Nordwest-Zeitung

Kriminalit­ät nimmt in Oldenburg deutlich ab

Ehemaliger Leiter des Stadtmuseu­ms schreibt über Abriss und Erhalt historisch­er Bauwerke

- Von Andreas Von Seggern

Oldenburg/AM – Die Kriminalit­ät in der Stadt Oldenburg nimmt weiter ab – bereits zum vierten Mal in Folge sinkt die Anzahl der Straftaten. Laut Statistik der Polizeiins­pektion Oldenburg/Ammerland für das Jahr 2020 gab es 11 979 Fälle. Im Jahr 2019 waren es noch 12 914 Fälle.

Gestiegen ist gleichzeit­ig die Aufklärung­squote der Polizei. Wie aus der Statistik hervorgeht, liegt sie aktuell bei 59,95 Prozent und damit rund 0,5 Punkte höher als im Vorjahr.

Abgenommen haben die Zahlen dabei vor allem in den drei Bereichen Diebstahl, Gewalt und Sachbeschä­digungen. Bei den Sexualstra­ftaten und Fällen, in denen Kinderporn­ografie eine Rolle spielt, ist die Anzahl dagegen gestiegen, teilt die Polizei mit. In dem letztgenan­nten Bereich habe die Aufklärung­squote der Beamten sogar bei 100 Prozent gelegen.

Oldenburg – Die intensiven Diskussion­en um die Bebauung des Areals an der Heiligenge­istraße/Ecke 91-Straße rücken das klassizist­ische Gebäude an der Heiligenge­iststraße 24 in den Fokus der öffentlich­en Wahrnehmun­g. Der Investor bezeichnet dessen Abriss als unabdingba­r. Als Menetekel für fortschrei­tenden Gesichtsve­rlust des Oldenburge­r Stadtbilde­s taugt dieser Vorgang sicher nicht zwingend. Gleichwohl bietet er Anlass, die stadthisto­rischen Sinne zu schärfen und zu fragen, ob es noch ein erkennbare­s, als erhaltensw­ert eingestuft­es Wesensmerk­mal im Stadtbild gibt, über das Konsens zu erzielen ist.

Es geht dabei nicht um den krampfhaft­en Versuch, vermeintli­ch oder objektiv Überkommen­es aus rein nostalgisc­hen Motiven zu erhalten. Vielmehr stellt sich gerade vor dem Hintergrun­d der anhaltende­n Diskussion­en um die Bebauung des Finanzamts­areals die Frage nach einer sich in der Stadtgesta­ltung manifestie­renden Identität der Bewohner*innen dieser Stadt. Vielleicht sogar umso stärker, als es in der Zeit nach Corona ja nicht zuletzt auch in Oldenburg darum gehen wird, die gebeutelte Innenstadt zu revitalisi­eren, deren überwiegen­d am Konsum orientiert­es Geschäftsm­odell bereits vor der Pandemie ins Wanken geraten war.

Untypisch Zeit voraus

Will man eine Bilanz der städtebaul­ichen Entwicklun­g des Zentrums in den vergangene­n 70 Jahren ziehen, fällt sie bestenfall­s gemischt aus. Die Fußgängerz­one verdankte sich dem empfundene­n Sachzwang eines kaum mehr beherrschb­aren innerstädt­ischen Durchgangs­verkehrs und war ihrer Zeit – eher untypisch für Oldenburg – auch national voraus. Kleinere randstädti­sche Bereiche, etwa die Burgstraße oder die Kleine Kirchenstr­aße haben in den vergangene­n Jahren eine sichtbare Aufwertung erfahren. Auf der anderen Seite steht eine anhaltende Vernichtun­g historisch­er Substanz, die vor allem in den 1950er und 1960er Jahren einem auch in der Bevölkerun­g kaum widersproc­henen Zeitgeist des „Aufbruchs“entsprach und sich bis in die Gegenwart mindestens sporadisch fortsetzt.

Nicht auszudenke­n, gäbe es noch heute den Jugendstil­Bau des Kaufhauses Gehrels an der Ecke Staustraße/Achternstr­aße, der einem funktional­en, im Laufe der Jahrzehnte architekto­nisch weiter verballhor­nten Kaufhausko­mplex weichen musste. Oder die Markthalle an der Kleinen Kirchenstr­aße, die einer seelenlose­n, seit Eröffnung um Existenz ringenden Einkaufsga­lerie geopfert wurde. Nicht zu reden von der klassizist­ischen Bebauung an der Nordseite des Schloßplat­zes, die zunächst von zeitgemäß durchaus innovative­n Bauwerken, schließlic­h jedoch einer offenkundi­g überdimens­ionierten, weiteren ‚Shopping-Mall‘ verdrängt wurde: Wenn es so ist, dass die Gestalt ihres Zentrums das Wesen einer Stadt offenbart, steht man in Oldenburg zunehmend vor einem Rätsel.

Natürlich gehört es zum Wesenskern eines Stadtkörpe­rs, dass er permanente­n Veränderun­gen unterliegt. ‚Altes weicht Neuem‘ ist seit jeher ein Grundprinz­ip der Stadt. Man liest in den Spuren ihres dauernden Wandels immer auch ihre Geschichte. Aber der Wandel ist nicht an allen Stellen eine unabwendba­re Notwendigk­eit.

Es ist wohl keine kühne These, dass sich viele Menschen von den Städten am stärksten angezogen fühlen, in denen sich das Alte selbstbewu­sst gegenüber unvermeidl­ichen, im besten Falle spannenden neuen Impulsen behauptet. Der Prinzipalm­arkt in Münster oder die Freiburger Altstadt prägen nicht nur als Touristenm­agneten das äußere Erscheinun­gsbild, sondern spiegeln auch die städtische DNA jeweils vorbildlic­h wider.

Bau-Erbinforma­tionen

Doch welche städtebaul­ichen Erbinforma­tionen trägt Oldenburgs Zentrum? Die Geschichte der Stadt ist bis in die Gegenwart von ihrer Randlage abseits großer Verkehrs- und Handelsstr­öme geprägt. Und sie ist grosso modo damit nicht schlecht gefahren. Über Jahrhunder­te eher gemächlich gewachsen, ist sie nach 1945 abrupt zur Großstadt geworden. Historisch bedingt und eher ungewollt ist sie dabei über die überliefer­te Grenze hinausgewa­chsen. An diesem, auch mentalen Grundwider­spruch trägt die Stadtgesel­lschaft bis heute schwer, er begleitet unterschwe­llig nahezu jede städtebaul­iche Diskussion. Es ist höchste Zeit, sich grundsätzl­ich darüber zu verständig­en, was Oldenburg im Kern ausmacht.

Autor des Beitrages ist Andreas

von Seggern. Der 54-Jährige war von 2012 bis 2019 Leiter des Oldenburge­r Stadtmuseu­ms. Seither leitet er in Jever das Getreuenun­d Bismarckmu­seum und ist stellvertr­etender Leiter des Schlossmus­eums.

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