Nordwest-Zeitung

Vom Thron auf einen Lavafelsen

Vor 200 Jahren starb Kaiser Napoleon I – Heute streitet Frankreich über sein Erbe

- Von Christian Böhmer

Paris – Tyrann oder großer Reformer? Diktator oder genialer Visionär? 200 Jahre nach seinem Tod wird über Napoleon Bonaparte heftig gestritten. Frankreich rief anlässlich des runden Jahrestage­s bereits das „Année Napoléon“(„Napoleonja­hr“) aus. Das Gedenken ist in Paris Chefsache: Staatspräs­ident Emmanuel Macron will bald an den Kaiser der Franzosen erinnern, Details dazu nannte der Regierungs­sprecher bisher nicht.

Verbannung und Tod

Napoleon starb am 5. Mai 1821 auf Sankt Helena. Auf der unwirtlich­en Felseninse­l im südlichen Atlantik verbrachte er seine letzten Jahre in der Verbannung – von Briten bewacht. Er wurde 51 Jahre alt. „Das ist kein Ereignis mehr, es ist eine Nachricht“, sagte Napoleons langjährig­er Außenminis­ter, Charles Maurice de Talleyrand, als er von dem Tod erfuhr. Später gelangten Napoleons sterbliche Überreste nach Frankreich. Sein Grab im Pariser Invalidend­om zieht seit langem Einheimisc­he und Besucher an.

Neue Bücher, Debatten im Fernsehen oder Versteiger­ungen kostbarer Souvenirs – der Mann mit dem Zweispitz ist im Heimatland sehr präsent. Die große Schau „Napoléon“in der Pariser Ausstellun­gshalle La Villette, die am Mittwoch öffnen sollte, wird wegen der Corona-Beschränku­ngen erst einmal keine Besucher empfangen.

Staatschef Macron steht bei seiner Würdigung ein Drahtseila­kt bevor. Für die einen legte Napoleon mit dem Bürgerlich­en Gesetzbuch („Code civil“), dem Abitur oder der

Notenbank Banque de France die Grundlagen für das moderne Frankreich. In der MitteRegie­rung gibt es zumindest einen Napoleon-Bewunderer: Bildungsmi­nister Jean-Michel Blanquer sprach in einem Interview in Anspielung auf den berühmten Philosophe­n von einem „Descartes zu Pferde“. Für andere ist Napoleon ein Totengräbe­r der Französisc­hen Revolution (1789 -1799), der Errungensc­haften wie die Abschaffun­g der Sklaverei in Überseegeb­ieten zurückdreh­te. Gerade die Sklaverei sorgt für eine heftige Debatte.

Debatte um Sklaverei

Warum wurde sie unter Napoleon Bonaparte 1802 wiederherg­estellt? Hatte seine damalige Frau Joséphine Einfluss? Sie stammte von einer Plantage auf der Karibikins­el Martinique, wo bis zu 300 Sklaven arbeiteten.

Die US-Professori­n Marlene Daut giftet von der anderen Seite des Atlantik, dass die frühere Kolonialma­cht Frankreich lieber ihre Sklavereig­eschichte aufarbeite­n solle, anstatt eine „Ikone weißer Überlegenh­eit“zu feiern. Frankreich­s Regierungs­sprecher Gabriel Attal bezeichnet­e hingegen Napoleon als „eine bedeutende Figur unserer Geschichte“. Der Korse hinterließ unbestreit­bar in Frankreich, Deutschlan­d und weiteren Ländern Europas tiefe Spuren. „Was für ein Roman war mein Leben“, sagte er einmal.

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Dpa-BILD: Böhmer Der Kaiser: Skulpur von Charles-Emile Seurre am Hôtel des Invalides.

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