Was Werder gegen den Abwärtstrend hilft
Sportpsychologe Schweer über Bremer Abstiegsängste – Was vor Spiel gegen Mainz wichtig ist
Prof. Dr. Martin Schweer berät Leistungssportler. Er erklärt, warum der wegschmelzende Vorsprung die Köpfe der Fußballer belastet, wieso Trainer Kohfeldt die Ausgangslage hervorhebt und worauf er den Fokus vor dem Schlüsselspiel am Mittwoch (20.30 Uhr) gegen Mainz 05 legen sollte.
Herr Schweer, Werder Bremen steckt wieder mitten im Abstiegskampf, aber unter anderen Voraussetzungen als in der Vorsaison. Damals musste das Team einen Rückstand aufholen, dieses Mal schrumpft der Vorsprung – von elf auf vier Punkte. Was macht das in den Köpfen der Spieler? Schweer: Jeder Sportler weiß, dass das Wegschmelzen eines sicher geglaubten Vorsprungs zunehmend mental belastend wirkt. Zwar sind die Voraussetzungen im Vergleich zur Vorsaison andere – gerade auch angesichts der doch sehr viel stärkeren Leistungen der Bremer gegen zuletzt hochkarätige Gegner. Allerdings ist jetzt entscheidend, dass kein negativer Erwartungseffekt bei Spielern und Trainerstab einsetzt. Denn am Ende des Tages ausschlaggebend für die Leistung ist die Wirklichkeit, wie sie sich in den Köpfen der Athleten darstellt.
Trainer Florian Kohfeldt betonte zuletzt immer wieder, dass die Situation dieses Mal besser ist, weil Werder Bremen alles in der eigenen Hand hat. Was will er damit erreichen? Schweer: Er weist damit auf ganz wichtige Argumente hin, die Zuversicht und Optimismus geben sowie das angeknackste Selbstvertrauen stärken sollen. Er will damit einer Spirale negativer Gedanken bei seinen Spielern entgegenwirken – und genau das benötigt die Mannschaft. Ein negativer Tunnelblick ist nämlich das Letzte, was Bremen in der aktuellen Lage braucht.
Kohfeldt hat nach dem 1:4 in Dortmund, der fünften Niederlage in Serie, auch bekräftigt, dass er seiner Mannschaft vertraut, weil sie stabiler aufgetreten und weil sie besser darauf eingestellt ist, dass es wieder um den Ligaerhalt geht.
Schweer: Was man nicht vergessen werden darf: Die Erfahrung des Klassenerhalts in der letzten Saison kann dem ganzen Team zusätzlich Kraft und Energie geben, eine vergleichbare Situation erneut erfolgreich zu bewältigen. Hilfreich sind zudem aktuelle Erfolge, wie etwa die Tatsache, dass
Werder Bremen im Halbfinale des DFB-Pokals steht.
Das hört sich positiv an, aber Werder ist erneut sehr heimschwach und trifft an diesem Mittwoch (20.30 Uhr) in einem Abstiegsduell auf Mainz 05. Liegt Werders Heimschwäche an den fehlenden Fans?
Schweer: Das heimische Publikum fehlt einer Mannschaft wie Werder Bremen in der Tat ganz besonders. Es geht jetzt aber nicht in erster Linie um das Ausblenden oder Verdrängen negativer Erfahrungen, es geht vielmehr um die positive Konzentration auf die aktuell anstehenden Aufgaben.
In der letzten Saison hat Werder 0:5 zuhause gegen Mainz verloren, ab diesem Debakel ging es steil bergab. Auch im wichtigen Rückspiel in Mainz verlor Werder 1:3. Kann man das überhaupt ausblenden vor so einem wichtigen Spiel? Schweer: Dabei ist es hilfreich, dass es für den Verein deutlich mehr zu gewinnen als zu verlieren gibt: Ein Sieg Bremens würde den Abstand auf Mainz und damit auf die Abstiegsränge erheblich vergrößern, während Bremen im Falle einer Niederlage noch nicht auf einem Abstiegs- oder Relegationsplatz läge.