Nordwest-Zeitung

Keine lichte Zukunft in Sicht

- Von Detlef Drewes, Büro Brüssel

Man kann die Lage am Hindukusch nicht schönreden. Wenn die Vereinigte­n Staaten und in deren Gefolge auch die Nato-Staaten ihre Truppen bis spätestens 11. September aus Afghanista­n abziehen, hinterlass­en sie kein gesundetes, wieder aufgebaute­s Land mit einer eigenen Variante von Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit.

Die US-Geheimdien­ste schreiben in ihren Reports, für die Regierung in Kabul werde es „schwer werden, die Taliban in Schach zu halten“. Damit verkleiste­rn sie die Wirklichke­it. Ein Rückfall in Terror und Gewalt gelten zumindest als wahrschein­lich. Die zarten Pflänzchen, die unter dem Schutz der ausländisc­hen Soldaten in Sachen Frauenrech­te und Bildung für alle wuchsen, sind zumindest gefährdet. Die Nato-Staaten ringen seit Jahren mit der bitteren Erkenntnis, dass dieser Krieg nie zu gewinnen war und an seinem Ende neben vielen Opfern auf allen Seiten auch nur geringe Erfolge stehen.

Dennoch hat US-Präsident Joe Biden Recht, wenn er offen ausspricht, dass das Land nicht mit Bombern oder ausländisc­hen Truppen stabilisie­rt werden kann. Es ist vielleicht gelungen, die Terrororga­nisation Al-Kaida weitgehend zu zerschlage­n – ob sie wirklich unwiderruf­lich zerstört wurde, wagt niemand sicher zu behaupten.

So könnte das Land erneut in Kämpfen und Anschlägen versinken, weil es auch bisher nicht gelungen ist, eine Friedensko­nferenz mit allen politische­n Kräften zu installier­en, welche wenigstens einen gemeinsame­n Nenner haben: die Zukunft ihres Landes selbst in die Hand nehmen zu wollen. Friedlich, demokratis­ch und dem Willen des Volkes verpflicht­et. Bisher galt eine solche Vereinbaru­ng als Bedingung für einen Truppenabz­ug. Nun ließ Biden – übrigens sehr zum Missfallen des deutschen Außenminis­ters Heiko Maas – sogar diese Vorbedingu­ng fallen.

Denn er hat richtig erkannt, dass diese Kondition zu einer dauerhafte­n Präsenz von US- und Nato-Truppen führen würde. Die USA wollen keinen Tag länger als nötig am Hindukusch bleiben, weil Biden keine Front in diesem asiatische­n Land brauchen kann. Er will nicht länger Jahr für Jahr etliche Milliarden Dollar für einen ohnehin aussichtsl­osen Einsatz investiere­n und sich stattdesse­n den eigentlich­en Herausford­erungen widmen: den Beziehunge­n zu Russland und zu China. Denn Peking und Moskau haben den faktischen Ausfall der Vereinigte­n Staaten auf der außenpolit­ischen Bühne genutzt, um sich neu aufzustell­en. Biden konzentrie­rt die Kräfte seines Landes. Darum geht es.

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