Pöbelei gegen Polizisten
Wo stünde die Gesellschaft ohne den freiheitlich-kritischen Diskurs an den Universitäten? Aber auch ohne Studentenproteste? Die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit bestätigt die Hochschulen als Stätten geistiger Auseinandersetzung. Doch zunehmend kritisieren Wissenschaftler, dass an den Unis die Toleranz für andere Meinungen sinke.
Das jüngste Beispiel von „Cancel Culture“liefert die Leibniz Universität Hannover. Sie hat den aktiven Polizeibeamten Franz-Holger Acker beauftragt, ein kriminologischsoziologisches Einführungsseminar in „Polizei und Kriminalität“zu halten – ohne zusätzliches Entgelt. Laut Seminarplan sollte es auch um „Racial Profiling“gehen.
Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) und der studentische Fachrat Sozialwissenschaften (SoWi) lehnen es ab, dass ein Polizist ein Seminar gibt. Sie sprechen dem neuen Lehrbeauftragten ab, eine kritische Distanz zur Organisation Polizei einnehmen zu können. Für Asta und Fachrat ist die Polizei durch „strukturellen Machtmissbrauch, Rassismus und Rechtsextremismus“geprägt. Regelmäßig komme es zu Todesfällen von durch Rassismus betroffenen Menschen in Gewahrsam oder bei Abschiebungen. Trotz entsprechender akademischer Qualifikation stehe eine aktive
Tätigkeit für die Behörde einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Institution im Wege. Die Studierenden wollen eine eigene Vortragsreihe organisieren.
Professor Mathias Bös, Leiter des Instituts für Soziologie, sieht darin eine Art von Diskriminierung. Verdrängt werde, dass die Polizei selbst strukturellen Rassismus kritisch analysiere und entschieden entgegentrete. Und auch Uni-Präsident Volker Epping platzte der Kragen. Inhaltlich halte er die Position des Asta für „nicht akzeptabel“. Es werde unterstellt, dass ein renommierter Praktiker wie Acker nicht fähig sei, kritisch über die eigene Organisation nachzudenken. Epping schlug bei der Gelegenheit gleich den Bogen zu einer geplanten Veranstaltung mit Historiker Helmut Bley. Sie wurde nach Protesten abgesagt. Eine Initiative monierte, dass mit Bley „ein Weißer“zur Kolonialgeschichte Afrikas sprechen wollte. Mit demokratischen Grundwerten seien die Vorgänge „schwer vereinbar“, meint Epping.
Die Uni bleibt bei ihrer Linie: Das Seminar mit dem Polizisten Acker findet „wie geplant statt“, erklärte Hochschulsprecherin Mechtild Freiin von Münchhausen. Und dies, jedenfalls nach Wissen der Hochschulleitung, auch ohne Störungen.
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