Von der Nordsee ins All
Die neuen deutschen Raketenpläne bergen Chancen für die Nordwest-Region
Weltraumbahnhöfe, Raketenstarts: Da habe ich bisher vor allem an Cape Canaveral in Florida, Baikonur in Kasachstan oder Kourou in Französisch-Guayana gedacht. Alles Orte, die eher nahe am Äquator und weit entfernt von Deutschland liegen. Doch nun konkretisieren sich – angetrieben durch eine ehrgeizige Gründerszene – auch Pläne für einen Weltraumbahnhof und Raketenstarts in Deutschland. Starten könnten die Mini-Raketen von einem Spezialschiff in der Nordsee. Mein Kollege Rüdiger zu Klampen aus der Wirtschaftsredaktion hat sich die Pläne einmal genauer angeschaut und auch nachgefragt, welche Chancen sie für den Nordwesten bergen.
Bremen – Bremerhaven als Weltraum-Basis? Und Raketenstarts weit draußen in der Nordsee? Es wird schon daran gearbeitet. „In der ersten Jahreshälfte 2023“könnten erste Starts stattfinden, sagt Günther Hörbst, der beim Bremer Raumfahrt-Ausrüster OHB die Kommunikation leitet.
Die Grundlage für das spektakuläre Projekt eines deutschen Weltraumbahnhofs steht bereits: Ende 2020 wurde in Bremen ein „Initialkonsortium“gegründet. Der vielversprechende Name lautet: „German Offshore Spaceport Alliance“, kurz GOSA.
Kern der Initiative ist der Satellitenbauer OHB – und deren junge Firma „Rocket Factory Augsburg“. Sie entwickelt eine neue Rakete („Microlauncher“) für Mini-Satelliten der Zukunft. Dieser Markt boomt – ein historische Chance. Für solche Projekte soll nun ein Raketen-Startplatz her.
■ Chance für Region
Die GOSA-Partner steuern jeweils einen Teil zu dem Projekt bei. So will die Reederei Harren aus Bremen das Spezialschiff stellen, das die MiniTrägerraketen zum Startpunkt bringt – etwa 340 Kilometer draußen, an einer deutschem Seegrenze. Das Schiff könnte Startrampe sein.
Ziel sei, eine „günstige Möglichkeit“für Starts, auch mit Zugang für andere, sagt Arne Gausepohl, der GOSAGeschäftsführer. Er sieht ein neues technisches „Öko-System“entstehen. Deutschland könne zur Spitze aufschließen.
Zwar sind die drei deutschen Hersteller von Kleinraketen im Süden ansässig; doch jetzt zeichnen sich auch Impulse für den Nordwesten ab.
„Wir sehen Chancen“, sagt etwa Nils Schnorrenberger, Wirtschaftsförderer in Bremerhaven.
„Wir haben ja alles schon da.“Er meint die speziellen Hafen-Anlagen und Dienstleister für die End-Ausrüstung und Verladung der „Microlauncher“. Wie einst bei der Windkraft gehe es ja auch bei den Raketen-Plänen um Logistik, Schiffs-Service oder Crews. Bremerhaven empfiehlt sich zudem mit dem nahen Raumfahrtschwerpunkt Bremen, mit OHB und Airbus.
„Sehr gern“würde auch etwa der Aluminium-Spezialist Aljo aus der Wesermarsch zu dem Mikro-Trägerraketen-Projekt beitragen. Bei den großen Raketen („Ariane“) sind die Berner schon lange dabei. Der Ansatz im OHB-Konzern, mit einer eigenen jungen dynamischen Firma im KleinraketenMarkt zu starten, sei „genial“. Dort müsse nun eben „das Material definiert werden, und was sie davon fremdvergeben“, erläutert Aljo-Geschäftsführerin Miriam Rudnitzki. Mit ihrem Kollegen Matthias Schüler (Vertriebsleiter Aerospace) fordert sie: Falls solche Zukunftsprojekte staatlich gefördert werden, sollten als Bedingung auch regionale Mittelständler einbezogen werden. So könnte in der Region viel Neues entstehen.
■ Der Markt
Aber werden sich Raketenstarts in der Nordsee überhaupt realisieren lassen? Klar ist: Das Projekt hat starke Freunde, bis hin zum Industrieverband BDI und Regierungskreisen. Gleichwohl geht es aktuell erst einmal darum, die „Genehmigungsfähigkeit“auszuloten, auch mit Blick auf Umweltfragen.
Dazu ist Sabine von der Recke, Berliner Büroleiterin von OHB, in Kontakt etwa mit dem wichtigen Wirtschaftsministerium. „Wir stoßen auf starke, positive Resonanz“, sagt sie.
Daheim in Bremen hat die frisch gegründete GOSA klar das Ziel vor Augen: Möglichst bis zum Sommer eine Machbarkeitsstudie. Damit sollen dann Behörden und Politiker endgültig überzeugt werden.