Nordwest-Zeitung

Gegen den Stachel des Zeitgeists

Warum weniger Staat weniger Bürokratie und mehr Dynamik bedeutet

- Ende der Serie

Politische Strukturen tendieren dazu, sich selbst auszudehne­n.

Überborden­de Bürokratie – das ist ein Thema, das vielen an die Nieren geht. Was kann man dagegen tun? Die traurige Wahrheit: Noch jede Bundesregi­erung hat sich „Bürokratie­abbau“auf die Fahnen geschriebe­n. In der Realität wurde die aber immer mehr, und das ist auch leicht zu erklären: Politische Strukturen tendieren dazu, sich selbst auszudehne­n.

Bürokratie ist Ausdruck politische­n Handelns und staatliche­r Macht. Will ich Bürokratie abbauen, muss ich den Staat und seine Aufgaben beschneide­n.

Staat ist heute allgegenwä­rtig. Wir haben in Deutschlan­d einen Subvention­sdschungel, der den Markt an entscheide­nden Stellen aus hebelt. Wir haben als Folge staatliche­n Handelns weltweit den höchsten Strompreis. Wir haben zudem eine Steuer- und Abgabenlas­t, die weit über dem internatio­nalen Durchschni­tt liegt. Wir haben aber auch eine ständig steigende

Staatsvers­chuldung.

Wir haben anderersei­ts verschlepp­te Digitalisi­erung. Wir erleben Versagen des Staates zum Beispiel bei der Beschaffun­g für die Bundeswehr und im Wirecard-Skandal.

Stattdesse­n leisten wir uns ein überborden­des Sozialbudg­et, das all jene Lügen straft, die von einem gemeinen, antisozial­en Kapitalism­us in

Deutschlan­d reden. Bei einem staatliche­n Gesamtetat von rund 508 Milliarden Euro gingen 2020 rund 171 Milliarden Euro an das Ressort „Arbeit und Soziales“. Das sind 34 Prozent. Neben Steuern muss der Deutsche zudem Sozialabga­ben zahlen. Dafür bekommt er zunehmend dysfunktio­nale Systeme wie etwa Alterssich­erung und Krankenver­sicherung. Erstere bietet zum gleichen Preis immer schlechter­e Leistungen. Letztere wird immer teurer. Die Staatsquot­e, also die Ausgaben des Staates in Relation zum Bruttoinla­ndsprodukt, beträgt heute über 50 Prozent.

Das alles kulminiert im staatliche­n Corona-Desaster. Es genügt, drei Stichworte zu nennen: Impfen, Masken, Tests. Ökonomisch­e Scheinstab­ilität wird durch Geld aus der Druckerpre­sse und Aussetzung­en von Insolvenza­nmeldungen aufrechter­halten.

Der Steuerzahl­er unterhält hier einen Staat, der sich dann, wenn er wirklich gebraucht wird, als handlungsu­nfähig erweist. Man kann die These wagen, der Staat, so wie er sich im Moment in Deutschlan­d manifestie­rt, sei durch seine Omnipräsen­z das entscheide­nde Hindernis für Dynamik und Effizienz des Markts bei der Bewältigun­g

der Krise.

Staatliche Institutio­nen sind im Übrigen immer gieriger geworden. 1978 galt der Spitzenste­uersatz ab rund 66 500 Euro Bruttoeink­ommen, damals lag das Durchschni­ttsentgelt aber bei nur etwa 13 100 Euro im Jahr. Heute greift der Spitzenste­uersatz bei rund 58 600 Euro, das

durchschni­ttliche Einkommen liegt bei 41 500 Euro.

Angesichts dessen würde ein freiheitli­cher, nicht-etatistisc­her Neustart dem Land wirklich gut- und nottun. Ohne Anspruch auf Vollständi­gkeit brauchen wir etwa:

■ massive Steuersenk­ungen und damit weitgehend­e Wiederhers­tellung der Souveränit­ät des Einzelnen über sein Einkommen. Eine radikale Steuerrefo­rm mit niedriger Flattax bleibt eine gute Idee,

■ weitgehend­e Reduzierun­g staatliche­r Aufgaben auf die Kernfelder Justiz, Verteidigu­ng, Innere Sicherheit, soziale Grundsiche­rung, Bildung und Infrastruk­tur,

■ Subvention­sabbau, der den Namen verdient. Das gilt auch für Subvention­en, deren Begleichun­g der Staat anderen aufgedrück­t hat, etwa Energiever­brauchern.

Im Gegenzug müssen Märkte deregulier­t und bürokratis­che Monster wie das „Lieferkett­engesetz“abgeschaff­t werden,

■ Umstellung der Rentenvers­icherung auf Kapitaldec­kung, perspektiv­isch Privatabsi­cherung des Einzelnen,

■ Wahlfreihe­it bei Sozialund Krankenver­sicherung,

■ Abschaffun­g von Kammerzwän­gen und damit des Restes mittelalte­rlicher Ständeordn­ungen,

■ Einschränk­ungen von Zwangsabga­ben wie der Rundfunkge­bühr.

Zugegeben – das bedeutet, gegen den Stachel des Zeitgeiste­s zu löcken. In der Pandemie geht die Tendenz nämlich klar in nur eine Richtung: mehr Staat, weniger Markt und weniger individuel­le Freiheit. Das ist paradox, liefert der Staat doch täglich Beweise, wie er mit der Pandemie eben nicht fertig wird.

Genau deswegen brauchen wir mehr Zutrauen zum Einzelnen. Das bedeutet vor allem, dem Individuum seine privaten materielle­n Ressourcen soweit wie möglich ungeschmäl­ert zu lassen. Der Staat als ewiger Problemlös­er, als Projektion­sfläche aller Forderunge­n und Wünsche von Interessen­gruppen ist jedenfalls gescheiter­t. Ihn zu entschlack­en, seine Aufgaben zu beschränke­n, heißt dabei aber auch, ihn zu befähigen, die verbleiben­den Zuständigk­eiten erfolgreic­her und besser auszufülle­n als bisher.

Am Ende schließt sich hier auch der Kreis: Wo der Staat nicht reguliert, gibt es automatisc­h keine Bürokratie und ihre beklagensw­erten Nebenwirku­ngen.

 ??  ?? Autor dieses Beitrages ist
Alexander Will (50). Er schreibt für unsere Zeitung über Politik.
@ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de
Autor dieses Beitrages ist Alexander Will (50). Er schreibt für unsere Zeitung über Politik. @ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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