Ringen um Regeln für Sterbehilfe
Welche Vorschläge für das neue Gesetz in Deutschland auf dem Tisch liegen
Gut ein Jahr nach dem Sterbehilfe-Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundestag Anlauf für eine Neuregelung dieser hochsensiblen Frage genommen. In einer betont sachlich geführten Orientierungsdebatte diskutierten die Abgeordneten am späten Mittwoch kontrovers, welche Konsequenzen der Gesetzgeber aus dem Urteil ziehen soll. Ob es eine Regelung noch in dieser Legislaturperiode geben wird, ist unklar.
Deutschland wartet damit auf ein Gesetz, das es in seinen unmittelbaren Nachbarländern bereits gibt. In der Schweiz, in den Niederlanden und Belgien gibt es jeweils Gesetze, die einen assistierten Suizid unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, beziehungsweise sogar aktive Sterbehilfe durch einen Arzt erlauben. In beiden Fällen werden tödlich wirkende Medikamente wie etwa Natrium-Pentobarbital verwendet.
In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot organisierter – sogenannter geschäftsmäßiger – Hilfe beim Suizid kassiert. Es geht dabei um das Überlassen tödlich wirkender Medikasehen
mente als spezielle Form der Sterbehilfe. Nun muss eine Neuregelung her. Diese Ideen – teils bereits Gesetzentwürfe, teils nur in Eckpunkten – liegen bislang auf dem Tisch:
Beratung in jedem Fall
Eine Gruppe um die Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke) will sicherstellen, dass Sterbewilligen die Möglichkeit zur Suizidassistenz offensteht. Dafür will sie das Betäubungsmittelgesetz ändern, um Ärzten ausdrücklich zu erlauben, tödliche Medikamente zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Bedingung: eine Beratung, mit der sichergestellt
werden soll, dass der Sterbewunsch wirklich freier Wille des Betroffenen ist. Dafür soll ein Netz staatlich finanzierter Beratungsstellen entstehen. Der Gesetzentwurf der Gruppe ist bislang der einzige, der formell in den Bundestag eingebracht wurde.
Beratung light
Ende Januar veröffentlichten die Grünen-Politikerinnen Katja Keul und Renate Künast einen Gesetzesvorschlag. Er ist dem der Gruppe HellingPlahr/Lauterbach ähnlich. So sieht auch er eine Änderung des Betäubungsmittelrechts vor. Eine verpflichtende Beratung mit einer Wartefrist bis zur Ausstellung des Rezepts
sie aber nur für Fälle vor, in denen jemand sterben möchte, der nicht schwer krank ist. Bei schwer kranken Sterbewilligen sollen Ärzte entscheiden.
Strenge Regulierung
Eine dritte Gruppe mit Vertretern aus allen Fraktionen außer der AfD will im Gegensatz dazu einen erneuten Versuch unternehmen, bestimmte Formen der Suizidassistenz im Strafrecht zu verbieten. Eckpunkte der Gruppe sehen vor, dass die Hilfe bei der Selbsttötung nur erlaubt ist, wenn eine Beratung durch Ärzte stattfindet, die den freien Willen des Sterbewilligen feststellt, und bestimmte Wartefristen eingehalten werden. Diese sollen bei schwer Kranken kürzer ausfallen als bei Menschen mit einem Sterbewunsch aus einem anderen Grund. Zudem sollen die Werbung für geschäftsmäßige Suizidassistenz unter Strafe und die Suizidprävention gestärkt werden. Ein konkreter Entwurf liegt noch nicht vor. Zu dieser Gruppe gehören unter anderem Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Katrin Vogler (Linke), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Benjamin Strasser (FDP).