Vom Thron auf einen Lavafelsen
Vor 200 Jahren starb Kaiser Napoleon I – Heute streitet Frankreich über sein Erbe
Paris – Tyrann oder großer Reformer? Diktator oder genialer Visionär? 200 Jahre nach seinem Tod wird über Napoleon Bonaparte heftig gestritten. Frankreich rief anlässlich des runden Jahrestages bereits das „Année Napoléon“(„Napoleonjahr“) aus. Das Gedenken ist in Paris Chefsache: Staatspräsident Emmanuel Macron will bald an den Kaiser der Franzosen erinnern, Details dazu nannte der Regierungssprecher bisher nicht.
Verbannung und Tod
Napoleon starb am 5. Mai 1821 auf Sankt Helena. Auf der unwirtlichen Felseninsel im südlichen Atlantik verbrachte er seine letzten Jahre in der Verbannung – von Briten bewacht. Er wurde 51 Jahre alt. „Das ist kein Ereignis mehr, es ist eine Nachricht“, sagte Napoleons langjähriger Außenminister, Charles Maurice de Talleyrand, als er von dem Tod erfuhr. Später gelangten Napoleons sterbliche Überreste nach Frankreich. Sein Grab im Pariser Invalidendom zieht seit langem Einheimische und Besucher an.
Neue Bücher, Debatten im Fernsehen oder Versteigerungen kostbarer Souvenirs – der Mann mit dem Zweispitz ist im Heimatland sehr präsent. Die große Schau „Napoléon“in der Pariser Ausstellungshalle La Villette, die am Mittwoch öffnen sollte, wird wegen der Corona-Beschränkungen erst einmal keine Besucher empfangen.
Staatschef Macron steht bei seiner Würdigung ein Drahtseilakt bevor. Für die einen legte Napoleon mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch („Code civil“), dem Abitur oder der
Notenbank Banque de France die Grundlagen für das moderne Frankreich. In der MitteRegierung gibt es zumindest einen Napoleon-Bewunderer: Bildungsminister Jean-Michel Blanquer sprach in einem Interview in Anspielung auf den berühmten Philosophen von einem „Descartes zu Pferde“. Für andere ist Napoleon ein Totengräber der Französischen Revolution (1789 -1799), der Errungenschaften wie die Abschaffung der Sklaverei in Überseegebieten zurückdrehte. Gerade die Sklaverei sorgt für eine heftige Debatte.
Debatte um Sklaverei
Warum wurde sie unter Napoleon Bonaparte 1802 wiederhergestellt? Hatte seine damalige Frau Joséphine Einfluss? Sie stammte von einer Plantage auf der Karibikinsel Martinique, wo bis zu 300 Sklaven arbeiteten.
Die US-Professorin Marlene Daut giftet von der anderen Seite des Atlantik, dass die frühere Kolonialmacht Frankreich lieber ihre Sklavereigeschichte aufarbeiten solle, anstatt eine „Ikone weißer Überlegenheit“zu feiern. Frankreichs Regierungssprecher Gabriel Attal bezeichnete hingegen Napoleon als „eine bedeutende Figur unserer Geschichte“. Der Korse hinterließ unbestreitbar in Frankreich, Deutschland und weiteren Ländern Europas tiefe Spuren. „Was für ein Roman war mein Leben“, sagte er einmal.