Impfungen für alle wohl ab Juni
Wie es beim Kampf gegen Corona vorangeht – Im Schnitt 500 000 Spritzen am Tag
Berlin – Im Kampf gegen das Coronavirus gibt es nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wohl für Juni die Aussicht auf Impfungen für alle. Die Beschränkungen auf besonders gefährdete Menschen in einer festen Reihenfolge könnten dann wegfallen. „Wenn es früher ist, bin ich froh“, sagte der CDUPolitiker am Donnerstag im Bundesrat. „Wir sollten aber keine Erwartungen wecken, die nachher enttäuscht werden. Deswegen gehe ich Stand heute davon aus, dass wir im Juni die Priorisierung werden aufgeben können.“Im Mai soll als nächstes die letzte Vorranggruppe unter anderem mit Menschen ab 60 drankommen.
Nach viel Ärger über den schleppenden Start mit knappen Impfdosen und komplizierten Terminbuchungen zum Jahreswechsel sollen die Impfungen dank anziehender Impfstoff-Lieferungen jetzt weiter Fahrt aufnehmen. Derzeit habe mehr als jeder Fünfte in der Bevölkerung eine erste Impfung, sagte Spahn – genau gesagt 21,6 Prozent, gab das Robert Koch-Institut (RKI) am Donnerstag bekannt. Bis Ende April werde es jeder Vierte sein und im Mai jeder Dritte, prognostizierte der Minister.
■ DIE PRIORISIERUNG: Eingeführt wurde die amtliche Reihenfolge wegen des anfangs absehbar knappen Impfstoffes. Erklärtes Ziel: Menschen mit dem höchsten Risiko auf schwere und tödliche Corona-Verläufe rasch zu schützen. In Gruppe 1 kamen daher über 80-Jährige, Menschen in Pflegeheimen und Gesundheitspersonal mit hoher Ansteckungsgefahr dran. Gerade laufen Impfungen in der zweiten Gruppe mit Menschen ab 70, mit Erkrankungen wie Krebs, Kita-Erzieherinnen und Lehrkräften an
Eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca: In den ersten Bundesländern ist dafür bereits die Priorisierung aufgehoben.
Grundschulen. Einige Länder haben auch schon mit der dritten und letzten Gruppe begonnen– dazu gehören Menschen ab 60 und unter anderem weitere Berufsgruppen –, ehe dann alle zum Zuge kommen können.
■ DAS IMPFNETZ: Seit der Woche nach Ostern sind neben
den regionalen Impfzentren der Länder auch Zehntausende Hausarztpraxen im Spiel und bringen Schub über die breite Fläche: Am Mittwoch wurden so insgesamt 689042 Spritzen gesetzt – im Sieben-Tage-Schnitt sind es inzwischen 500000 am Tag. Im Juni sollen Betriebsärzte regulär mitimpfen.
■ DIE IMPF-ÖFFNUNGEN: Dass eine Freigabe der Impfungen im Sommer kommt, wurde erwartet. Nun gibt es ein etwas klareres Ziel mit dem Monat Juni. „Je weniger knapp der Impfstoff, desto weniger Priorisierung ist nötig und gerechtfertigt“, sagte auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx. Leitschnur
soll aber noch bleiben, dass zuerst die besonders gefährdeten Gruppen Impf-Gelegenheiten haben – aber bei gewisser Flexibilität, dass Impfstoff nicht verkommt. In Bayern, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sollen Praxen den Astrazeneca-Impfstoff schon ab sofort allen spritzen können.
Bundes-Notbremse greift ab diesem Samstag:
Das umstrittene neue Infektionsschutzgesetz mit der Bundes-Notbremse hat die letzten Hürden genommen und tritt an diesem Freitag in Kraft. Zunächst passierte es am Donnerstag trotz massiver Kritik der Länder den Bundesrat, dann wurde es von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet und später im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. In Kreisen und Städten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 in den vergangenen drei Tagen wird damit bereits ab diesem Samstag die Notbremse automatisch greifen. Dazu zählen unter anderem Kontaktbeschränkungen, Schließungen von Geschäften und Freizeiteinrichtungen sowie eine nächtliche Ausgangssperre.
Klagen gegen Bundes-Notbremse vor Verfassungsgericht:
Schon vor der Bundesratsentscheidung über die sogenannte Bundes-Notbremse ist am Freitag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der erste Eilantrag dagegen eingegangen. Rechtsanwalt Claus Pinkerneil mit Kanzleien in Berlin und München teilte mit, Verfassungsbeschwerde eingelegt zu haben. Ebenfalls am Freitag kündigten die Freien Wähler Verfassungsbeschwerde an. Die FDP hat ebenfalls einen solchen Schritt angekündigt, genauso wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post.
Tübingen muss Modellprojekt beenden:
Das Tübinger Corona-Modellprojekt ist wegen der Bundes-Notbremse laut Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) beendet. „Ab Montag ist also auch bei uns alles dicht. Theater, Handel, Schulen und Kitas“, schrieb er auf Facebook. Die Inzidenz im Landkreis Tübingen sei eben viel zu hoch. Palmer machte darauf aufmerksam, dass die Inzidenz in der Stadt Tübingen konstant unter 100 sei seit zwei Wochen. „Der Anstieg findet nur außerhalb Tübingens statt und hat jetzt den Wert von 240 erreicht, während wir bei 91 stehen“, schrieb er.
Fast 30 Polizisten verletzt, 300 Demonstranten in Berlin festgenommen:
Bei der Demonstration gegen die bundesweite Verschärfung der Corona-Einschränkungen am Mittwoch in Berlin sind nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fast 30 Polizisten verletzt worden. Weit mehr als 300 Demonstranten seien festgenommen worden. Bei der Demonstration mit etwa 8000 Teilnehmern rund um das Brandenburger Tor und auf der Straße des 17. Juni hatte es zum Teil gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei gegeben. Weil sich viele Demonstranten nicht an die Corona-Hygieneregeln mit Distanz und Mund-Nasenschutz hielten, ordnete die Polizei am Mittag die Auflösung der Kundgebung an.