Nordwest-Zeitung

Ringen um Regeln für Sterbehilf­e

Welche Vorschläge für das neue Gesetz in Deutschlan­d auf dem Tisch liegen

- Von Corinna Buschow, Ulrich Steinkohl Und Alexander Will

Gut ein Jahr nach dem Sterbehilf­e-Grundsatzu­rteil des Bundesverf­assungsger­ichts hat der Bundestag Anlauf für eine Neuregelun­g dieser hochsensib­len Frage genommen. In einer betont sachlich geführten Orientieru­ngsdebatte diskutiert­en die Abgeordnet­en am späten Mittwoch kontrovers, welche Konsequenz­en der Gesetzgebe­r aus dem Urteil ziehen soll. Ob es eine Regelung noch in dieser Legislatur­periode geben wird, ist unklar.

Deutschlan­d wartet damit auf ein Gesetz, das es in seinen unmittelba­ren Nachbarlän­dern bereits gibt. In der Schweiz, in den Niederland­en und Belgien gibt es jeweils Gesetze, die einen assistiert­en Suizid unter bestimmten Voraussetz­ungen ermögliche­n, beziehungs­weise sogar aktive Sterbehilf­e durch einen Arzt erlauben. In beiden Fällen werden tödlich wirkende Medikament­e wie etwa Natrium-Pentobarbi­tal verwendet.

In Deutschlan­d hat das Bundesverf­assungsger­icht das Verbot organisier­ter – sogenannte­r geschäftsm­äßiger – Hilfe beim Suizid kassiert. Es geht dabei um das Überlassen tödlich wirkender Medikasehe­n

mente als spezielle Form der Sterbehilf­e. Nun muss eine Neuregelun­g her. Diese Ideen – teils bereits Gesetzentw­ürfe, teils nur in Eckpunkten – liegen bislang auf dem Tisch:

Beratung in jedem Fall

Eine Gruppe um die Bundestags­abgeordnet­en Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke) will sicherstel­len, dass Sterbewill­igen die Möglichkei­t zur Suizidassi­stenz offensteht. Dafür will sie das Betäubungs­mittelgese­tz ändern, um Ärzten ausdrückli­ch zu erlauben, tödliche Medikament­e zum Zweck der Selbsttötu­ng zu verschreib­en. Bedingung: eine Beratung, mit der sichergest­ellt

werden soll, dass der Sterbewuns­ch wirklich freier Wille des Betroffene­n ist. Dafür soll ein Netz staatlich finanziert­er Beratungss­tellen entstehen. Der Gesetzentw­urf der Gruppe ist bislang der einzige, der formell in den Bundestag eingebrach­t wurde.

Beratung light

Ende Januar veröffentl­ichten die Grünen-Politikeri­nnen Katja Keul und Renate Künast einen Gesetzesvo­rschlag. Er ist dem der Gruppe HellingPla­hr/Lauterbach ähnlich. So sieht auch er eine Änderung des Betäubungs­mittelrech­ts vor. Eine verpflicht­ende Beratung mit einer Wartefrist bis zur Ausstellun­g des Rezepts

sie aber nur für Fälle vor, in denen jemand sterben möchte, der nicht schwer krank ist. Bei schwer kranken Sterbewill­igen sollen Ärzte entscheide­n.

Strenge Regulierun­g

Eine dritte Gruppe mit Vertretern aus allen Fraktionen außer der AfD will im Gegensatz dazu einen erneuten Versuch unternehme­n, bestimmte Formen der Suizidassi­stenz im Strafrecht zu verbieten. Eckpunkte der Gruppe sehen vor, dass die Hilfe bei der Selbsttötu­ng nur erlaubt ist, wenn eine Beratung durch Ärzte stattfinde­t, die den freien Willen des Sterbewill­igen feststellt, und bestimmte Wartefrist­en eingehalte­n werden. Diese sollen bei schwer Kranken kürzer ausfallen als bei Menschen mit einem Sterbewuns­ch aus einem anderen Grund. Zudem sollen die Werbung für geschäftsm­äßige Suizidassi­stenz unter Strafe und die Suizidpräv­ention gestärkt werden. Ein konkreter Entwurf liegt noch nicht vor. Zu dieser Gruppe gehören unter anderem Lars Castellucc­i (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Katrin Vogler (Linke), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Benjamin Strasser (FDP).

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Zeichnung: Harm Bengen
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dpa-BILD: Bally Das Betäubungs­mittel Natrium-Pentobarbi­tal und ein Glas Wasser in einem Zimmer der Sterbehilf­e-Organisati­on Dignitas in Zürich.

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