„Tante Emma“sagt auf Wiedersehen
Ursel Kampermann und Ingrid Vorwerk schließen Lebensmittelmarkt Frerichs
Oldenburg – Blumensträuße stehen auf dem Küchentisch, eine selbst gebackene Quiche steht auf der Spüle, auf einem Schrank liegen kleine hübsch verpackte Geschenke – eine Pralinenschachtel ist dem Anschein nach auch dabei: Alles mitgebracht von Kundinnen und Kunden des FrerichsMarktes am Osterkampsweg. Sie wollen sich verabschieden von Ursel Kampermann und Ingrid Vorwerk. An diesem Samstag schließen die Schwestern das Geschäft zum letzten Mal auf. Damit endet eine Ära, die 1949 im Landkreis Oldenburg begann.
Mit einem Pferdewagen
Der Vater der beiden Frauen, Hans-Hermann Frerichs, fuhr damals mit einem Pferdewagen durch die Gegend und verkaufte aus dem Anhänger heraus Lebensmittel – unterstützt von Ehefrau Helga. Das Geschäft florierte, der Firmengründer kaufte bald einen motorisierten Verkaufswagen und eröffnete schließlich im Jahr 1961 seinen ersten Einkaufsladen in Oldenburg.
An die Anfänge haben die Töchter noch viele Erinnerungen. Sie holten nach der Schule von den Landwirten die Bücher mit den darin notierten Bestellungen ab und Vater lieferte am Abend die Waren aus. Die Töchter wuchsen mit dem Betrieb auf und mit den Jahren auch hinein, erzählt Ursel Kampermann.
Vier Filialen in der Stadt
Vier Filialen gab es in der Stadt schließlich. Besondere Erinnerungen haben sie an den Laden An den Voßbergen/ Ecke Ewigkeit. 17 Angestellte arbeiteten dort auf nur 180 Quadratmeter Fläche. „Wir konnten die Waren verdammt gut stapeln und präsentieren“, freuen sich die Schwestern. Bis zum 24. Dezember 2009, dann
Sagen auf Wiedersehen: Ursel Kampermann (links) und Ingrid Vorwerk schließen ihren Frerichs-Lebensmittelmarkt am Osterkampsweg.
Die Anfänge: Helga und Hans-Hermann Frerichs gründeten ihr Geschäft mit diesem Pferdegespann.
war Schluss in Kreyenbrück und es blieb nur noch der Lebensmittelmarkt am Osterkampsweg in Eversten – am Nedderend und an der Alexanderstraße war schon vorher geschlossen worden.
Tante-Emma-Laden
Die Stadtplaner bezeichnen solche Geschäfte als Nahversorger in einer „Stadt der kurzen Wege“. Der Begriff TanteEmma-Laden trifft es am Osterkampsweg besser. Die beiden kennen ihre Kundschaft. Jede Kundin, jeder Kunde wird
persönlich begrüßt, das gilt auch für die 14 Angestellten, wenn sie morgens zur Arbeit kommen. Die meisten haben neue Jobs gefunden, die meisten bleiben bis zum Schluss am Samstag. Sie tragen Sweatshirts mit dem Aufdruck „Wir sind dann mal weg“. „Als wir die Schließung im vergangenen Jahr ankündigen und dann die Kündigungen aussprechen mussten, ging uns das sehr ans Herz“, blickt Ursel Kampermann auf die schmerzlichen Momente zurück. Eine Mitarbeiterin hat 38 Jahre bei Frerichs gearbeitet.
Rückblick: So sah es damals in den ersten Frerichs-Märkten aus.
Nun richtet sich der Blick nach vorn. Die Schwestern sind froh, dass die meisten Waren verkauft, die Kühlwagen leer sind. Das, was übrig bleibt, wird für den guten Zweck verschenkt. Für beide ist die Wertschätzung aller Menschen ein hohes Gut in ihrem Leben. Das gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kundinnen und Kunden und allen anderen, denen sie begegnen. Deshalb ist es für sie sehr bedauerlich, sich coronabedingt nicht mit einer Feier verabschieden zu können.
Beginn um 3.45 Uhr
Die Arbeitstage begannen für Ursel Kampermann um 3.45 Uhr, die Mittagsstunde war ihr heilig. Nun wird sie mehr Zeit haben, wenn am Samstagabend zum letzten Mal abgeschlossen wird, will sich sozial engagieren. Gebäude und Grundstück wurden verkauft. Was daraus werden soll, verraten die Schwestern nicht. In der Stadt der kurzen Wege wird die Verwaltung kaum einen Neubau genehmigen, in dem sich kein Lebensmittelgeschäft befindet.