Was in der Corona-Krise gelesen wird
Bültmann & Gerriets-Geschäftsführer Jonas Wenner über das Büchergeschäft im Lockdown
Herr Wenner, welcher Lesestoff ist bei Ihren Kundinnen und Kunden in Corona-Zeiten eigentlich besonders gefragt? Wenner: Im ersten Lockdown war der Klassiker „Die Pest“von Albert Camus ein heimlicher Bestseller. Derzeit verteilt sich das Interesse. Grundsätzlich lesen die Leute aber in der Regel das, was sie vorher auch schon gern gelesen haben. Kochbücher profitieren davon, dass derzeit wieder mehr zu Hause gekocht wird, aber das ist kein totaler Boom. In der Reiseliteratur hat es sich hin zum Urlaub in der Heimat verschoben. Das war im letzten Jahr ganz stark zu sehen. Die ganzen Fernreiseführer hatten einfach ein massives Problem, während für Radwandern in Norddeutschland bzw. Urlaub im Inland eine echter Nachfrageboom vorhanden war. Der Bereich Kinderund Jugendliteratur profitiert auch, dabei insbesondere auch das Segment Lernhilfen fürs Homeschooling.
Ansonsten ist es so, dass die Leute nach Empfehlungen lechzen: Was bei Markus Lanz, bei „DAS!“auf dem roten Sofa oder bei Denis Scheck (Sendung „Druckfrisch“, Anm. d. Red.) vorgestellt wird, ist eigentlich am nächsten Tag ein Bestseller. Die Auswirkungen auf den Buchverkauf durch Werbung in Funk und Fernsehen merkt man wieder stärker als noch vor Corona.
Welches Buch liegt denn aktuell auf Ihrem Nachttisch? Wenner: „Ein verheißenes Land“von Barack Obama über seine erste Amtszeit als USPräsident. Das Buch ist gut geschrieben. Ich lese am liebsten politisch-geschichtliche Sachbücher. Sehr gut gefallen haben mir zuletzt auch „Diese Wahrheiten – Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika“von Harvard-Professorin Jill Lepore und „Spiel der Könige – Das Haus Plantagenet und der lange Kampf um Englands Thron“von Dan Jones. Letzteres ist so ein wenig wie „Game of Thrones“in echt.
Am 8. März durften Sie auch Ihre Buchhandlung in Oldenburg endlich wieder öffnen. Wie groß war seither das Kundeninteresse im Geschäft? Wenner: An den ersten Öffnungstagen sind vor allem Stammkunden wiedergekommen, die gesagt haben, sie müssen sich auch mal wieder mit ihrem Buchhändler austauschen. Aber man kann nicht sagen, dass es regelrecht voll war. Aktuell liegt das Interesse im normalen Bereich. Es fehlt aber das normale Einkaufspublikum in der Stadt, auch aufgrund der geschlossenen Restaurants.
Wir dürften derzeit 90 Kunden hineinlassen. Im Dezember hat es keine fünf Stunden gegeben, in denen diese Grenze relevant war. Daher haben wir jetzt gesagt, wir machen bei 45 den Schnitt, damit die Leute noch mehr Platz haben.
Wie haben die Kunden zuvor Ihr alternatives Verkaufskonzept im Lockdown angenommen? Wenner: Das Konzept „Click & Collect“wurde schon vorher viel genutzt. Die Leute bestellen bei uns online oder telefonisch ihre Bücher und holen sie ab – nur das die Abholung an die Ladentür verlegt wurde.
Im Hinblick auf die Vorweihnachtszeit hatten wir uns bis auf die Zähne mit Fahrradkurieren „bewaffnet“. In Oldenburg habe ich relativ viele Fahrradkuriere über den Oldenburger Ruderverein rekrutiert, dessen Trainer ich noch vom Rudern in Osnabrück kenne. Innerhalb von drei, vier Tagen hatten wir circa 20 Kuriere im Einsatz.
Wir haben die taggleiche Lieferung wie schon im ersten Lockdown, als wir dutzende Schüler dafür eingestellt hatten, gut geschafft. Alles was wir bis Mittag an Bestellungen reinbekommen haben, ging noch am gleichen Tag raus. Da sind die Kunden durchaus mal sehr positiv überrascht, wenn ein um 10 Uhr bestelltes Buch schon um 14 Uhr im Briefkasten liegt. Das ist natürlich für uns nicht billig. Die Kuriere fahren nicht umsonst. Ich habe es aber in beiden Lockdowns so gesehen: Es ist auch eine Art Marketing, das sich nachher auszahlt. Die Kuriere sind immer noch im Einsatz.
Welche Umsatzeinbußen hatte die Geschäftsschließung im zweiten Lockdown zur Folge? Wenner: Zwischen einem Drittel und 50 Prozent. Das stationäre Weihnachtsgeschäft war bis zum Abbruch für den Buchhandel sehr stark. Was dann zusätzlich gefehlt hat, war die umsatzstarke Zeit zwischen Weihnachten und Ferienende. Dieser Verlust wird auch nicht mehr aufgeholt.