Mit Modick im „Fahrtwind“
Sein neuer Roman „Fahrtwind“zeigt Klaus Modick als hoffnungslosen Romantiker
Erinnern Sie sich noch an das Individualreisen der Siebzigerjahre: mit dem Rucksack und der Gitarre an die Autobahnauffahrt in Richtung Süden, den Daumen raus, darauf hoffend, dass ein Auto anhält? Das Trampen versprach jungen Menschen mit schmaler Geldbörse maximale Freiheit. In seinem neuen Roman „Fahrtwind“schickt der beliebte Oldenburger Autor Klaus Modick im Eichendorffschen Duktus seinen „Taugenichts 2.0“auf eine melancholische Reise. Mein Kollege Klaus Fricke hat das Buch gelesen und ist begeistert, wie es dem NWZ-Literaturkolumnisten Modick wieder gelingt, Figuren der Kulturgeschichte frisch wirken zu lassen.
Oldenburg – Klaus Modick ist offenbar ein hoffnungsloser Romantiker. Welcher Schriftsteller sonst nähme in Zeiten der Corona-verordneten Bewegungslosigkeit das Wagnis auf sich, einen Reiseroman zu schreiben? Von Norddeutschland in die Risikogebiete Österreich, Italien und fast zurück, der romantischen Gefühle und Dichtung wegen.
Richtig, der Oldenburger Autor Modick hat einen neuen Roman geschrieben. „Fahrtwind“heißt er, ganz und gar romantisch ist er. Und er bleibt im „Fahrtwind“seiner ungewöhnlichen wie erfolgreichen Methode treu, bekannte Figuren der Kulturgeschichte in neuer Prosa vorzustellen.
Bewährtes Prinzip
Dieses Prinzip tauchte schon beim „Mann im Mast“(1997) auf, einer Neuinterpretation der Ballade „Nis Randers“. Ähnlich und doch anders war es in „Sunset“(Hauptfiguren Feuchtwanger und Brecht), „Konzert ohne Dichter“(Heinrich Vogeler und Rainer Maria Rilke) oder
in „Keyserlings Geheimnis“(2018) mit eben jenem Eduard von Keyserling.
Stets begab sich Modick in gedankliche, sprachliche und/ oder inhaltliche Nähe zu seinen Protagonisten, und dies geschieht in „Fahrtwind“nun mit Joseph von Eichendorff, einem Leuchtfeuer der deutschen Spätromantik. Eichendorff (1788-1857) veröffentlichte 1826 die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“, die wegen seiner Verquickung von Epik und Lyrik flugs zur „musikalischen Prosa“erklärt wurde. Und Modick? Der liebt den „unverwüstlichen“Taugenichts so sehr, dass er ihm einen „Taugenichts 2.0“nachfolgen lässt, mit allem, was romantische Literatur und was moderne Literatur zu bieten vermag.
Der ewige Sonntag
Denn Modick ist kein Kopist eines verehrten Vorbildes. „Fahrtwind“behält zwar grob die Handlung des Originals bei, versetzt sie aber ins Jahr 1973 und macht den Müllerssohn, der den ewigen Sonntag der Arbeit vorzieht, zum hippieesken Klempnersprössling. Beide entfliehen dem Alltag, begeben sich auf eine Reise mit wunderlichen Irrungen, erotischen Wirrungen und einem lieblichen Happy End, begleitet von vielen Liedern und Musik. Exakt, deutsche Romantik, nur neuer.
Worum es Modick auch mit „Fahrtwind“geht, ist klar: Er schreibt gegen den Verlust an, gegen das Vergessen eines großen Literaten. Dieses Denkmal für Eichendorff ruht auf Sprach- und Stilähnlichkeit, weiß zudem festem Boden unter sich durch die Bearbeitung zeitgenössischer Zitate (Kraftwerks „Autobahn“, Romy Schneiders gehauchtes „Ich mag Sie“, Modicks eigene Beschreibung des römischen Verkehrs aus „Das Licht in den Steinen“).
Mit seinem Bestseller „Konzert ohne Dichter“entfachte Klaus Modick einst neues Interesse an Vogelers Malerei, mit seinem frischen Buch könnte er der romantischen Literatur zur Renaissance verhelfen. Modicks „Fahrtwind“wirbelt den Staub von Eichendorffs Werken.