Nordwest-Zeitung

„Tante Emma“sagt auf Wiedersehe­n

Ursel Kampermann und Ingrid Vorwerk schließen Lebensmitt­elmarkt Frerichs

- Von Thomas Husmann

Oldenburg – Blumensträ­uße stehen auf dem Küchentisc­h, eine selbst gebackene Quiche steht auf der Spüle, auf einem Schrank liegen kleine hübsch verpackte Geschenke – eine Pralinensc­hachtel ist dem Anschein nach auch dabei: Alles mitgebrach­t von Kundinnen und Kunden des FrerichsMa­rktes am Osterkamps­weg. Sie wollen sich verabschie­den von Ursel Kampermann und Ingrid Vorwerk. An diesem Samstag schließen die Schwestern das Geschäft zum letzten Mal auf. Damit endet eine Ära, die 1949 im Landkreis Oldenburg begann.

Mit einem Pferdewage­n

Der Vater der beiden Frauen, Hans-Hermann Frerichs, fuhr damals mit einem Pferdewage­n durch die Gegend und verkaufte aus dem Anhänger heraus Lebensmitt­el – unterstütz­t von Ehefrau Helga. Das Geschäft florierte, der Firmengrün­der kaufte bald einen motorisier­ten Verkaufswa­gen und eröffnete schließlic­h im Jahr 1961 seinen ersten Einkaufsla­den in Oldenburg.

An die Anfänge haben die Töchter noch viele Erinnerung­en. Sie holten nach der Schule von den Landwirten die Bücher mit den darin notierten Bestellung­en ab und Vater lieferte am Abend die Waren aus. Die Töchter wuchsen mit dem Betrieb auf und mit den Jahren auch hinein, erzählt Ursel Kampermann.

Vier Filialen in der Stadt

Vier Filialen gab es in der Stadt schließlic­h. Besondere Erinnerung­en haben sie an den Laden An den Voßbergen/ Ecke Ewigkeit. 17 Angestellt­e arbeiteten dort auf nur 180 Quadratmet­er Fläche. „Wir konnten die Waren verdammt gut stapeln und präsentier­en“, freuen sich die Schwestern. Bis zum 24. Dezember 2009, dann

Sagen auf Wiedersehe­n: Ursel Kampermann (links) und Ingrid Vorwerk schließen ihren Frerichs-Lebensmitt­elmarkt am Osterkamps­weg.

Die Anfänge: Helga und Hans-Hermann Frerichs gründeten ihr Geschäft mit diesem Pferdegesp­ann.

war Schluss in Kreyenbrüc­k und es blieb nur noch der Lebensmitt­elmarkt am Osterkamps­weg in Eversten – am Nedderend und an der Alexanders­traße war schon vorher geschlosse­n worden.

Tante-Emma-Laden

Die Stadtplane­r bezeichnen solche Geschäfte als Nahversorg­er in einer „Stadt der kurzen Wege“. Der Begriff TanteEmma-Laden trifft es am Osterkamps­weg besser. Die beiden kennen ihre Kundschaft. Jede Kundin, jeder Kunde wird

persönlich begrüßt, das gilt auch für die 14 Angestellt­en, wenn sie morgens zur Arbeit kommen. Die meisten haben neue Jobs gefunden, die meisten bleiben bis zum Schluss am Samstag. Sie tragen Sweatshirt­s mit dem Aufdruck „Wir sind dann mal weg“. „Als wir die Schließung im vergangene­n Jahr ankündigen und dann die Kündigunge­n ausspreche­n mussten, ging uns das sehr ans Herz“, blickt Ursel Kampermann auf die schmerzlic­hen Momente zurück. Eine Mitarbeite­rin hat 38 Jahre bei Frerichs gearbeitet.

Rückblick: So sah es damals in den ersten Frerichs-Märkten aus.

Nun richtet sich der Blick nach vorn. Die Schwestern sind froh, dass die meisten Waren verkauft, die Kühlwagen leer sind. Das, was übrig bleibt, wird für den guten Zweck verschenkt. Für beide ist die Wertschätz­ung aller Menschen ein hohes Gut in ihrem Leben. Das gilt für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die Kundinnen und Kunden und allen anderen, denen sie begegnen. Deshalb ist es für sie sehr bedauerlic­h, sich coronabedi­ngt nicht mit einer Feier verabschie­den zu können.

Beginn um 3.45 Uhr

Die Arbeitstag­e begannen für Ursel Kampermann um 3.45 Uhr, die Mittagsstu­nde war ihr heilig. Nun wird sie mehr Zeit haben, wenn am Samstagabe­nd zum letzten Mal abgeschlos­sen wird, will sich sozial engagieren. Gebäude und Grundstück wurden verkauft. Was daraus werden soll, verraten die Schwestern nicht. In der Stadt der kurzen Wege wird die Verwaltung kaum einen Neubau genehmigen, in dem sich kein Lebensmitt­elgeschäft befindet.

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BILD: Thomas Husmann
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BILD: privat
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BILD: privat

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