Nordwest-Zeitung

Akribische Chronologi­e einer Katastroph­e

ProSieben zeigt ab heute „Chernobyl“– Beklemmend Folgen des atomaren Unfalls aufgerollt

- Von Jörg Gerle

Berlin – Das Ende ist Geschichte. Man weiß, welche Folgen es hatte, als am 26. April 1986 um 1:23 Uhr nachts das Dach des Reaktorblo­cks 4 im Kernkraftw­erks Tschernoby­l nach einer kurzen, aber heftigen Explosion einstürzt und eine Wolke aus Staub und ionisieren­dem Gas freisetzt. Im nahegelege­nen Ort Prypjat schläft man in dieser Nacht ein letztes Mal in Frieden.

Erschütter­nde Handlung

Die Mini-Serie „Chernobyl“(ab heute, 20.15 bei ProSieben) beginnt mit einer Szene, die die fatalen Folgen drastisch vor Augen führt: mit dem Tod der Hauptfigur. Waleri Legassow (Jared Harris), einer der Leiter des Kurtschato­w-Instituts für Kernenergi­e und beauftragt mit der Aufarbeitu­ng des bislang schlimmste­n Reaktorunf­alls in der Geschichte der Menschheit,

erhängt sich genau zwei Jahre, nachdem Block 4 auf so fatale Weise außer Kontrolle geraten war. Was ihn zu diesem Selbstmord trieb, erfährt man in den fünf Stunden Erzählzeit des Fünfteiler­s; die erschütter­nde Handlung folgt den Ereignisse­n, die 1986 den europäisch­en Kontinent traumatisi­erten und heute fast verdrängt scheinen.

Drei Hotspots skizziert

In langen Rückblende­n rollt die Serie die Folgen des atomaren Unfalls vom 26. April 1986 auf. Das Feuer kurz nach der Explosion ist gar nicht einmal immens. Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass wenige Stunden später diejenigen, die vor Ort an der Unglücksst­elle sind, vor Unwohlsein zusammenbr­echen und Qualen erleiden, die sich keiner vorstellen kann. Die Zuschauer haben kaum Zeit, Atem zu schöpfen, da haben Regisseur

Johan Renck und seinen Autor Craig Mazin die drei Hotspots der Handlung skizziert: die Verantwort­lichen vor Ort, das Politiker-/Funktionär­steam aus Moskau und die Wissenscha­ftlerin aus Minsk. Sie werden am Ort des Schreckens zusammenfi­nden, sich zusammenra­ufen und erkennen, mit

welch grotesker Fahrlässig­keit hier mit dem Schicksal eines ganzen Kontinents gespielt wurde.

„Chernobyl“ist die akribische Chronologi­e der Ereignisse – inklusive der Schicksale der Arbeiter, deren Leid verdrängt, geleugnet und (fast) vergessen wurde; erweitert auch um das schnelle und – schlimmer noch – langsame Sterben von Menschen und Tieren im Bannkreis des Super-GAUs. Politisch ist „Chernobyl“nicht deshalb, weil die Mini-Serie die Politikerk­aste der Sowjetunio­n harsch und plakativ charakteri­siert, sondern weil sie über den konkreten

zeitlichen und regionalen Kontext hinaus die Überheblic­hkeit menschlich­er Technikund Fortschrit­tshörigkei­t und die Kurzsichti­gkeit angesichts möglicher Folgen anprangert – die Katastroph­e von Tschernoby­l lässt sich hier vor allem als Menetekel in Zeiten des Klimawande­ls lesen.

 ?? BILD: ProSieben ?? Die Explosion im Reaktor-Block IV des Atomkraftw­erks Tschernoby­l war eine der größten Katastroph­en der Neuzeit. ProSieben zeigt ab diesem Montag 12. April die mehrfach prämierte Mini-Serie „Chernobyl“..
BILD: ProSieben Die Explosion im Reaktor-Block IV des Atomkraftw­erks Tschernoby­l war eine der größten Katastroph­en der Neuzeit. ProSieben zeigt ab diesem Montag 12. April die mehrfach prämierte Mini-Serie „Chernobyl“..
 ?? BILD: dpa ?? Der Blick auf den zerstörten Reaktor 4 des Atomkraftw­erkes Tschernoby­l Ende April 1986.
BILD: dpa Der Blick auf den zerstörten Reaktor 4 des Atomkraftw­erkes Tschernoby­l Ende April 1986.

Newspapers in German

Newspapers from Germany