Große Verunsicherung in unseren Flugzeug-Werken
Betriebsratschefs in Varel und Nordenham kampfbereit
Nordenham/Varel – Die überraschende Ankündigung eines massiven Umbaus im AirbusKonzern vom Mittwochabend hat in den Werken der Region große Unsicherheit ausgelöst. Am Donnerstagmorgen standen beim Airbus-eigenen Zulieferer Premium Aerotec (PAG) in Varel und Nordenham zeitweilig Hunderte Beschäftigte beisammen, um Näheres zu erfahren. „Wie geht es für uns weiter?“
Am Vorabend hatte der Flugzeugbauer angekündigt: Die Fertigung von Strukturteilen soll in einer neuen Firma zusammengefasst werden – innerhalb von Airbus. Hier wäre auch das PAG-Werk in Nordenham dabei, in dem RumpfElemente gefertigt werden.
In einem weiteren Unternehmen soll der Bau von Spezialund Kleinteilen konzentriert werden. Davon wäre der PAG-Standort Varel betroffen. Nicht entschieden ist, ob man bei Airbus bleibt.
■ Das sagt Varel
In Varel (rund 1300 Beschäftigte) geht die Sorge um, abgekoppelt zu werden. Inhaltlich gibt es starke Kritik am Konzern-Plan, der Abläufe vereinfachen soll: „Wir können noch nicht die Vorteile erkennen“, sagte Varels Betriebsratschef Jürgen Bruns. Die Frage sei, „wo es langfristig strategisch hingehen“solle. Bruns: „Zur Not müssen wir eben eskalieren.“
■ Das sagt Nordenham
In Nordenham (2400 Beschäftigte) gab der Betriebsratsvorsitzende Michael Eilers die Losung aus: „Null Entwarnung für Nordenham – und vollständige Solidarität für alle Standorte von PAG. Wir lassen uns nicht spalten.“
■ Gesamtbetriebsrat
Premium Aerotec solle „zerschlagen werden“, kritisierte Gesamtbetriebsratsvorsitzender Thomas Busch (Varel). Das sei „ein frontaler Angriff auf die Beschäftigten der deutschen Luftfahrtindustrie“. In Frankreich würden dagegen bei einer parallelen Aktion „100 Prozent in die neu geplante Struktur übernommen“. Busch appellierte: „Wir erwarten von der Bundes- und
Landespolitik ein klares Bekenntnis zu den Beschäftigten und allen Standorten.“
■ Das sagt der Minister
Die Pläne seien „ein Hammer“, sagte Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) aus Berne. „Wir müssen jetzt aufpassen.“Es gehe hier um einen „essenziellen Teil der Industrie“. Bundeswirtschaftsminister und Bundeskanzlerin müssten die Vorgänge zu ihrem Thema machen. In Frankreich sei das selbstverständlich.
■ Wie sind die Airbus-Pläne zu bewerten? Lesen Sie dazu einen Kommentar des Leiters unserer Wirtschaftsredaktion, Rüdiger zu Klampen, auf
Seit der Airbus-Konzern 2009 zentrale Aktivitäten ausgliederte, ist die neue Firma Premium Aerotec (PAG) nicht wirklich zur Ruhe gekommen. Es ging ja auch primär darum, Kosten zu senken, und erklärtes Ziel war der Weiterverkauf des künstlichen Konstrukts. Und sehr viele bei PAG sehnten sich die alte, direkte Zugehörigkeit zu Airbus wieder herbei.
Die kommt jetzt – aber in einer üblichen Zweiteilung. Im Airbus-Management um Guilleaume Faury in Toulouse hat man doch tatsächlich erkannt, dass bestimmte Kernarbeiten direkt ins Unternehmen gehören, damit es optimal läuft. Das war vielen anderen natürlich immer klar – auch den Beschäftigten an den PAG-Standorten, auch in Nordenham und Varel.
Sie werden jetzt in große Unsicherheit gestürzt. Premium Aerotec wird zerschlagen. Das Ergebnis betrifft die Beschäftigten in Varel besonders. Denn es ist unsicher, ob dieses Werk, das auf kleinere Teile ausgerichtet ist, direkt zu Airbus kommt. Es gibt verdächtige Äußerungen aus dem Konzern. Aber auch in Nordenham ist ein Teil der Belegschaft mit der neuerdings ungeliebten Teile-Fertigung befasst. Was wird aus ihnen? Schwacher Trost: Eine Mehrheit dort, aus der RumpfFertigung, weiß: Wir kommen wieder zum Kern von Airbus.
Völlig richtig mobilisieren Betriebsräte und die IG Metall jetzt die Belegschaften – als Kulisse für mehr. Denn jetzt müssen Politiker in Berlin aufgeweckt werden. Man sollte die Dinge wirklich nicht einfach laufen lassen. Flugzeugbau ist wichtig für Deutschland – und besonders für den Nordwesten.
Doch jetzt keimt der konkrete Verdacht, in dem historisch bedeutsamen deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekt „Airbus“komme gerade etwas aus dem Lot: das über Jahrzehnte sorgfältig austarierte Produktions-Gleichgewicht. Dies hinzunehmen, wäre im industriepolitisch stets hellwachen Frankreich undenkbar. Aber im schlafmützigen Deutschland? Das Airbus-Management wird zusätzlich in einer besonderen Schwächephase aktiv – dem Vakuum vor der Bundestagswahl.
@ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de