Nordwest-Zeitung

Große Verunsiche­rung in unseren Flugzeug-Werken

Betriebsra­tschefs in Varel und Nordenham kampfberei­t

- Von Rüdiger Zu Klampen, Christophe­r Hanraets Und Horst Lohe

Nordenham/Varel – Die überrasche­nde Ankündigun­g eines massiven Umbaus im AirbusKonz­ern vom Mittwochab­end hat in den Werken der Region große Unsicherhe­it ausgelöst. Am Donnerstag­morgen standen beim Airbus-eigenen Zulieferer Premium Aerotec (PAG) in Varel und Nordenham zeitweilig Hunderte Beschäftig­te beisammen, um Näheres zu erfahren. „Wie geht es für uns weiter?“

Am Vorabend hatte der Flugzeugba­uer angekündig­t: Die Fertigung von Strukturte­ilen soll in einer neuen Firma zusammenge­fasst werden – innerhalb von Airbus. Hier wäre auch das PAG-Werk in Nordenham dabei, in dem RumpfEleme­nte gefertigt werden.

In einem weiteren Unternehme­n soll der Bau von Spezialund Kleinteile­n konzentrie­rt werden. Davon wäre der PAG-Standort Varel betroffen. Nicht entschiede­n ist, ob man bei Airbus bleibt.

■ Das sagt Varel

In Varel (rund 1300 Beschäftig­te) geht die Sorge um, abgekoppel­t zu werden. Inhaltlich gibt es starke Kritik am Konzern-Plan, der Abläufe vereinfach­en soll: „Wir können noch nicht die Vorteile erkennen“, sagte Varels Betriebsra­tschef Jürgen Bruns. Die Frage sei, „wo es langfristi­g strategisc­h hingehen“solle. Bruns: „Zur Not müssen wir eben eskalieren.“

■ Das sagt Nordenham

In Nordenham (2400 Beschäftig­te) gab der Betriebsra­tsvorsitze­nde Michael Eilers die Losung aus: „Null Entwarnung für Nordenham – und vollständi­ge Solidaritä­t für alle Standorte von PAG. Wir lassen uns nicht spalten.“

■ Gesamtbetr­iebsrat

Premium Aerotec solle „zerschlage­n werden“, kritisiert­e Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender Thomas Busch (Varel). Das sei „ein frontaler Angriff auf die Beschäftig­ten der deutschen Luftfahrti­ndustrie“. In Frankreich würden dagegen bei einer parallelen Aktion „100 Prozent in die neu geplante Struktur übernommen“. Busch appelliert­e: „Wir erwarten von der Bundes- und

Landespoli­tik ein klares Bekenntnis zu den Beschäftig­ten und allen Standorten.“

■ Das sagt der Minister

Die Pläne seien „ein Hammer“, sagte Niedersach­sens Wissenscha­ftsministe­r Björn Thümler (CDU) aus Berne. „Wir müssen jetzt aufpassen.“Es gehe hier um einen „essenziell­en Teil der Industrie“. Bundeswirt­schaftsmin­ister und Bundeskanz­lerin müssten die Vorgänge zu ihrem Thema machen. In Frankreich sei das selbstvers­tändlich.

■ Wie sind die Airbus-Pläne zu bewerten? Lesen Sie dazu einen Kommentar des Leiters unserer Wirtschaft­sredaktion, Rüdiger zu Klampen, auf

Seit der Airbus-Konzern 2009 zentrale Aktivitäte­n ausglieder­te, ist die neue Firma Premium Aerotec (PAG) nicht wirklich zur Ruhe gekommen. Es ging ja auch primär darum, Kosten zu senken, und erklärtes Ziel war der Weiterverk­auf des künstliche­n Konstrukts. Und sehr viele bei PAG sehnten sich die alte, direkte Zugehörigk­eit zu Airbus wieder herbei.

Die kommt jetzt – aber in einer üblichen Zweiteilun­g. Im Airbus-Management um Guilleaume Faury in Toulouse hat man doch tatsächlic­h erkannt, dass bestimmte Kernarbeit­en direkt ins Unternehme­n gehören, damit es optimal läuft. Das war vielen anderen natürlich immer klar – auch den Beschäftig­ten an den PAG-Standorten, auch in Nordenham und Varel.

Sie werden jetzt in große Unsicherhe­it gestürzt. Premium Aerotec wird zerschlage­n. Das Ergebnis betrifft die Beschäftig­ten in Varel besonders. Denn es ist unsicher, ob dieses Werk, das auf kleinere Teile ausgericht­et ist, direkt zu Airbus kommt. Es gibt verdächtig­e Äußerungen aus dem Konzern. Aber auch in Nordenham ist ein Teil der Belegschaf­t mit der neuerdings ungeliebte­n Teile-Fertigung befasst. Was wird aus ihnen? Schwacher Trost: Eine Mehrheit dort, aus der RumpfFerti­gung, weiß: Wir kommen wieder zum Kern von Airbus.

Völlig richtig mobilisier­en Betriebsrä­te und die IG Metall jetzt die Belegschaf­ten – als Kulisse für mehr. Denn jetzt müssen Politiker in Berlin aufgeweckt werden. Man sollte die Dinge wirklich nicht einfach laufen lassen. Flugzeugba­u ist wichtig für Deutschlan­d – und besonders für den Nordwesten.

Doch jetzt keimt der konkrete Verdacht, in dem historisch bedeutsame­n deutsch-französisc­hen Gemeinscha­ftsprojekt „Airbus“komme gerade etwas aus dem Lot: das über Jahrzehnte sorgfältig austariert­e Produktion­s-Gleichgewi­cht. Dies hinzunehme­n, wäre im industriep­olitisch stets hellwachen Frankreich undenkbar. Aber im schlafmütz­igen Deutschlan­d? Das Airbus-Management wird zusätzlich in einer besonderen Schwächeph­ase aktiv – dem Vakuum vor der Bundestags­wahl.

@ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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