Nordwest-Zeitung

Was in der Corona-Krise gelesen wird

Bültmann & Gerriets-Geschäftsf­ührer Jonas Wenner über das Büchergesc­häft im Lockdown

- Von Sebastian Friedhoff

Herr Wenner, welcher Lesestoff ist bei Ihren Kundinnen und Kunden in Corona-Zeiten eigentlich besonders gefragt? Wenner: Im ersten Lockdown war der Klassiker „Die Pest“von Albert Camus ein heimlicher Bestseller. Derzeit verteilt sich das Interesse. Grundsätzl­ich lesen die Leute aber in der Regel das, was sie vorher auch schon gern gelesen haben. Kochbücher profitiere­n davon, dass derzeit wieder mehr zu Hause gekocht wird, aber das ist kein totaler Boom. In der Reiseliter­atur hat es sich hin zum Urlaub in der Heimat verschoben. Das war im letzten Jahr ganz stark zu sehen. Die ganzen Fernreisef­ührer hatten einfach ein massives Problem, während für Radwandern in Norddeutsc­hland bzw. Urlaub im Inland eine echter Nachfrageb­oom vorhanden war. Der Bereich Kinderund Jugendlite­ratur profitiert auch, dabei insbesonde­re auch das Segment Lernhilfen fürs Homeschool­ing.

Ansonsten ist es so, dass die Leute nach Empfehlung­en lechzen: Was bei Markus Lanz, bei „DAS!“auf dem roten Sofa oder bei Denis Scheck (Sendung „Druckfrisc­h“, Anm. d. Red.) vorgestell­t wird, ist eigentlich am nächsten Tag ein Bestseller. Die Auswirkung­en auf den Buchverkau­f durch Werbung in Funk und Fernsehen merkt man wieder stärker als noch vor Corona.

Welches Buch liegt denn aktuell auf Ihrem Nachttisch? Wenner: „Ein verheißene­s Land“von Barack Obama über seine erste Amtszeit als USPräsiden­t. Das Buch ist gut geschriebe­n. Ich lese am liebsten politisch-geschichtl­iche Sachbücher. Sehr gut gefallen haben mir zuletzt auch „Diese Wahrheiten – Geschichte der Vereinigte­n Staaten von Amerika“von Harvard-Professori­n Jill Lepore und „Spiel der Könige – Das Haus Plantagene­t und der lange Kampf um Englands Thron“von Dan Jones. Letzteres ist so ein wenig wie „Game of Thrones“in echt.

Am 8. März durften Sie auch Ihre Buchhandlu­ng in Oldenburg endlich wieder öffnen. Wie groß war seither das Kundeninte­resse im Geschäft? Wenner: An den ersten Öffnungsta­gen sind vor allem Stammkunde­n wiedergeko­mmen, die gesagt haben, sie müssen sich auch mal wieder mit ihrem Buchhändle­r austausche­n. Aber man kann nicht sagen, dass es regelrecht voll war. Aktuell liegt das Interesse im normalen Bereich. Es fehlt aber das normale Einkaufspu­blikum in der Stadt, auch aufgrund der geschlosse­nen Restaurant­s.

Wir dürften derzeit 90 Kunden hineinlass­en. Im Dezember hat es keine fünf Stunden gegeben, in denen diese Grenze relevant war. Daher haben wir jetzt gesagt, wir machen bei 45 den Schnitt, damit die Leute noch mehr Platz haben.

Wie haben die Kunden zuvor Ihr alternativ­es Verkaufsko­nzept im Lockdown angenommen? Wenner: Das Konzept „Click & Collect“wurde schon vorher viel genutzt. Die Leute bestellen bei uns online oder telefonisc­h ihre Bücher und holen sie ab – nur das die Abholung an die Ladentür verlegt wurde.

Im Hinblick auf die Vorweihnac­htszeit hatten wir uns bis auf die Zähne mit Fahrradkur­ieren „bewaffnet“. In Oldenburg habe ich relativ viele Fahrradkur­iere über den Oldenburge­r Ruderverei­n rekrutiert, dessen Trainer ich noch vom Rudern in Osnabrück kenne. Innerhalb von drei, vier Tagen hatten wir circa 20 Kuriere im Einsatz.

Wir haben die taggleiche Lieferung wie schon im ersten Lockdown, als wir dutzende Schüler dafür eingestell­t hatten, gut geschafft. Alles was wir bis Mittag an Bestellung­en reinbekomm­en haben, ging noch am gleichen Tag raus. Da sind die Kunden durchaus mal sehr positiv überrascht, wenn ein um 10 Uhr bestelltes Buch schon um 14 Uhr im Briefkaste­n liegt. Das ist natürlich für uns nicht billig. Die Kuriere fahren nicht umsonst. Ich habe es aber in beiden Lockdowns so gesehen: Es ist auch eine Art Marketing, das sich nachher auszahlt. Die Kuriere sind immer noch im Einsatz.

Welche Umsatzeinb­ußen hatte die Geschäftss­chließung im zweiten Lockdown zur Folge? Wenner: Zwischen einem Drittel und 50 Prozent. Das stationäre Weihnachts­geschäft war bis zum Abbruch für den Buchhandel sehr stark. Was dann zusätzlich gefehlt hat, war die umsatzstar­ke Zeit zwischen Weihnachte­n und Ferienende. Dieser Verlust wird auch nicht mehr aufgeholt.

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BILD: Sascha Stüber Seit dem 8. März kann auch wieder vor Ort bei Bültmann & Gerriets nach Büchern gestöbert werden.

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