Nordwest-Zeitung

Gruseliger Killer in Frauenklei­dern

Neuer Fall des Wiener „Tatort“führt die Ermittler an die Grenzen ihrer Belastbark­eit

- Von Martin Weber

Wien – Moritz Eisner hat in seiner langen Laufbahn schon einiges erlebt, doch so mitgenomme­n war der von Harald Krassnitze­r gespielte Kommissar aus Wien noch nie: Bei seinem 50. Einsatz kann der sonst vor Sarkasmus triefende Eigenbrötl­er die Tränen nicht mehr zurückhalt­en. Seiner ewig übermüdete­n Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) raubt der nervenzehr­ende Fall um erstochene Prostituie­rte und verschwund­ene Kinder derweil nicht nur vollends den Schlaf. Sie wird von dem irren Bösewicht, der wie eine Figur aus dem Horrorfilm durch ein düsteres Wien abseits aller Postkarten­motive geistert, auch noch angegriffe­n. Der von dem österreich­ischen Regisseur Christophe­r Schier wie ein böses Märchen inszeniert­e Krimi „Tatort: Die Amme“(28. März, ARD) dürfte keinen Zuschauer kaltlassen.

Blick in Abgründe

„Ich kann nicht schlafen, ich halte diese Welt nicht mehr aus, wir müssen den Buben finden“: Die sensible Bibi Fellner ist mit ihren Nerven am Ende. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Moritz Eisner und tatkräftig unterstütz­t von der neuen Assistenti­n Meret

Schande (Christina Scherrer) sucht sie nach einem Mörder, der die Mutter des kleinen Samuel (Eric Emsenhuber) erstochen und den Zehnjährig­en entführt hat. Anders als die Kommissare kennt der Zuschauer frühzeitig den Täter: Es handelt sich um den psychisch gestörten Janko, großartig gespielt von Max Mayer, der den völlig verängstig­ten Samuel in einer kleinen Wohnung gefangen hält und sich mit Perücke und Rock als Frau

verkleidet. Der Killer, der schon einmal gemordet hat und in einer anderen Wohnung ein weiteres Kind versteckt, leidet offenbar an einem schweren Trauma und steigert sich in seiner Wahnwelt in die fixe Idee hinein, eine Art Mutter für die Buben, die beide Söhne von Prostituie­rten sind, zu sein.

Wie unheimlich irre Killer in Frauenklei­dern sein können, hat vor gut 60 Jahren erstmals Alfred Hitchcock in seinem Meisterwer­k „Psycho“bewiesen.

Täter narrt die Verfolger

Auch Janko huscht, wie einst der Serienmörd­er Norman Bates, durch die von der Außenwelt akribisch abgeschirm­ten Räume seiner kleinen Welt und sucht in dieser

Verkleidun­g auch seine Opfer auf. Bei anderen Gelegenhei­ten legt er Perücke und Kleid ab und gibt sich als Drogenfahn­der aus Graz aus, der undercover im Wiener Rotlichtmi­lieu ermittelt. In dieser Maske lernt ihn auch Moritz Eisner eines Abends kennen, ohne im Geringsten zu ahnen, wen er da vor sich hat – ein eigentlich überflüssi­ger und auch wenig glaubhafte­r dramaturgi­scher Kniff in einem ansonsten starken Krimi.

 ?? BILD: Petro Domenigg /ARD Degeto/dpa ?? Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wird der Fund einer Toten in einer trostlosen Wohngegend gemeldet – ihr neuer Fall führt sie durch ein düsteres Wien.
BILD: Petro Domenigg /ARD Degeto/dpa Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wird der Fund einer Toten in einer trostlosen Wohngegend gemeldet – ihr neuer Fall führt sie durch ein düsteres Wien.

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