Kriminalität nimmt in Oldenburg deutlich ab
Ehemaliger Leiter des Stadtmuseums schreibt über Abriss und Erhalt historischer Bauwerke
Oldenburg/AM – Die Kriminalität in der Stadt Oldenburg nimmt weiter ab – bereits zum vierten Mal in Folge sinkt die Anzahl der Straftaten. Laut Statistik der Polizeiinspektion Oldenburg/Ammerland für das Jahr 2020 gab es 11 979 Fälle. Im Jahr 2019 waren es noch 12 914 Fälle.
Gestiegen ist gleichzeitig die Aufklärungsquote der Polizei. Wie aus der Statistik hervorgeht, liegt sie aktuell bei 59,95 Prozent und damit rund 0,5 Punkte höher als im Vorjahr.
Abgenommen haben die Zahlen dabei vor allem in den drei Bereichen Diebstahl, Gewalt und Sachbeschädigungen. Bei den Sexualstraftaten und Fällen, in denen Kinderpornografie eine Rolle spielt, ist die Anzahl dagegen gestiegen, teilt die Polizei mit. In dem letztgenannten Bereich habe die Aufklärungsquote der Beamten sogar bei 100 Prozent gelegen.
Oldenburg – Die intensiven Diskussionen um die Bebauung des Areals an der Heiligengeistraße/Ecke 91-Straße rücken das klassizistische Gebäude an der Heiligengeiststraße 24 in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Der Investor bezeichnet dessen Abriss als unabdingbar. Als Menetekel für fortschreitenden Gesichtsverlust des Oldenburger Stadtbildes taugt dieser Vorgang sicher nicht zwingend. Gleichwohl bietet er Anlass, die stadthistorischen Sinne zu schärfen und zu fragen, ob es noch ein erkennbares, als erhaltenswert eingestuftes Wesensmerkmal im Stadtbild gibt, über das Konsens zu erzielen ist.
Es geht dabei nicht um den krampfhaften Versuch, vermeintlich oder objektiv Überkommenes aus rein nostalgischen Motiven zu erhalten. Vielmehr stellt sich gerade vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussionen um die Bebauung des Finanzamtsareals die Frage nach einer sich in der Stadtgestaltung manifestierenden Identität der Bewohner*innen dieser Stadt. Vielleicht sogar umso stärker, als es in der Zeit nach Corona ja nicht zuletzt auch in Oldenburg darum gehen wird, die gebeutelte Innenstadt zu revitalisieren, deren überwiegend am Konsum orientiertes Geschäftsmodell bereits vor der Pandemie ins Wanken geraten war.
Untypisch Zeit voraus
Will man eine Bilanz der städtebaulichen Entwicklung des Zentrums in den vergangenen 70 Jahren ziehen, fällt sie bestenfalls gemischt aus. Die Fußgängerzone verdankte sich dem empfundenen Sachzwang eines kaum mehr beherrschbaren innerstädtischen Durchgangsverkehrs und war ihrer Zeit – eher untypisch für Oldenburg – auch national voraus. Kleinere randstädtische Bereiche, etwa die Burgstraße oder die Kleine Kirchenstraße haben in den vergangenen Jahren eine sichtbare Aufwertung erfahren. Auf der anderen Seite steht eine anhaltende Vernichtung historischer Substanz, die vor allem in den 1950er und 1960er Jahren einem auch in der Bevölkerung kaum widersprochenen Zeitgeist des „Aufbruchs“entsprach und sich bis in die Gegenwart mindestens sporadisch fortsetzt.
Nicht auszudenken, gäbe es noch heute den JugendstilBau des Kaufhauses Gehrels an der Ecke Staustraße/Achternstraße, der einem funktionalen, im Laufe der Jahrzehnte architektonisch weiter verballhornten Kaufhauskomplex weichen musste. Oder die Markthalle an der Kleinen Kirchenstraße, die einer seelenlosen, seit Eröffnung um Existenz ringenden Einkaufsgalerie geopfert wurde. Nicht zu reden von der klassizistischen Bebauung an der Nordseite des Schloßplatzes, die zunächst von zeitgemäß durchaus innovativen Bauwerken, schließlich jedoch einer offenkundig überdimensionierten, weiteren ‚Shopping-Mall‘ verdrängt wurde: Wenn es so ist, dass die Gestalt ihres Zentrums das Wesen einer Stadt offenbart, steht man in Oldenburg zunehmend vor einem Rätsel.
Natürlich gehört es zum Wesenskern eines Stadtkörpers, dass er permanenten Veränderungen unterliegt. ‚Altes weicht Neuem‘ ist seit jeher ein Grundprinzip der Stadt. Man liest in den Spuren ihres dauernden Wandels immer auch ihre Geschichte. Aber der Wandel ist nicht an allen Stellen eine unabwendbare Notwendigkeit.
Es ist wohl keine kühne These, dass sich viele Menschen von den Städten am stärksten angezogen fühlen, in denen sich das Alte selbstbewusst gegenüber unvermeidlichen, im besten Falle spannenden neuen Impulsen behauptet. Der Prinzipalmarkt in Münster oder die Freiburger Altstadt prägen nicht nur als Touristenmagneten das äußere Erscheinungsbild, sondern spiegeln auch die städtische DNA jeweils vorbildlich wider.
Bau-Erbinformationen
Doch welche städtebaulichen Erbinformationen trägt Oldenburgs Zentrum? Die Geschichte der Stadt ist bis in die Gegenwart von ihrer Randlage abseits großer Verkehrs- und Handelsströme geprägt. Und sie ist grosso modo damit nicht schlecht gefahren. Über Jahrhunderte eher gemächlich gewachsen, ist sie nach 1945 abrupt zur Großstadt geworden. Historisch bedingt und eher ungewollt ist sie dabei über die überlieferte Grenze hinausgewachsen. An diesem, auch mentalen Grundwiderspruch trägt die Stadtgesellschaft bis heute schwer, er begleitet unterschwellig nahezu jede städtebauliche Diskussion. Es ist höchste Zeit, sich grundsätzlich darüber zu verständigen, was Oldenburg im Kern ausmacht.
Autor des Beitrages ist Andreas
von Seggern. Der 54-Jährige war von 2012 bis 2019 Leiter des Oldenburger Stadtmuseums. Seither leitet er in Jever das Getreuenund Bismarckmuseum und ist stellvertretender Leiter des Schlossmuseums.