Ein Kanzlerkandidat im Zeugenstand
Bundesfinanzminister Scholz weist jegliche persönliche Verantwortung zurück
Berlin – Die wichtigste Frage versucht Finanzminister Olaf Scholz mit nur einem Wort abzubügeln: „Tragen Sie persönlich Verantwortung dafür, dass dieser Skandal nicht früher aufgefallen ist?“, fragt CDU-Politiker Matthias Hauer. „Nein“, sagt Scholz typisch ruhig, doch bestimmt. Aus seiner Sicht könnte es jetzt vorbei sein; es wäre die kürzeste aller Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss zum wohl größten Bilanzskandal der deutschen Nachkriegszeit, dem Fall Wirecard. Doch so leicht lassen Union und Opposition den SPD-Kanzlerkandidaten am Donnerstag nicht davonkommen.
Irritierende Privatmail
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer spektakulären Vernehmungswoche. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat schon ausgesagt, Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (SPD) wurde bis in die Nacht befragt. Am Freitag kommt die Kanzlerin. Doch niemand von ihnen hat so viel zu verlieren wie Scholz. Er war mit seinem Ministerium nicht nur für die Finanzaufsicht Bafin zuständig, der im Fall Wirecard schwere Fehler vorgeworfen werden. Als Kanzlerkandidat muss er auch dafür sorgen, dass ihn der Skandal nicht bis in die Bundestagswahl im Herbst verfolgt.
Nach kurzer Zeit im Zeugenstand ist klar: Es wird nicht einfach – doch Scholz bleibt Scholz. Er antwortet oft kurz angebunden. Nicht mehr sagen, sich nicht mehr rühren als unbedingt nötig.
Die Opposition und vor allem der Koalitionspartner Union haben sich vorgenommen, ihn hart ranzunehmen. „Sie haben es sich ein bisschen
zu einfach gemacht“, kritisiert CDU-Mann Hauer. Er ist es, der Scholz am stärksten in Bedrängnis bringt. Hauer wirft ihm vor, er habe dem Ausschuss relevante E-Mails von seinem privaten Konto vorenthalten. Dieser muss einräumen, Zeitungsartikel manchmal von einer privaten Adresse weiterzuleiten. Befragung
unterbrochen. Der Ausschuss zeigt sich „irritiert“.
Wenig Substanzielles
Tatsächlich findet auch die Opposition aber wenig Substanzielles, was Scholz persönlich belasten würde. Von einer besonders kritisierten Maßnahme der Bafin sei er vorab
nicht informiert gewesen, sagt Scholz. Die Bafin hatte Anlegern zeitweise verboten, bei Wirecard auf fallende Kurse zu wetten. Bei den Aktionären entstand dadurch der Eindruck, bei dem Konzern sei alles in Ordnung.
Scholz betont die kriminelle Energie bei Wirecard. Er sei sozusagen im Beifang dieses
Kriminalfalls mitgefangen. Brisanter könnte ein zweiter Untersuchungsausschuss werden, in dem Scholz nächste Woche aussagen muss: Es geht um mögliche Einflussnahme des damaligen Hamburger Bürgermeisters auf die steuerliche Behandlung einer Bank, die in einem „Cum Ex“-Skandal steckt.