Nordwest-Zeitung

Zwischen Thriller und Familientr­agödie

ARD zeigt am Sonntag hochwertig­en Krimi – Hamburger Ermittler sind Russenmafi­a auf der Spur

- Von Martin Weber

neuen Kollegen Chuck Aule nach Shutter Island auf. Die Ärzte und Pfleger verhalten sich gegenüber den beiden Ermittlern wenig kooperativ und Daniels ahnt schnell, dass sich hinter den Mauern der Psychiatri­e ein düsteres Geheimnis verbirgt. Wird auf der Insel etwa an Menschen experiment­iert? Daniels Ermittlung­en werden zusätzlich durch seine Flashbacks erschwert. Immer wieder holen ihn die Erinnerung­en an seinen Wehrdienst im Zweiten Weltkrieg ein. Und schon bald kann der Marshall nicht mehr zwischen Realität und dem Lügennetz unterschei­den, in das er sich immer mehr verstrickt.

Hamburg – Angehörige der sogenannte­n Russenmafi­a sind im Fernsehkri­mi relativ leicht zu erkennen: Sie tragen die Haare gern ultrakurz oder lassen sie gleich ganz weg, haben einen stechenden Blick, muskulöse Oberarme und die Wodkaflasc­he immer in Reichweite. Ganz anders im neuen „Tatort“: Die Mitglieder dieser schwerkrim­inellen russischen Familie spielen Klavier, haben gehobene Umgangsfor­men und teure Möbel in geschmackv­ollen Villen. Außerdem wirken die kultiviert­en Timofejews mit ihren fein geschnitte­nen Gesichtern auch rein optisch eher wie eine Künstlerfa­milie.

Erfrischen­d anders

Das ist natürlich reine Absicht, denn Regisseur und Drehbuchau­tor Niki Stein schert sich nicht um Klischees und lässt in seinem neuen Krimi „Tatort: Macht der Familie“an diesem Sonntag (20.15 Uhr, Das Erste) immer wieder Motive aus den großen russischen Romanen des 19. Jahrhunder­ts anklingen: Es geht wie bei Tolstoi oder Dostojewsk­i um Schicksal, Liebe, Schuld, Vergebung und um unauflösba­re Familienba­nde – eine erfrischen­d ungewöhnli­che

Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und seine Kollegin Katja (Anja Taschenber­g) sind im neuen Tatort „Macht der Familie“einem kriminelle­n Clan auf der Spur.

Herangehen­sweise an einen Fernsehkri­mi, die abgesehen von einem logischen Mangel voll aufgeht.

Die in Hamburg und Umgebung lebenden Timofejews verkaufen tagsüber Landmaschi­nen und verhökern nachts Raketen, Bomben und andere Kriegswaff­en. Die Bundespoli­zei um den erfahrenen Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und die frisch beförderte Julia Grosz (Franziska

Weisz) ist dank eines verdeckten Ermittlers kurz davor, der Sippe um Patriarch Victor Timofejew (Wladimir Tarasjanz) das Handwerk zu legen.

Dann geht alles schief. Der Undercover-Ermittler wird in ein Privatflug­zeug gelotst, das über dem Mittelmeer explodiert. Grosz, die den Einsatz geleitet hat, ist am Boden zerstört, doch sie gibt nicht auf: Mit Timofejews Nichte Marija (Tatiana Nekrasov) will sie das

Attentat aufklären und dem Clan das Handwerk legen. Falke, der Marjia von früher kennt, ist nicht begeistert.

Weit hergeholt

Regisseur Niki Stein hat seinen neuen „Tatort“als Mischung aus Familientr­agödie und Thriller aufwendig inszeniert und beweist dabei sein gutes Gespür für atmosphäri­sche Drehorte: Die Szenen

spielen am Hafen oder im mondänen Jagdhaus der Timofejews – das verleiht dem Krimi eine hochwertig­e Optik.

Dazu kommt ein spannender Plot, der nur einen kleinen Schönheits­fehler hat: Dass ausgerechn­et Marjia als Ermittleri­n gegen ihre eigene Familie mobilisier­t wird, ist ziemlich weit hergeholt. Sehenswert ist der neue „Tatort“mit dem Duo Falke/Grosz aber trotzdem.

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BILD: Meyerbroek­er/NDR/dpa
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