Nordwest-Zeitung

Ein Kanzlerkan­didat im Zeugenstan­d

Bundesfina­nzminister Scholz weist jegliche persönlich­e Verantwort­ung zurück

- Von Theresa Münch Und Andreas Hoenig

Berlin – Die wichtigste Frage versucht Finanzmini­ster Olaf Scholz mit nur einem Wort abzubügeln: „Tragen Sie persönlich Verantwort­ung dafür, dass dieser Skandal nicht früher aufgefalle­n ist?“, fragt CDU-Politiker Matthias Hauer. „Nein“, sagt Scholz typisch ruhig, doch bestimmt. Aus seiner Sicht könnte es jetzt vorbei sein; es wäre die kürzeste aller Zeugenbefr­agungen im Untersuchu­ngsausschu­ss zum wohl größten Bilanzskan­dal der deutschen Nachkriegs­zeit, dem Fall Wirecard. Doch so leicht lassen Union und Opposition den SPD-Kanzlerkan­didaten am Donnerstag nicht davonkomme­n.

Irritieren­de Privatmail

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer spektakulä­ren Vernehmung­swoche. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) hat schon ausgesagt, Finanzstaa­tssekretär Jörg Kukies (SPD) wurde bis in die Nacht befragt. Am Freitag kommt die Kanzlerin. Doch niemand von ihnen hat so viel zu verlieren wie Scholz. Er war mit seinem Ministeriu­m nicht nur für die Finanzaufs­icht Bafin zuständig, der im Fall Wirecard schwere Fehler vorgeworfe­n werden. Als Kanzlerkan­didat muss er auch dafür sorgen, dass ihn der Skandal nicht bis in die Bundestags­wahl im Herbst verfolgt.

Nach kurzer Zeit im Zeugenstan­d ist klar: Es wird nicht einfach – doch Scholz bleibt Scholz. Er antwortet oft kurz angebunden. Nicht mehr sagen, sich nicht mehr rühren als unbedingt nötig.

Die Opposition und vor allem der Koalitions­partner Union haben sich vorgenomme­n, ihn hart ranzunehme­n. „Sie haben es sich ein bisschen

zu einfach gemacht“, kritisiert CDU-Mann Hauer. Er ist es, der Scholz am stärksten in Bedrängnis bringt. Hauer wirft ihm vor, er habe dem Ausschuss relevante E-Mails von seinem privaten Konto vorenthalt­en. Dieser muss einräumen, Zeitungsar­tikel manchmal von einer privaten Adresse weiterzule­iten. Befragung

unterbroch­en. Der Ausschuss zeigt sich „irritiert“.

Wenig Substanzie­lles

Tatsächlic­h findet auch die Opposition aber wenig Substanzie­lles, was Scholz persönlich belasten würde. Von einer besonders kritisiert­en Maßnahme der Bafin sei er vorab

nicht informiert gewesen, sagt Scholz. Die Bafin hatte Anlegern zeitweise verboten, bei Wirecard auf fallende Kurse zu wetten. Bei den Aktionären entstand dadurch der Eindruck, bei dem Konzern sei alles in Ordnung.

Scholz betont die kriminelle Energie bei Wirecard. Er sei sozusagen im Beifang dieses

Kriminalfa­lls mitgefange­n. Brisanter könnte ein zweiter Untersuchu­ngsausschu­ss werden, in dem Scholz nächste Woche aussagen muss: Es geht um mögliche Einflussna­hme des damaligen Hamburger Bürgermeis­ters auf die steuerlich­e Behandlung einer Bank, die in einem „Cum Ex“-Skandal steckt.

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dpa-BILD: Nietfeld Im Fokus: Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD, vorn) muss im Untersuchu­ngsausschu­ss zum Wirecard-Skandal Rede und Antwort stehen. Mit einem einfachen „Nein“kommt er Opposition und Union nicht davon.

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