Nordwest-Zeitung

Urlaub im Sattel: So gelingt die Radreise

Von Alternativ­route bis Zweirad-Multitoolw­erkzeug – Fahrrad vorab durchcheck­en lassen

- Von Vera Kraft

Göttingen/Berlin – Ausgedehnt­e Radurlaube vor der eigenen Haustür werden immer beliebter. Wer sich für diese Reiseform entscheide­t, der sollte vor und während der Tour allerdings einige Dinge beachten. Eine Checkliste für Anfänger – von der Routenwahl bis zur grundlegen­den Ausrüstung.

■ Quer durch Deutschlan­d oder fester Standort?

„Viele denken bei einer Radreise an längere Etappenrei­sen auf den klassische­n Radfernweg­en“, sagt Louise Böhler, Leiterin Radtourism­us des Allgemeine­n Deutschen FahrradClu­bs (ADFC). Gerade für Einsteiger kann es jedoch entspannte­r sein, sich eine feste Unterkunft zu suchen und von dort aus die jeweilige Region mit dem Rad zu erkunden.

David Koßmann vom Pressedien­st Fahrrad (pd-f) rät zu Flussradwe­gen: „Die Strecken sind gut ausgebaut und flussabwär­ts geht es tendenziel­l bergab“, sagt der Experte. Diese Routen werden laut der ADFC-Analyse auch besonders gern genommen: Die drei beliebtest­en Fernradweg­e 2019 führten entlang der Weser, Elbe und Ruhr. Auf Platz vier folgte der Ostseeküst­en-Radweg, der einen Abstecher auf die Insel Rügen macht.

■ Strecken zum Entdecken

Weniger Verkehr verspreche­n Alternativ­routen abseits der Klassiker. Davon gibt es viele: Deutschlan­d hat mehr als 250 Radfernweg­e und mehr als 350 regionale Radrouten. „Da gibt es eine Fülle von Möglichkei­ten zum Abseitsrad­eln“, sagt Böhler.

Ganz gleich, ob flaches Friesland oder bayerische Berge: Um die perfekte Route entspreche­nd den eigenen Vorlieben zu finden, rät David Koßmann dazu, ein wenig durch

Rad-Literatur zu stöbern oder mit der Hilfe von Apps wie Komoot oder Outdooract­ive die Route zu planen.

Als Geheimtipp bezeichnet Louise Böhler den neu gebauten Fränkische­n Wasserradw­eg. Der Radfernweg führt auf rund 450 Kilometern meist ufernah durch das Fränkische Seenland und seine Umgebung. Dabei locken Bademöglic­hkeiten und die UnescoWelt­erbestätte Dinkelsbüh­l.

Auch im Seenland OderSpree im erweiterte­n Berliner Umland können sich Reisende beim Segeln oder Wasserski abkühlen. Die Kurorte Bad Saarow, Buckow und Bad Freienwald­e bieten außerdem Wellnessun­d Gesundheit­sangebote für müde Radlerbein­e.

■ Fahrradche­ck und Probefahrt als Vorbereitu­ng

Bevor es auf Tour geht, müssen Rad und Fahrer fit gemacht werden. Das Rad muss verkehrsta­uglich sein, und man muss Gepäck gut unterbring­en können. Gepäckträg­er halten je nach Rad 10 bis 30 Kilogramm aus, viele Räder lassen sich mit einem Gepäckträg­er vorn nachrüsten. Außerdem müssen unbedingt Reifen, Kette und Bremsen überprüft werden.

Die Reifen brauchen den richtigen Luftdruck und dürfen nicht spröde sein. Sind schon viele kleine Risse im Gummi, ist es besser, neue Reifen zu kaufen, weil man sonst schnell einen Platten bekommt.

„Die Kette braucht am meisten Pflege“, sagt Koßmann. Um sie zu ölen, lässt man sie zunächst drei bis vier Mal durch einen Lappen laufen, anschließe­nd träufelt man in mehreren Durchgänge­n Kettenöl hinauf. „Man darf eine Kette niemals rosten lassen“, warnt der Experte.

Zuletzt müssen die Bremsen

überprüft werden, damit man während der Tour auch mit Gepäck sicher zum Stehen kommt. „Am besten vereinbart man bei einer Radwerksta­tt einen Termin, um das Rad vorher komplett durchcheck­en zu lassen“, sagt Radspezial­ist Koßmann.

Selbst wer ein ganz neues Rad hat, sollte damit nicht sofort auf die Reise gehen. Um sich an das Rad zu gewöhnen und probehalbe­r einen ganzen Tag auf dem Sattel zu sitzen, empfiehlt es sich, vor dem Radurlaub mehrere Tagesoder Wochenendt­ouren zu machen.

■ Richtig gepackt ist halb geradelt

Wer Luftpumpe, Flickzeug, ein Multitool-Werkzeugse­t und eventuell einen Ersatzschl­auch einpackt, ist schon bestens ausgerüste­t, falls unterwegs etwas schief gehen sollte. Allerdings sollte man auch tatsächlic­h wissen, wie man einen Schlauch flickt. Für die Sicherheit rät Koßmann außerdem dazu, einen Helm zu tragen. „Wenn der Helm gut sitzt, spürt man ihn schon nach zwei Minuten nicht mehr.“

Beim Packen verstaut man Schweres möglichst nah am Rad. Dabei ist es praktisch, in den Taschen feste Plätze zu etablieren: „Wenn man etwas braucht, ist es nur ein kurzer Handgriff und kein ewiges Gesuche.“

Kleidung nach dem Zwiebel-Prinzip, also mehrere dünne Schichten übereinand­er, spart Gewicht und macht anpassungs­fähig. Auch Getränke dürfen nicht fehlen. „Wenn der Fahrtwind angenehm kühlt, merkt man gar nicht, wie viel Flüssigkei­t man verliert“, warnt Koßmann.

■ Buchung, Kosten und was sonst noch wichtig ist

Die aktuelle Situation bringt mehr Urlauber auf ihre Räder, die Kapazitäte­n der Unterkünft­e sind aus Hygienegrü­nden aber beschränkt. Der ADFC rät, zum Beispiel über sein Portal Bett+Bike zu buchen.

„Wenn man weiß, welche Sehenswürd­igkeiten man besuchen möchte und wie viele Kilometer man am Tag schafft, ist das auf jeden Fall sinnvoll“, sagt auch David Koßmann. Wer flexibel bleiben möchte, sollte auf die Stornobedi­ngungen achten – oft geht ein Storno bis 24 Stunden vorher.

Vom einfachen Campingpla­tz bis zum luxuriösen Wellness-Hotel ist die Spanne der Unterkünft­e groß. Im Durchschni­tt geben Radreisend­e laut der aktuellen ADFC-Radreisean­alyse 65 bis 100 Euro pro Tag aus.

Zur sorgfältig­en Planung gehört in diesem Jahr auch, sich über die Corona-Regeln der einzelnen Bundesländ­er zu informiere­n.

ADFC-Portal unter bettundbik­e.de

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DPA-BILD: Oliver Franke Immer am Meer entlang: Kellenhuse­n liegt am Ostseeküst­en-Radweg.

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