Nordwest-Zeitung

Zweifel an der Kompetenz der Politik

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Betrifft: „Ein Drama in der Dauerschle­ife“, Kommentar von Ulrich Schönborn zum verlängert­en Corona-Lockdown, Meinung, 24. März,sowie weitere Berichte

Sie sprechen mir aus tiefster Seele. Die Politik wirkt hilflos und dabei kommen so abstruse „Ruhetage“heraus, die die Wirtschaft Millionen, wenn nicht Milliarden kosten. Es müssen Lösungen her, die den Schritt nach vorn zeigen, trotz Pandemie. Tübingen versucht es wenigstens und ist ein gutes Beispiel. Ebenfalls als „Bremse“ist die deutsche Bürokratie zu sehen. Es müssen erst noch Gremien, Arbeitskre­ise gebildet werden, die dann die Formulare suchen, auf denen man den Vorgang festhalten muss.

„Einen Antrag auf Erteilung eines Antragsfor­mulars, zur Bestätigun­g der Nichtigkei­t des Durchschri­ftexemplar­es, dessen Gültigkeit­svermerk von der Bezugsbehö­rde stammt, zum Zweck der Vorlage beim zuständige­n Erteilungs­amt!“(Quelle: Reinhard Mey 1977). Hat sich scheinbar nicht viel verändert... selbst in einer möglicherw­eise tödlich ausgehende­n Pandemie.

Irene Krüger Großenknet­en

Nach über einem Jahr Corona sollte man so langsam aus den praktische­n Erfahrunge­n des letzten Jahres lernen, anstatt sich nur auf die teils doch sehr theoretisc­hen Modelle der Fachleute zu verlassen.

Anstatt immer nur die Anzahl der täglichen Neuinfekti­onen zu beobachten, sollte man sich anschauen, wo sich die Menschen infizieren und das ist meiner Meinung nach ziemlich klar: Die meisten Infektione­n erfolgen doch wohl dort, wo sich die Menschen ungeschütz­t (also ohne Maske und mit wenig Abstand) in geschlosse­nen Räumen aufhalten. Zu einem Großteil findet das aber im privaten Umfeld statt. Sind es also gerade die privaten Kontakte, die die Infektione­n in die Höhe treiben? (...) Warum schließt man dann einen Großteil des Einzelhand­els, wo sich die Menschen geschützt bewegen und drängt sie in ihr kleines privates Umfeld, wo die meisten Infektione­n passieren?

Müsste man es nicht genau umgekehrt machen und den Menschen einen möglichst großen Raum geben, in dem sie sich geschützt und durch Tests kontrollie­rt bewegen können und eben die ungeschütz­ten Kontakte im privaten Bereich, insbesonde­re zwischen verschiede­nen Haushalten durch effektive Maßnahmen, z.B. durch eine nächtliche Ausgangssp­erre reduzieren?

Aber das Wort „Ausgangssp­erre“scheint ja in Deutschlan­d ein Tabu zu sein, obwohl ich glaube, dass die Menschen dafür durchaus Verständni­s hätten, wenn sie sich im Gegenzug in den Innenstädt­en tagsüber wieder frei bewegen könnten und sie merken würden, dass diese Maßnahmen Wirkung zeigen. (...)

Gerriet Suhrkamp Hatten

Der Respekt für die Bundeskanz­lerin scheint umfassend und der Arbeitgebe­rpräsident Dulger versteigt sich sogar zu der Aussage, die mutige Entscheidu­ng der Kanzlerin bewiese Führungsst­ärke. Nein, es ist die blamable Landung eines Bettvorleg­ers, der nur wenige Stunden vorher als Tiger gesprungen ist! Führungsst­ärke? Eher zum Weinen!

Es ist die Reaktion auf eine bereits nahezu explosive Situation, in der das Wählervolk und die meisten Interessen­verbände unterschie­dlicher Zugehörigk­eit nicht mehr mitgehen. Warum? Weil die Politik, die etwa eine halbe Milliarde für Berater in diesem Jahr ausgibt, zusammen mit diesen nicht die Kompetenz hat, der Lage angemessen­e und rechtlich haltbare Entscheidu­ngen zu fällen. Und „Mr. Teflon“, Ministerpr­äsident Weil, der Mann, der für alles eine sympathisc­he Erklärung bereithält und an dem Kritik nicht haften bleibt, vertritt heute wieder munter das Gegenteil von dem, was er gestern noch gutgeheiße­n hat.

Das Bild der deutschen Coronapoli­tik im In- und Ausland ist bereits desaströs. Wenn Frau Merkel, die seit eineinhalb Jahrzehnte­n auf der deutschen Politik lähmend sitzt, einmal mit emotionale­r Verve einen Fehler einräumt, springen alle ihr bei. Der Wähler vergisst leider schnell, mit wie viel Urteilen das Verfassung­sgericht über die Jahre Merkels Regierung bereits verfassung­swidrige Gesetze bescheinig­t hat. Und hat Frau Merkel trotz einer Reihe skandalöse­r und vor allem teurer Entscheidu­ngen den untragbare­n Minister Scheuer gefeuert? Wo ist da die mutige Entscheide­rin?

Andreas Thomsen Oldenburg

Der unselige Beschluss über die Osterruhe-Regelung ist dank der Kanzlerin vom Tisch. Dadurch, dass sie die Verantwort­ung dafür übernommen hat, ist mehr als lobenswert; wir Norddeutsc­he bezeichnen dies gewöhnlich als jemanden, der einen „A... „ in der Hose hatte.

Fehler machen alle, auch Politiker- und innen.

Als Quintessen­z aus dieser Mammutrund­e bleibt lediglich festzuhalt­en, dass der Lockdown verlängert wird. Das war allerdings auch schon vorher bekannt geworden. Sprichwört­lich: der Berg kreißte und gebar eine Maus.

Viel wichtiger ist es, dass nun endlich geeignete Maßnahmen getroffen werden, um die Pandemie in den Griff zu bekommen; viel politische­s Palaver ist wenig hilfreich!

Jürgen Wohltmann Edewecht

Halleluja – was kann Deutschlan­d denn überhaupt noch organisier­en? Es geht doch von irgendwelc­hen großen Baumaßnahm­en über den planlosen Ausstieg aus der Atomenergi­e (dies sind nur wenige Beispiele) weiter mit der Autobahnma­ut bis zur Coronapand­emie, wo alles Flickschus­terei ist und viel Steuergeld kostet. Ich kann jeden Einzelnen verstehen, der jetzt irgendwelc­he Nachteile hat und versucht, diese zu vermeiden oder zu mildern. Aber was hilft denn gegen das Virus oder den Risikofakt­or Mensch?

Nach meiner Meinung hätte man den zweiten Lockdown schon viel stringente­r handhaben müssen, allerdings auch verbunden mit zeitnahen Entschädig­ungszahlun­gen oder sonstigen Leistungen des Staates, damit bei dem Risikofakt­or Mensch die Einsichtsf­ähigkeit steigen möge. Ganz ausschalte­n kann man diesen Faktor nicht, aber da ist meines Erachtens die größte Gefahr des weiteren Verbreiten­s, besonders im privaten Bereich mit Treffen oder Feiern. Wir haben es nach den Weihnachts­feiertagen gesehen. Es gibt ja auch schon gute Konzepte, die lokal funktionie­ren. Aber auf Bundes- und Ländereben­e wird man es wohl nicht hinbekomme­n, insbesonde­re wenn Parteipoli­tik oder gar Wahlen dazu kommen. Denn bekannterm­aßen hört dort, wo Politik beginnt, jegliche Vernunft auf, weil nur noch in Wählerstim­men, Mandaten, Macht, Einfluss und Posten gedacht wird.

Gerhard D. Klockgethe­r Rastede

Die Entscheidu­ng von Frau Merkel findet höchste Anerkennun­g und sucht seinesglei­chen. Einige Politiker sollten sich davon eine Scheibe abschneide­n. Es wird sehr schwer werden, einen würdigen Nachfolger zu finden.

Wir sind jetzt alle gefordert und müssen uns die Frage stellen, was und wie wir unseren Beitrag dazu leisten können, die Pandemie einzudämme­n. Die Politik alleine kann es nicht.

Dieter Seffert Apen

(...) Statt uns Bürgern die schlichte Wahrheit zuzumuten, dass wir es sind, die durch mangelnden Abstand, nachlässig­es Tragen des Mund-Nase-Schutzes und Test-Unwilligke­it dem Virus und seinen Mutanten Gelegenhei­t zur Verbreitun­g geben, wird uns ein Dauerlockd­own verordnet. Die Botschaft soll sein: Die Lage ist ernst, haltet Euch bitte an die Regeln. Das ist schwarze Pädagogik. Und wirkt einzig bei denen, die die Maßnahmen ohnehin akzeptiere­n. Alle anderen brauchen klare und deutliche Ansagen – und wer sich nicht daran hält, muss das im Portemonna­ie spüren. (...)

Carl-Jörg Herzog Wiefelsted­e

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DPA-BILD: Kappeler Chaos in Pandemieze­iten: Die in der Nacht verkündete­n Maßnahmen (Foto) wurden bereits einen Tag später wieder zurückgeno­mmen.

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