Störtebekers Hinrichtung
Literarische Annäherung an den Tod des Seeräubers auf dem Grasbrook
Bei den Vorbereitungen für das Seeräuber-Hinrichtungsfest musste Chef-Scharfrichter Rosenfeld sich kurioserweise auch noch mit seinen eigenen Helfern auseinandersetzten. Mehrere schlugen nämlich noch andere Strafmethoden als das einfache Richtschwert vor. Das ging von Erhängen, langsames Erdrosseln, über Rädern, den Feuertod bis hin zum Gifttrank. Rosenfeld lehnte alles ab. Er fühlte sich frei von den primitiven Rachegefühlen, die wohl bei seinen Henkersknechten dahintersteckten. Er wollte nur der ewigen Gerechtigkeit zu ihrem Durchbruch verhelfen.
Keine Folter
Und außerdem hatte der Rat ja auch befohlen, keine Folter anzusetzen. Das war auch hier überhaupt nicht notwendig. Die bösen Taten und dazu die sogar frechen, ja arroganten Geständnisse der Piraten und besonders ihres Anführers Klaus Störtebeker lagen offen zutage. Ja, man brauchte eigentlich gar keine aufwändigen Untersuchungen mehr zu führen, wie es bei manchem Giftmord eines ehebrecherischen Gildemeisters an seiner Gemahlin notwendig war. Da konnte sogar schon das Zeigen der Werkzeuge für das peinliche Verhör bei den Piraten die Wahrheit hervorzaubern. Hatte man doch alles schon erlebt!
Aber Rosenfeld mochte das Foltern wirklich nicht – das war sowohl für ihn als auch für den Angeklagten meist schwierig und anstrengend, oft auch überflüssig. Ein scharfer Hieb mit dem geschliffenen 1992 wurde das Klaus-Störtebeker-Denkmal des Leeraner Bildhauers Karl-Ludwig Böke auf dem Markt von Marienhafe aufgestellt. Schwert! Das war eine ehrliche und saubere Sache, sagte er oft zu seiner geduldigen Frau.
Am Tag der Hinrichtung
Der Tag der Hinrichtung der Seeräuber im Oktober kam heran. Es war ein stürmischer, regnerischer Herbsttag. Die Mittagsflut von der Nordsee kam höher als üblich herein, überflutete Teile des Hafens und konnte nur durch den kleinen Deich um den Grasbrook herum zurückgehalten werden.
Das Hansevolk strömte trotzdem todesgierig herbei und zankte sich um die besten Plätze nahe an der Richtstätte. Rosenfeld saß schon lange, gekleidet in seinem roten Gewand mit der schwarzen Haube, auf seinem einfachen, dreibeinigen Schemel – gestützt auf sein Richtschwert, umgeben von fünf finsteren Henkershelfern.
Die Piraten, vorne Klaus Störtebeker, wurden in einer langen Reihe nebeneinander aufgestellt. Bürgermeister Nyenkerken verlas das Todesurteil für alle und einzeln, das nur aus einem einzigen Satz bestand, mit Name vorweg: „Tod durch Köpfen wegen langjähriger Seeräuberei in der Ost- und der Westsee!“
Rosenfeld winkte seinen Knechten und wollte am Ende der Reihe der Delinquenten anfangen. Doch so einfach nahm Störtebeker die Sache nicht. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, klirrte an seinen Ketten und rief mit kräftiger Stimme hinüber zu dem versammelten Rat auf der Ehrentribüne: