Alles spricht für Flicks Abschied
Wie es beim FC Bayern nach dem Viertelfinal-Aus weitergeht
Paris – Am vorzeitigen Schlusspunkt der Traumreise mit seinen Bayern-Jungs quer durch Europa brach es aus dem entthronten TrainerChampion Hansi Flick heraus. Der ganze Stress, der Dauerdruck, der Ballast interner Zwistigkeiten und die nicht mehr verhehlten Zukunftszweifel sprudelten nach dem nutzlosen 1:0 gegen Paris Saint-Germain wortreich nach außen. Nach seinem bittersten Sieg im 80. Spiel als Bayern-Coach stand der 56-Jährige aufgewühlt im leeren Prinzenpark und gewährte in einem mehr als vier Minuten dauernden Monolog vor der Sky-Kamera tiefe Einblicke in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Die meisten Zuhörer verstanden sie als Abschiedsrede.
Was sagt der Trainer nach dem Viertelfinal-Aus
Flick verbreitete nach dem K.o. im Viertelfinale der Champions League Endzeitstimmung, auch wenn „das Leben weitergeht“. Das heißt: Noch sechs Bundesligaspiele stehen an. Dann soll die neunte Meisterschaft am Stück wenigstens für ein Mini-Happy-End nach dem Triple 2020 sorgen. „Das ist unser Minimalziel“, sagte Flick mit leerem Blick, ehe er sich aufrappelte: „Trauern ist heute okay, ab morgen muss der Fokus auf Wolfsburg sein, auch wenn es schwerfällt. Wir müssen schauen, dass wir am
Samstag wieder funktionieren.“Das gilt für die Spieler – und auch für ihn.
Was meinen die Spieler
Gegen PSG fehlte nicht viel. Das Tor von Eric Maxim Choupo-Moting war zu wenig. Die 2:3-Hinspielhypothek wog zu schwer, ebenso die Ausfallliste. „Wir pfeifen ein wenig aus dem letzten Loch“, sagte der famos haltende Manuel Neuer. „Gerade in der wichtigsten Phase haben wir Lewandowski, Gnabry, Goretzka, Süle nicht zur Verfügung“, stöhnte Flick. Allein „viel Herzblut“, wie Thomas Müller sagte, genügte nicht.
Was sagt Flick zur Zukunft
Aus dem Abwehrmodus der „Nächste Frage“-Antwort zur
Zukunft brach Flick am Dienstagabend aus. Er liebäugelte erstmals öffentlich mit dem Job von Bundestrainer Joachim Löw. „Hansi Flick steht beim DFB ganz oben auf der Liste – und dann lange nichts“, sagte prompt Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, dessen Name ja angeblich auch auf dem Papier stehen soll. Das Bundestraineramt würde dem Familienmenschen und Opa Hansi „einen anderen Rhythmus“bescheren, wie er nun selbst kundtat.
Was spricht für Flick als Bundestrainer
Ein Rhythmus zwischen Länderspielen, Pausen und Turnieren, für die er ein Händchen hat, wie das ChampionsLeague-Endturnier 2020 in Lissabon mit dem finalen 1:0 gegen PSG demonstrierte. Die Vorzüge des DFB-Postens kennt Flick aus acht Jahren als Löws Assistent. Zu seinem energiefressenden Dauerzwist mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic sagt Flick am späten Dienstagabend schmallippig. „Er macht seinen Job, ich mache meinen Job.“Das ständige Nachbohren der Journalisten strengt ihn an, ebenso das ständige Streben nach Erfolg. „Dass ich mir Gedanken mache über meine Zukunft, ich glaube, da hat jeder von Ihnen auch Verständnis.“
Wann mischt sich Oliver Kahn ein
Es wäre nun an Oliver Kahn, dem künftigen Ober-Boss, nicht mehr im Hintergrund zu verharren, sondern Führungsanspruch zu demonstrieren. Karl-Heinz Rummenigge (65), Flicks wichtigster Unterstützer, ist am Jahresende weg, Kahn übernimmt. Einen Gesprächstermin mit ihm bestätigte Flick nicht – aber: „Ich habe Zeit.“Sie drängt – übrigens auch für Kahn und Salihamidzic, die einen Flick-Nachfolger aus dem Hut zaubern müss(t)en. Könnte Julian Nagelsmann (33) abgeworben werden? „Es gab und gibt keine Gespräche“, sagte der Trainer von RB Leipzig am Mittwoch. „Das gilt natürlich auch für meine Berater. Sie sind nicht autark unterwegs, sondern machen Dinge, die ich vorgebe. Demnach gab es auch da keine Gespräche.“