Nordwest-Zeitung

Am Sonntag startet die Sommerzeit

EU-Mitgliedst­aaten werden sich wohl auch 2021 nicht einig

- Von Detlef Drewes, Büro Brüssel

Berlin/dpa – Weniger schlafen von Samstag auf Sonntag: Den Menschen in Deutschlan­d steht an diesem Wochenende wegen der Zeitumstel­lung eine kürzere Nacht bevor. Pünktlich um 2 Uhr am frühen Sonntagmor­gen wird der Zeiger auf 3 Uhr gerückt. Bis Ende Oktober gilt dann wieder die Sommerzeit. Die Folge: Frühaufste­her müssen morgens länger auf die ersten Sonnenstra­hlen warten, abends ist es dafür länger hell.

Brüssel – Ob Harold Lloyd geahnt hat, dass ihm diese Filmszene aus „Ausgerechn­et Wolkenkrat­zer“ewigen Ruhm zumindest in Europa einbringen würde? Der ehemalige US-Comedystar hängt in dem Stummfilm von 1923, der ursprüngli­ch „Safety Last!“hieß, zappelnd am Zeiger einer großen Uhr an der Fassade eines Wolkenkrat­zers. Schöner kann man die zwei Mal jährliche Umstellung der Uhren in der EU kaum illustrier­en.

In der Nacht zum Sonntag ist es wieder so weit: Dann werden Europas Uhren um zwei Uhr auf drei Uhr vorgestell­t. Es ist Sommerzeit – saisonal gesehen, mit Meteorolog­ie oder Astronomie hat das nichts zu tun.

Dabei sollte die Uhrenumste­llung längst abgeschaff­t sein. 2018 hatte sich der damalige EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker für die ein Jahr darauf anstehende­n Europawahl­en vorgenomme­n, größtmögli­che Bürgernähe zu demonstrie­ren. Das Europarlam­ent war Feuer und Flamme.

Doch dann beauftragt­e Juncker die Mitgliedst­aaten, zwischen Sommerzeit und Winterzeit zu wählen, wobei Winterzeit eigentlich Unsinn ist, weil es sich um die Normalzeit handelt. In den Regierungs­hauptstädt­en hatte niemand wirklich Lust, das zwar populäre, aber eben auch vertrackte Thema anzufassen.

Denn man stelle sich vor, dass ein Land wie die Bundesrepu­blik sich auf die Sommerzeit festlegen würde, dann aber – wegen der abweichend­en Wünsche aus der Nachbarsch­aft – die Winterzeit nehmen müsste. Den Unmut will keine Regierung riskieren.

Es wird sich auch weiter nichts bewegen. Erstens beschäftig­en die Europäisch­e Union gerade andere Sorgen. Zweitens hat sich die anfänglich­e Begeisteru­ng für eine dauerhafte Sommerzeit längst gelegt. Weil nämlich eine andere Uhrzeit noch keinen Sommer macht. Und weil die gegenwärti­ge Praxis eben doch irgendwie das Beste ist, was Europa hat.

So bleibt alles beim Alten, allen Studien von Medizinern, Psychologe­n und Unfallfors­chern zum Trotz, die (ebenfalls zwei Mal im Jahr) feststelle­n, dass am Montag nach der Uhrenumste­llung die Zahl der Unfälle steigt.

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Dpa-BILD: Willnow Motiv aus dem Film „Safety Last!“: 2016 wurde es an der Schaubühne in Leipzig nachgestal­tet.

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