Profitiert die Natur von der Pandemie?
Lars Klein vom Nationalpark-Haus Dangast über die Auswirkungen von Corona auf die Umwelt
Seit mehr als einem Jahr beschäftigt die Pandemie die Deutschen jetzt schon. Gerade in Touristenorten wie Dangast, die vor allem in den Lockdowns vergleichsweise wenig Besucher hatten, hatte die Tierwelt plötzlich umso mehr Platz. Aber profitiert die Umwelt wirklich von der Pandemie? Lars Klein, Leiter des Nationalpark-Hauses in Dangast, gibt Antworten.
Schon im ersten Lockdown gingen Nachrichten von Delfinen im Canal Grande in Venedig um die Welt. Hat die Tierwelt am Jadebusen auch von der Pandemie profitiert?
Klein: Was wir gerade in der Lockdown-Zeit beobachtet haben, ist, dass sich die Tiere viel weiter in Bereiche vorgewagt haben, die sie sonst wegen der Menschen eher meiden. Im Jadebusen konnte man auch Schweinswale beobachten, genaue Daten dazu gibt es aber nicht. Dass die Tierwelt sich so ausbreiten konnte, führen wir vor allem auf den Lärmpegel zurück – ob über oder unter Wasser. Es gab im vergangenen Jahr weniger Schiffsverkehr und weniger Touristen – und damit auch weniger Krach.
Also war 2020 ein gutes Jahr für die Tierwelt?
Klein: Die Vogelgrippe hat zumindest bei den Vögeln wieder eine Menge zunichte gemacht. Vor allem Nonnengänse und einige Entenarten waren betroffen – also Artverwandte unseres Nutzgeflügels. Zur Corona-Pandemie hatten wir hier eine parallele Tier-Epidemie. Rund um Dangast haben wir zwar relativ wenig tote Tiere gefunden, das lag aber daran, dass die Tiere im Watt gestorben sind und dann in den nördlichen Jadebusen geschwemmt wurden. Hier wurden uns aber auch Tiere gemeldet, die völlig apathisch am Strand standen und jegliche
Scheu verloren haben. Das ist ein eindeutiges Zeichen für eine Vogelgrippeerkrankung.
Sind denn trotz Vogelgrippe nachhaltige, positive Effekte für die Tierwelt zu erwarten? Klein: Sobald die Menschen wieder da sind, verlassen die Tiere die strandnahen Nahrungsbereiche sofort wieder. Der Effekt bezieht sich nur auf diese Zeit. Es hat auch keinen Einfluss auf die Population, dafür war der Zeitraum viel zu kurz. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass wir mit unserer Arbeit auch mehr Menschen erreichen und sie für die Umwelt sensibilisieren können, wenn Urlaub in Dangast möglich ist.
Wie sieht es mit Plastikmüll aus? Einerseits konnte weniger Müll über Touristen ins Wattenmeer gelangen, andererseits
wird derzeit viel mehr Plastikmüll produziert... Klein: In Dangast haben wir bislang immer das Glück gehabt, dass unsere Gäste hier in Sachen Plastikmüll sehr sensibilisiert
sind. Den Müll, der trotzdem ins Watt kommt, fangen wir auf unseren Wattführungen wieder ein. Dass jetzt mehr Plastikmüll produziert wird, widerspricht allen Anstrengungen. Wir hoffen,
dass sich die Menschen nicht allzu sehr daran gewöhnen. Allein der Verpackungsmüll ist ein Grund, weshalb die Gastronomie mit guten Hygienekonzepten bald wieder öffnen sollte.
Was ist mit Maskenmüll? Klein: Was Einwegmasken angeht, haben wir hier noch kein großes Aufkommen, aber es ist schon auffällig. Das Problem an den Masken ist, dass sich niemand traut, sie anzufassen. Die Masken bestehen zwar zum Großteil aus Zellstoff, aber das Schlimme sind die Gummibänder. Tiere können sich darin verheddern oder fressen die Schnüre. Makroplastik ist immer gefährlich für Tiere.
Also bleibt für die Natur überhaupt nichts Positives aus der Corona-Pandemie?
Klein: Ich schätze, dass die Bilanz eher ins Negative geht, aber man muss es differenziert betrachten: Wir haben drastisch mehr Müll produziert, haben aber zugleich mehr Raum für natürliche Prozesse gehabt. Die CO2-Einsparungen werden sicherlich wieder ausgeglichen. In der Klimastatistik ist das Jahr nur eine Kerbe und wird keine Veränderungen bringen. Das Wichtigste ist, dass wir uns von der Pandemie nicht von den eigentlichen Themen ablenken lassen. Der Klimaschutz wird weiterhin die größte Herausforderung sein, sonst entziehen wir uns selbst unsere Lebensgrundlage. Wir müssen jetzt in friesischer Manier zusammenhalten, an einem Strang ziehen und die Pandemie überwinden. Und genau so müssen wir es auch beim Klimaschutz machen.