Eltern und Kinder sind am Ende
Warum die Vertretung der Kinderärzte gegen Schulschließungen ist
Einige Bundesländer haben eine Testpflicht an Schulen eingeführt. Andere setzen auf Freiwilligkeit. Welcher ist der richtige Weg? Fischbach: Uns ist wichtig, dass die Schulen so lange wie möglich offen bleiben. Ob die Tests nun verpflichtend oder auf freiwilliger Basis erfolgen, ist eine Entscheidung der Politik.
Abweichend von der Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen für alle anderen Bereiche sollen Schulen erst ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 schließen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält dies für zu spät. Schließen Sie sich dieser Einschätzung an?
Fischbach: Keineswegs. Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Schulen ein Pandemietreiber sind. Über Ostern waren die Schulen geschlossen und sind es in einigen Bundesländern wie NRW noch immer. Trotzdem steigen die Zahlen drastisch an. Wir halten es für unerträglich, dass der Politik als erstes einfällt, die Schulen zu schließen. Stattdessen brauchen wir tragfähige Konzepte, um sie offen zu halten.
Was genau schlagen Sie vor?
Fischbach: : Neben der Einhaltung der AHA + L Regeln und der Anschaffung von Luftreinigungsgeräten könnten wir auch den Unterricht entzerren und leer stehende Gebäude für den Unterricht nutzen. Es ließen sich eine Menge kreativer Ideen entwickeln, wenn sie denn politisch gewünscht wären.
Frankreich hat trotz Lockdowns und Ausgangssperren am Abend die Schulen immer offen gelassen. Ist das der bessere Weg? Fischbach: Die negativen Folgen von Schulschließungen sehen wir doch jetzt schon jeden Tag in unseren Praxen. Die Kinder leiden. Eltern und Kinder sind mit ihren Kräften am Ende. Es geht in den Schulen nicht nur darum, Wissen zu vermitteln. Schulen tragen zur Persönlichkeitsentwicklung der Kinder ganz erheblich bei. Sie brauchen den Kontakt zu Gleichaltrigen, aber auch zu den Lehrerinnen und Lehrern. Kinder haben ein begrenztes Zeitfenster, in dem sie ihre Persönlichkeit entwickeln. Das können sie nicht einfach mal so nachholen.
Kinder und Jugendliche können seit November im Grunde keinen oder nur sehr eingeschränkt Sport treiben. Wie schädlich ist dies für die Entwicklung der Kinder? Fischbach: Natürlich ist das schädlich für die Kinder und Jugendlichen. Nicht nur körperlich. Die Kinder leiden auch mental. Einige werden sogar depressiv. Natürlich nicht nur wegen der fehlenden Bewegung. Das sind schlimme Folgen der Vereinsamung. Wenn der Sport draußen stattfindet, sollten wir den Kindern diese Möglichkeit unbedingt geben.
Wann rechnen Sie mit einer Zulassung von Impfstoffen für Kinder in Deutschland? Fischbach: Der Impfstoff von Biontech ist für Jugendliche ab 16 Jahren zugelassen. Für Jüngere rechne ich noch in diesem Jahr mit einem Impfstoff. Die Studien laufen jedoch noch. Eines ist klar: Wenn wir die Kinder und Jugendlichen nicht impfen können, erreichen wir einen Bevölkerungsschutz, die sogenannte Herdenimmunität, nicht. Zudem entwickelt sich innerhalb dieser Gruppe kaum eine Immunität. Sie stecken sich untereinander immer wieder an, da sie nicht durch eine Impfung geschützt sind.
Zur Eindämmung von Masern hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr eine Impfpflicht eingeführt. Muss es perspektivisch auch eine Corona-Impfpflicht für Kinder geben?
Fischbach: Das lässt sich nur schwerlich vergleichen. Der Masernimpfstoff ist seit Jahrzehnten am Markt. Solange wir noch keine langfristigen Studien zu den Impfstoffen vorliegen haben, halte ich eine Impfpflicht für schwer durchsetzbar. Als Berufsverband werden wir hierzu keine Empfehlung abgeben. Am Ende ist dies eine politische Abwägung.