Das plant die Merkel-Regierung
Ab einem Inzidenzwert von 100 in Städten und Kreisen will der Bund mehr Macht haben
Berlin – Die schwarz-rote Regierungskoalition im Bund drückt aufs Tempo, um zu bundesweit einheitlichen Regeln im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu kommen. In einer überarbeiteten Formulierungshilfe der Regierung vom Wochenende zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die unserem Berliner Büro vorliegt, ist von einer nächtlichen Ausgangssperre und Schulschließungen die Rede. Allerdings regt sich Widerspruch. Die deutschen Landkreise sehen in dem Vorhaben „ein in Gesetz gegossenes Misstrauensvotum gegenüber den Ländern und Kommunen“. Sie beklagen, die bundesgesetzliche Lösung beschränke die Flexibilität, um passgenau auf unterschiedliche Bedingungen vor Ort reagieren zu können. Fakten zur Umsetzung des Vorhabens:
■ EilVerfahren geplant Offen ist noch, ob die Gesetzesänderung, wie von der Regierung geplant, binnen einer Woche im Eilverfahren durch den Bundestag und den Bundesrat gebracht werden kann. Dazu ist eine Zwei-DrittelMehrheit im Parlament nötig. Geplant ist, dass das Projekt auf einer um einen Tag vorgezogenen Kabinettssitzung am Dienstag beschlossen wird und dann umgehend in das parlamentarische Verfahren gehen kann.
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Der Ausgangspunkt
Trotz gemeinsamer RahmenAbsprachen gab es laut Bund immer wieder abweichende Praktiken bei der Umsetzung von Beschränkungen. Angesichts der dritten PandemieWelle sollen daher einheitliche Regeln mit konkreten Maßnahmen festgeschrieben werden. „Deshalb sind Maßnahmen mit bundeseinheitlichen Standards erforderlich, die in einem Landkreis ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 pro 100 000 Einwohner gelten“, heißt es in der Formulierungshilfe.
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Was ändert sich?
Das Infektionsschutzgesetz soll in zwei Grundfragen geändert werden. Zum einen wird die bislang nur verabredete Notbremse für zusätzliche Beschränkungen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 in Städten und Landkreisen nun „bundesweit verbindlich“eingeführt. Unterhalb dieser Schwelle behalten die Länder weiterhin ihren Handlungsspielraum. Zudem wird die Bundesregierung ermächtigt, „zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen“. Damit erhält der Bund dieselben Handlungsmöglichkeiten wie die Länder.
■ Konkrete Maßnahmen In der Formulierungshilfe nennt die Bundesregierung insgesamt zehn Einzelmaßnahmen, die ab Überschreitung der 100er-Inzidenz vor Ort gelten sollen – und zwar ausnahmslos.
Vorgesehen ist beispielsweise, dass Geschäfte und Märkte – sofern sie nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienen – schließen müssen. Ausgenommen sind unter anderem Blumengeschäfte, Gartenmärkte und Buchhandlungen.
Mitglieder eines Haushalts dürften sich nur noch mit einer weiteren Person treffen – zusammen maximal fünf Personen. Kinder unter 14 Jahren nicht mitgezählt. Zwischen 21 und 5 Uhr soll in den betroffenen Kreisen und Städten künftig eine Ausgangssperre greifen, von der es nur „begründete Ausnahmen“geben soll. Freizeiteinrichtungen und die Gastronomie
bleiben geschlossen. Auch Urlaubsreisen sind in diesen Gebieten nicht möglich: „Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sind untersagt“. Gleiches gilt für Sportveranstaltungen, wobei aber Individualsport möglich bleibt.
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Schulen
Was den Schulbetrieb angeht, so bleibt der Bund unterhalb einer Inzidenzschwelle von 200 zurückhaltend. Es gibt eine allgemeine Testpflicht für Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen, wobei zwei Tests je Woche pro Schülerin und Schüler vorgesehen sind. Präsenzunterricht bleibt auch bei Überschreitung des Schwellenwerts von 100 möglich unter diesen Bedingungen. Oberhalb des Schwellenwerts von 200 an drei Tagen in Folge sollen dann aber Schließungen angeordnet werden.