„Die Einschränkung ist absolut richtig“
Prof. Hamprecht für „intelligentes“Aufteilen der Impfstoffe nach Altersgruppen
Künftig sollen in Deutschland nur noch über 60-Jährige uneingeschränkt Astrazeneca bekommen. Was sagen Sie zu dieser erneuten Einschränkung?
Axel Hamprecht: Ich finde sie absolut richtig. Vor zwei Wochen hat die European Medicines Agency entschieden, Astrazeneca weiter zuzulassen, vorerst noch ohne Einschränkungen. Seitdem haben wir jetzt mehr Daten. Es sind inzwischen mehr Fälle von Sinusvenenthrombosen nach Impfung aufgetreten, bei jungen Patienten und Patientinnen. Es sind weiterhin wenige Fälle – bisher sind 31 bekannt bei 2,7 Millionen Geimpften. Nichtsdestotrotz dürfen wir diese nicht vernachlässigen. Es zeigt sich hier, dass die Überwachung auch seltener Impfnebenwirkungen sehr gut funktioniert.
Für die Impfung haben wir ja zum Glück Alternativen und können die Impfstoffe intelligent aufteilen. Ältere Menschen erhalten Astrazeneca, das bei ihnen extrem gut wirkt, insbesondere was den Schutz vor schwerer Infektion und Tod anbelangt – hier ist es vielleicht sogar besser als die anderen Impfstoffe. Zudem hat dieser Impfstoff in der Gruppe der Ü-60-Jährigen deutlich weniger Nebenwirkungen als bei Jüngeren. Gleichzeitig können wir die Jüngeren mit einem mRNAImpfstoff impfen. So erhalten wir einen guten Schutz für alle Bevölkerungsgruppen, ohne dass wir ein großes Risiko von schweren Nebenwirkungen haben. Auch Frankreich und Großbritannien impfen so.
Dennoch ist zu befürchten, dass die Menschen zusätzlich verunsichert sind, oder? Hamprecht: Dieses Hin und Her ist natürlich unschön. Trotzdem ist es die richtige Entscheidung, auch wenn es die Kommunikation nicht einfacher macht. Astrazeneca ist ein extrem guter Impfstoff – vor einem Jahr wären wir alle extrem froh gewesen, einen so wirksamen Impfstoff zu haben. Er ist für die Gruppe der über 60-Jährigen sehr sicher. Gerade in Großbritannien ist er millionenfach in dieser Altersgruppe angewendet worden. Meine Eltern würde ich auch ohne Zögern mit Astrazeneca impfen lassen.
Es gibt aber auch jüngere Menschen, die ihre Erstimpfung mit Astrazeneca erhalten haben. Wie sieht es bei ihnen mit der Zweitimpfung aus? Hamprecht: Schon länger wird untersucht, ob Impfstoffe kombiniert werden können – also die erste Impfung mit einem Vektor- und die zweite mit einem mRNA-Impfstoff. Bisher gibt es dazu noch keine Ergebnisse. Damit ist aber in den nächsten Wochen zu rechnen. Wenn das gut klappt, wovon ich ausgehe, könnte man die zweite Impfung eventuell mit einem anderen Impfstoff machen.
Sollten betroffene Menschen aktuell vorsichtshalber auf die zweite Impfung verzichten? Hamprecht: Ob die Menschen, die die erste Impfung gut vertragen haben, bei der zweiten Impfung noch ein Risiko haben, lässt sich nicht genau sagen. Aktuell fehlen dazu noch die entsprechenden Daten. Die Sinusvenenthrombosen sind, soweit bekannt, alle nach der ersten Impfung aufgetreten. Generell sind alle Nebenwirkungen bei der ersten Impfung bei Astrazeneca ausgeprägter. Wir müssen also abwarten, was die weiteren Analysen zeigen – alles Weitere ist im Moment Spekulation. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass das Risiko, an Corona schwer zu erkranken oder zu versterben, für die meisten höher ist, als das Risiko einer schweren Impfnebenwirkung – insbesondere für die Älteren.