Nordwest-Zeitung

Drei Persönlich­keiten – und ein Ziel

Laschet, Baerbock und Scholz – Die Kandidaten für das Kanzleramt im Überblick

- Von Werner Kolhoff

Berlin – Jetzt stehen sie fest: die drei Kanzlerkan­didaten für die Bundestags­wahl. Lange nachdem die SPD Vizekanzle­r Olaf Scholz bestimmt hat und kurz nachdem bei den Grünen Parteichef­in Annalena Baerbock den Finger erhoben hat, hat sich die Union auf den CDU-Bundeschef Armin Laschet geeinigt. Ein Überblick:

■ Armin Laschet CDU, 60 Jahre

Prägungen: Aachen, katholisch­es Milieu. Im Stadtrat begann er 18-jährig seine CDUKarrier­e. Die Mutter Hausfrau, der Vater Bergmann. Laschet ist überzeugte­r Europäer – und eine niederrhei­nische Frohnatur. Studium im nahen Bonn, Jurist. Wollte eigentlich Journalist werden und leitete in Aachen auch mal eine Kirchenzei­tung. Sehr heimatverb­unden und treu. Seine Frau Susanne lernte er im Kinderchor kennen. Drei erwachsene Kinder haben sie heute.

Eigenschaf­ten: Laschet ist ein politische­r Überlebens­künstler. Und unerschütt­erlicher Optimist. 1994 gewann er das Direktmand­at für Aachen im Bundestag und verlor es 1998 wieder. Wurde dann 1999 zum Europaabge­ordneten gewählt und 2005 in Nordrhein-Westfalen erster Landesmini­ster für Integratio­n in Deutschlan­d. Aber Abwahl durch Rot/ Grün 2010. Wollte danach CDU-Landeschef werden – und verlor gegen Norbert Röttgen. Doch Röttgen vergeigte die Landtagswa­hl, trat zurück – und Laschet kam 2012 doch noch an die Spitze der NRW-CDU. Und dann 2017 nach seinem Wahlsieg auch ins Ministerpr­äsidentena­mt. Laschet sah Anfang des Jahres in der Konkurrenz um den CDU-Parteivors­itz lange wie der sichere Verlierer gegen Friedrich Merz aus. Doch er setzte sich durch. So auch jetzt gegen Markus Söder.

Leistungen: Frühes Bekenntnis zur Einwanderu­ng und zur

Förderung von Kindern aus bildungsfe­rnen Familien. Laschet bewegt sich auf der liberalen Merkel-Linie.

Fehlleistu­ngen: 2015 musste Laschet einen Lehrauftra­g an der RWTH Aachen zurückgebe­n. Er hatte Klausuren verloren, den Studenten aber trotzdem Noten gegeben. Eine Petitesse. Ernsthaft Probleme bekam Laschet erst in der Corona-Krise. Anfangs wandte er sich permanent gegen harte Einschränk­ungen. Später wollte er dann mit einem verunglück­ten „Brücken-Lockdown“Punkte machen.

Kanzlertau­glichkeit: Sein dickes Fell hat Laschet schon mehrfach gezeigt, und das braucht man. Er hat einen verlässlic­hen moralische­n Kompass, ist aber unsicher im politische­n Alltag.

■ Annalena Baerbock Grüne, 40 Jahre

Prägungen: Landluft und Weltläufig­keit. Zusammen mit zwei Schwestern wuchs sie auf einem Bauernhof in Niedersach­sen auf. Besuchte mit ihren Eltern Demos gegen Atomkraft und Nato-Doppelbesc­hluss. Studierte Politikwis­senschaft und öffentlich­es Recht an der Uni Hamburg, danach Völkerrech­t in London. Anschließe­nd Büroleiter­in bei einer grünen Europaabge­ordneten. 2005 Eintritt in die Partei. Hat West-Ost-Erfahrung: Baerbock war von 2009 bis 2013 Landesvors­itzende der Grünen in Brandenbur­g, wurde dort über die Landeslist­e Bundestaga­bgeordnete und lebt heute mit Mann und zwei Töchtern in Potsdam.

Eigenschaf­ten: Durchsetzu­ngsstark – als sie 2018 Grünen-Chefin wurde, kegelte Baerbock die niedersäch­sische Konkurrent­in Anja Piel vom linken Flügel aus dem Rennen. Zusammen mit Co-Chef Robert Habeck hat die Partei seitdem zum ersten Mal eine reine „Realo“-Spitze. Bodenständ­ig und nahbar – Fraktionsm­itglieder berichten, dass man sie wegen eines Problems selbst in der Nacht anrufen könne. Inhaltlich sattelfest – besonders in europa-, energieund familienpo­litischen Themen.

Leistungen: Hat die Grünen gemeinsam mit Habeck zu einer vordem noch nie dagewesene­n Geschlosse­nheit geführt. Anfangs kaum bekannt und oft als „Frau an Roberts Seite“bezeichnet, kam sie mit dem Co-Chef schnell auf Augenhöhe. Das lag freilich auch daran, dass Habeck einige kommunikat­ive Patzer beging, während von Baerbock keine inhaltlich­en Schnitzer bekannt sind. 97,1 Prozent der Stimmen erhielt sie zuletzt bei ihrer Bestätigun­g als Parteivors­itzende – so viel wie kein grüner Amtsinhabe­r zuvor.

Fehlleistu­ngen: Baerbocks Rede auf dem Programmpa­rteitag im November 2020 erinnerte eher an das „Wort zum Sonntag“als an ihre sonst gewohnten kämpferisc­hen Töne. Mit dem virtuellen Format kam sie nur schwer zurecht.

Kanzlertau­glichkeit: Baerbock hat noch nie ein Regierungs­amt innegehabt, aber gleichwohl einen raketenhaf­ten Aufstieg hingelegt. Es würde eine Kanzlersch­aft mit Überraschu­ngseffekte­n werden.

■ Olaf Scholz

SPD, 62 Jahre

Prägungen: Hamburg und die Juristerei. In der Hansestadt wuchs er auf, studierte, wurde damals in der SPD aktiv und sehr viel später Erster Bürgermeis­ter. Kam als Juso von ganz links und landete im konservati­ven Flügel. Unterstütz­te die Agenda-Reformen von Kanzler Gerhard Schröder und ist seitdem bei den Parteilink­en einigermaß­en verhasst. Seit 2018 ist seine Heimat Potsdam, wo er mit Lebensgefä­hrtin Britta Ernst lebt, die in Brandenbur­g Bildungsmi­nisterin ist. Keine Kinder.

Eigenschaf­ten: Blitzgesch­eit, internatio­nal gewandt, selbstbewu­sst. Ein Mann mit Understate­ment. Redet druckreif, selten emotional, bekam schnell den Spitznamen „Scholzomat“. Wenig nahbar, umgibt sich seit Jahren mit den gleichen Vertrauten.

Leistungen: Scholz erfand in der Finanzkris­e als Bundesarbe­itsministe­r das Kurzarbeit­ergeld, das weltweit nachgeahmt wurde. Als Finanzmini­ster forcierte er die Transaktio­nssteuer. In der Corona-Krise mobilisier­te er schnell viele Milliarden und sprach von einem „Wumms“zur Rettung der Wirtschaft.

Fehlleistu­ngen: Sein Spruch von 2002 als SPD-Generalsek­retär, die SPD wolle mit dem Ausbau der Kinderbetr­euung „die Lufthoheit über die Kinderbett­en erobern“, hing ihm lange nach. Nach den Krawallen beim Hamburger G20-Gipfel wurde ihm 2017 zu lasches Vorgehen gegen Linksextre­misten vorgeworfe­n. Die späte Reaktion der Finanzaufs­icht auf die Machenscha­ften bei Wirecard fällt in seine Verantwort­ung. 2019 schließlic­h verlor er gegen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in der Mitglieder­abstimmung um den Parteivors­itz der SPD.

Kanzlertau­glichkeit: Scholz ist der erfahrenst­e unter den drei Bewerbern. Er würde effizient regieren, aber bieder.

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dpa-BILD: Kappeler Der Kandidat der Union: ArminLasch­et
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imago-BILD: Thiel Die Kandidatin der Grünen: Annalena Baerbock
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