Die drei möglichen Szenarien
Laschet hat im Machtkampf mehr zu verlieren als Söder
Berlin – „Machtkampf um Deutschland“, „Erbittertes Duell um die Macht“, „Laschet und Söder bekämpfen sich“: Ein kurzer Blick auf die Titelseiten genügt, um ein Gespür dafür zu bekommen, in welch Krise die Union bei ihrer Suche nach einem Kanzlerkandidaten geraten ist. Tatsächlich ist die Lage nach dem Schlagabtausch zur K-Frage in der Unionsfraktion keinen Millimeter klarer als nach dem auf Harmonie gedrillten Auftritt der Parteichefs Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) am Sonntag. Bis zur Bundestagswahl sind es nur noch fünfeinhalb Monate.
Wie ist der Stand der Dinge
Ganz genau weiß das niemand so richtig. CDU und CSU stehen sich in Person von ihren Parteichefs fast unverrückbar gegenüber. Beide haben den Rückhalt ihrer Spitzengremien. Aber nachdem am Dienstag aus der Unionsfraktion viele Rufe pro Söder zu hören waren, ist eine neue Lage entstanden. Von einem Schlag ins Kontor für Laschet ist die Rede, sagen selbst Wohlmeinende. Dabei kreisen die Sorgen nicht nur um die Personalentscheidung. Auch die Wirkung auf die Umfragewerte ist völlig unklar.
Was bedeutet die Lage für Laschet
Vor allem eine Nervenprobe. Lässt Laschet sich von der Stimmung pro Söder selbst unter CDU-Parlamentariern beeindrucken und bietet er dem Bayern die Kanzlerkandidatur an? Oder verlieren mächtige Mitglieder des CDU
Präsidiums unter dem Druck der Basis die Nerven und fordern von Laschet einen Verzicht? In der Fraktion setzen einige auf einen solchen Schritt – wissend, dass dies spätestens nach der Bundestagswahl Laschets Aus als Parteichef und womöglich auch sein Ende als NRW-Regierungschef bedeuten könnte. Dass Laschet derart angeschlagen im Frühjahr 2022 die Macht am Rhein verteidigen könnte, glauben etliche nicht.
Nach Annegret Kramp-Karrenbauer wäre Laschet der zweite Vorsitzende, den die CDU innerhalb kürzester Zeit verschlissen hätte. Dennoch: Enorm wichtig sei das einmütige Votum der Parteispitze vom Montag für seine Ambitionen gewesen, wird in CDUKreisen betont. Wichtige Landesverbände stünden außerdem hinter dem Vorsitzenden, sind sie sich in der CDU-Führung sicher. Söder habe mit seiner Taktiererei überreizt.
Was bedeutet die Lage für Söder
Der Franke muss derzeit etwas machen, was er nicht gern tut: abwarten. Anders als bei früheren Machtkämpfen in der CSU ist sein Einfluss in der CDU begrenzt. Der Ball liegt daher bei Laschet. Dieser ist nun am Zug. Denn – so ist aus der CSU zu hören – letztlich müsse der Impuls für die Lösung von der Schwesterpartei kommen. Im Gegensatz zu Laschet ist Söders persönliche Lage aber im Moment noch ein wenig komfortabler. Auch wenn er am Ende nicht als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen sollte, ist seine Rolle als CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident unangefochten. Wie sich die Lage verhält, sollte die Bundestagswahl für die Union verloren gehen, muss sich aber zeigen. Zudem ist davon auszugehen, dass Söder, sollte er Laschet den Vortritt lassen, dafür irgendwann einen ungleich höheren Preis einfordern würde. Wäre Söder der unterlegene Kanzlerkandidat, wäre das Abschneiden der CSU von Bedeutung.
Wie geht es in der Union weiter
Es sind mehrere Szenarien denkbar. Söder und Laschet haben erklärt, bis zum Ende der Woche eine Lösung zu präsentieren.
■ Szenario 1: Laschet hält an seiner Kandidatur fest. Dann müsste Söder, will er die Spaltung der Union nicht besiegeln, zurückziehen.
■ Szenario 2: Laschet schwenkt um und überlässt Söder die Kandidatur.
■ Szenario 3: Die beiden können sich nicht einigen. Dann könnten sie die Entscheidung weitergeben – zur Abstimmung in die Fraktion.