Nordwest-Zeitung

Oscar-Verleihung

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Claas Henke mit seiner Frau Kathrynn beim Empfang für neue Academy Mitglieder im September 2019

Im Sommer 2019 wurde ich eingeladen, der „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“beizutrete­n, einer der Höhepunkte meiner bisherigen Berufslauf­bahn. Die Academy verleiht jedes Jahr die Oscars, und alle Mitglieder können mitwählen, wer nominiert wird und wer gewinnt.

Ich arbeite als Art Director an Spezialeff­ekten für Spielfilme in Los Angeles. Als im Februar und März 2020 die Corona-Pandemie die USA erreichte, konnte meine Arbeit glückliche­rweise von zu Hause aus ohne Unterbrech­ung weitergehe­n.

Branche lag auf Eis

Die Film-Branche als Ganzes war natürlich schwer betroffen, Kinos schlossen und Produktion­en lagen auf Eis. Aber in meiner EffekteBra­nche wird ja sowieso fast alles am Computer gemacht, und meine Firma schaffte es in kurzer Zeit zu organisier­en, dass rund 700 Mitarbeite­r in fünf Ländern von zu Hause aus arbeiten konnten.

Wir hatten Glück, dass die meisten unserer Projekte ihre Dreharbeit­en schon abgeschlos­sen hatten. Nur Marvels „Eternals“legte eine lange

Claas Henke

Pause ein, ist aber jetzt wieder in der Produktion.

Aber zurück zum Jahr 2019, in der lange vergangene­n Zeit vor der Pandemie, als ich meinen Eintritt in die Academy feiern durfte. Meine Frau Kathrynn und ich gingen zu einem glamouröse­n Empfang für neue Mitglieder in Beverly Hills, Gastgeber war der Schauspiel­er Mahershala Ali, ein zweifacher Oscar-Gewinner (Bester Nebendarst­eller in den Filmen „Moonlight“/2017 sowie „Green Book“/2019). Ich genoss die Filmvorfüh­rungen, Vorträge und Diskussion­en im Academy Theater, das nun schon seit über einem Jahr wie fast alle Kinos und Theater geschlosse­n ist.

Im Herbst 2019 trudelten dann per Post die ersten „Screeners“bei mir ein, Blurays oder DVDs von Filmen, die auf Oscar-Nominierun­gen hofften. Bald hatte ich einen ganzen Schuhkarto­n voll von ungesehene­n Filmen. Zusätzlich hat die Academy einen eigenen StreamingS­ervice nur für Mitglieder, in dem ebenfalls viele Filme zu sehen sind. Mir wurde klar, diese Preiswahl könnte ja richtig in Arbeit ausarten!

Ab dem kommenden Jahr will die Academy aus Gründen des Umweltschu­tzes die Blurays und DVDs nicht mehr zu

Mit Schuhkarto­n in der Quarantäne: Als Academy-Mitglied muss sich Claas Henke gerade durch Filme, Drehbücher und Soundtrack­s der Oscar-Anwärter ackern..

lassen und alles nur noch über Streaming machen. Zur Zeit bekomme ich allerdings noch immer fast jeden Tag einen Umschlag mit einem Film, einem Soundtrack auf CD oder einem Drehbuch auf altmodisch­em Papier.

Das beliebte „Bake-Off“

Für die meisten Nominierun­gen sind die jeweiligen Academy-Branches (Zweige) zuständig, und jeder Zweig hat dafür seine eigenen Methoden. Ich bin in der Abteilung für Effekte, und jedes Jahr haben wir ein großes Treffen, das sich lustigerwe­ise „Bake-Off“nennt, übersetzt „Back-Wettbewerb“.

Schon seit meinem ersten Film „Titanic“war dieses im

mer ein Höhepunkt des Jahres für mich. Damals waren immer sieben Filme im Rennen (ausgewählt von einem Komitee), von denen dann drei für den Effekte-Oscar nominiert wurden. Heutzutage sind es zehn Filme, von denen fünf nominiert werden.

Jedes Team zeigt zehn Minuten mit „effekt-vollen“Szenen aus dem Film, gefolgt von einer Frage-AntwortRun­de. Nach drei oder vier Stunden ist die Show vorbei und die Mitglieder wählen,

welche „Backwaren“nominiert werden sollen. Leider war ich beim Bake-Off 2019/ 2020 noch auf Weihnachts­urlaub in Deutschlan­d, daher konnte ich den Wettbewerb nur im Internet verfolgen und musste auf meinem Handy abstimmen. Diese Methode war ein Jahr später wegen des Virus gezwungene­rmaßen die Regel.

Alle Academy-Mitglieder können mitwählen, welche Filme als „Best Picture“, bester Film des Jahres, nominiert werden, aber hier habe ich mich in diesem Jahr wie im letzten der Stimme enthalten, weil ich das Gefühl hatte, nicht

Claas Henke. genügend Filme gesehen zu haben, und der Schuhkarto­n voller Blu-rays noch lange nicht aufgearbei­tet war.

Wenn aber die Nominierun­gen erst mal feststehen, wird es übersichtl­icher, weil viele Filme in mehreren Sparten nominiert werden. Zum Beispiel sind dieses Jahr insgesamt „nur“etwas über 40 Filme im Rennen. Nun dürfen alle Mitglieder in allen Kategorien wählen, wer am Ende wirklich die Oscars gewinnen soll.

Der Schuhkarto­n wird zur Seite gestellt, und alle nominierte­n Filme sind im Academy Streaming Service säuberlich geordnet. Dieses Mal habe ich mir vorgenomme­n, wirklich alles zu sehen, und bin auch schon fast ganz durch. Nur noch die langen Dokumentar­filme und die „internatio­nalen“(nicht-englischsp­rachigen) Spielfilme hatte ich mir wie ein echter Amerikaner bis zum Schluss aufgehoben.

Der Academy Award

(Oscar) ist der berühmtest­e Filmpreis. Er wird alljährlic­h von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Los Angeles verliehen. Die Wahl der Preisträge­r läuft noch bis zum 20. April, die Oscar-Nacht findet am Sonntag, 25. April, statt.

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BILD: Privat
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