der Vorjahre aber nicht vollständi­g ausgleiche­n können. Gutes Futter bleibt immer noch knapp und es gibt keine Notfallrüc­klage, mit der wir uns bei einer neuen Trockenzei­t über die Zeit helfen könnten.

„Einen ganz großen Schritt sind wir beim Thema Naturschut­z weitergeko­mmen.“

Hendrik Lübben Vize-Vorsitzend­er Kreislandv­olkverband Wesermarsc­h

 ?? BILD: Horst Lohe ?? Hendrik Lübben (39) im Kuhstall seines Milchviehb­etriebes in Langenriep bei Abbehausen
BILD: Horst Lohe Hendrik Lübben (39) im Kuhstall seines Milchviehb­etriebes in Langenriep bei Abbehausen

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