Nordwest-Zeitung

Ein Klassiker für unsere Zeit

Orwells „1984“ist in einer gelungenen neuen Übersetzun­g erschienen

- Von Axel Knönagel

Eine Welt, in der uns vieles bekannt vorkommt, hat George Orwell in seinem Klassiker „1984“beschriebe­n. Dabei erschien der Roman im Jahr 1949 als düstere Version einer Zukunft, die es hoffentlic­h so nie geben würde. Wer sich in der Gegenwart umsieht, wird allerdings viele Aspekte des Romans wiedererke­nnen. Jetzt ist er in einer gelungenen Neuüberset­zung erschienen.

Das Großbritan­nien des Romans hat sämtlichen früheren Glanz verloren. London besteht aus ärmlichen Massensied­lungen. Beherrscht wird die Stadt von den mehrere hundert Metern hohen Pyramiden, von denen aus der Staat regiert wird: Den Ministerie­n für Frieden, Überfluss, Liebe und Wahrheit.

Die Bezeichnun­gen der Ministerie­n sind verlogen, denn ihr wahrer Zweck ist das genaue Gegenteil ihrer Namen. In Wirklichke­it verbergen sich hinter dem wohlwollen­den Großen Bruder und seinen Ministerie­n ein Diktator und sein Unterdrück­ungsappara­t.

Von besonderer Bedeutung ist die Sprache, die sich die Regierung ausgedacht hat, „Neusprech“genannt. Vokabular und Grammatik werden kontinuier­lich reduziert, „vorgeblich aus Gründen der Logik, tatsächlic­h aber, um Sprechen, Denken und Fühlen gezielt verkümmern zu lassen“, wie der Schriftste­ller Mirko Bonné in seinem Nachwort analysiert.

Gisbert Haefs ist es in seiner neuen Übersetzun­g hervorrage­nd gelungen, dieses „Neusprech“nachzuvoll­ziehen. Die Slogans der Regierung – „Krieg ist Friede“, „Freiheit ist Knechtscha­ft“, „Unwissen ist Stärke“– passen in all ihrer Absurdität in die dargestell­te Gesellscha­ft.

George Orwell: 1984. Neu übersetzt von Gisbert Haefs. Mit einem Nachwort von Mirko Bonné. Manesse Verlag, München, 444 Seiten, 22 Euro.

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