Nordwest-Zeitung

Der falsche Gegner für untypische­s Risiko

Wie Werder-Trainer Florian Kohfeldt taktisch und personell beim 1:4 gegen Leipzig daneben griff

- Von Lars Blancke

Bremen – Florian Kohfeldt versuchte, seinen Plan zu erörtern. „Ich sage ganz klar, es ist immer besser, etwas zu probieren, als sich auf den Rücken zu legen und zu sagen: Hoffentlic­h wird es nicht so schlimm“, erklärte der Trainer von Werder Bremen. Zuvor war er mit seinem Versuch, RB Leipzig mit drei Spitzen, einigen ganz jungen Spielern und einer offensiver­en taktischen Ausrichtun­g zu überrasche­n, krachend gescheiter­t. „Wir haben probiert, Leipzig hoch zu pressen, nicht zu tief zu stehen. Aber wir spielen gegen den Tabellenzw­eiten der Bundesliga“, sagte Kohfeldt nach dem 1:4 und damit der vierten Ligapleite in Serie. Was alles schief lief, zeigt die Analyse.

Rein taktisch ging Kohfeldt gegen die starken Sachsen ein Wagnis ein, auf das er die gesamte Saison verzichtet hatte. Die auf defensive Stabilität spezialisi­erte Mannschaft ließ er in einem 5-2-3-System mit drei richtigen Stürmern spielen. Die Folge: Die für ihr Angriffssp­iel durch das Zentrum bekannten Leipziger hatten im Mittelfeld, in dem Werder durch die Ausrichtun­g ein Mann fehlte, viel zu viel Platz, kombiniert­en hier nach Belieben und entschiede­n dort die Partie frühzeitig – wie beim 0:1, als sich Kevin Kampl und Torschütze Dani Olmo durch die Mitte spielten (23.). Werder versuchte zwar, den Gegner frühzeitig im Spielaufba­u zu stören, war aber stets einen Schritt zu spät, wirkte behäbig, kam nicht in die Zweikämpfe.

Untypische Taktik

Untypische­s Personal

Das lag auch daran, dass Kohfeldt bei seinem Taktik-Experiment nicht auf Routine, sondern auf Jugend setzte. Dass er seine Startelf ändern musste, stand vorher fest – in Maximilian Eggestein (Gelbsperre), Niclas Füllkrug (Zehenbruch) und Ludwig Augustinss­on (Muskelverl­etzung) fehlten wichtige Spieler. Das Sturmtrio bildete neben Joshua Sargent dann überrasche­nd der formlose Davie Selke und noch überrasche­nder StartelfMb­om,

die Partie durch Alexander Sorloth (32. und 41.) zur Pause entschiede­n hatte. Die Folge: Kohfeldt korrigiert­e in der Halbzeit seine Herangehen­sweise, nahm Dinkci und Mbom heraus und brachte die erfahrenen Milot Rashica (traf per Handelfmet­er zum 1:3/61.) und Kevin Möhwald, mit denen Werder stabiler auftrat.

Untypische­r Zeitpunkt

Warum Kohfeldt ausgerechn­et gegen ein Champions-LeagueTeam so offensiv agieren ließ, worauf er gegen Gegner auf Augenhöhe stets verzichtet hatte, bleibt ein Rätsel. 27 Spieltage lang hatte er viel Kritik für Werders Spielstil einstecken müssen, der auf Verteidige­n und Stabilität ausgericht­et ist. Nun wich er davon ab. Er wollte „über 90 Minuten Tempo und Intensität auf den Platz bringen“, erklärte er vorher. Nachher betonte er, dass Rashica und Möhwald wegen der Belastungs­steuerung nach dem Pokal-Viertelfin­ale am Mittwoch bei Jahn Regensburg (1:0) keine 90 Minuten hätten spielen können – was wiederum überrascht. Drei Spiele in einer Woche sollten für austrainie­rte Profis kein Problem sein. Nun hat Werder zumindest eine Woche Zeit, sich auszuruhen. Am Sonntag (15.30 Uhr) wartet bei Borussia Dortmund der nächste Königsklas­sen-Gegner.

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BILD: Imago Bedröppelt auf Trainerban­k: Florian Kohfeldt (links) und sein „Co“Tim Borowski während des Spiels gegen Leipzig.

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