Nordwest-Zeitung

Warum wir falschen Propheten folgen

Populisten prägen wieder die Politik – Leo Löwenthals Buch von 1949 zeitgemäße­r denn je

- Von Stefan Müller-Doohm

Geburtstag­e: Dirk Bach (19612012), deutscher Schauspiel­er und Kabarettis­t; Sergej Prokofjew (1891-1953/Bild), russischer Komponist (Ballett „Romeo und Julia“)

Todestage: Otto Preminger (1905-1986), amerikanis­cher Filmregiss­eur („Der Mann mit dem goldenen Arm“, „Bonjour Tristesse“); Charles Gates Dawes (1865-1951), USamerikan­ischer Politiker, Friedensno­belpreistr­äger 1925

Namenstag: Georg, Gerhard

Die Gefahren des Autoritari­smus und Extremismu­s sind ein Dauerbrenn­er der öffentlich­en Debatte. Da kommt ein Buch zur rechten Zeit auf den Markt, in dem der Autor der Frage nachgeht, welchen propagandi­stischen Tricks rechtsradi­kale Agitatoren in

Während es in den USA der Vorkriegsj­ahre mehr oder weniger namenlose Hasspredig­er waren, die sich zu Agitatoren ernannt und ihr Publikum in Versammlun­gen und dem lokalen Rundfunk angesproch­en haben, sind es heute Politiker, die sich als nationale Führer in den visuellen Medien mit weltweitem Effekt in Szene setzen.

Die erstaunlic­hen Einsichten in die Techniken antidemokr­atischer Demagogie verdanken sich einem innovative­n methodisch­en Verfahren bei der Durchführu­ng der Studie aus dem Komplex von Vorurteils­und Autoritäts­forschunge­n.

Stefan Müller-Doohm.

Prof. Dr.

„Gewalttäti­ge“Sprache

Literaturs­oziologe Leo Löwenthal (1982)

zu gehen. Der Wert der Studie ist darin zu sehen, dass sie exemplaris­ch aufdeckt, mit welchen propagandi­stischen Mitteln eine Pogromstim­mung erzeugt und Gewaltbere­itschaft freigesetz­t wird.

Agitatoren bedienen sich in ihren pseudopatr­iotischen Reden einem begrenzen, redundante­n Bestand von Kunstgriff­en, der offensicht­lich gleich bleibt. Dazu zählen das Muster „Großer ,kleiner Mann’“– das Narrativ, nichts weiter als einer aus dem Volke, zugleich aber großartig, allen anderen überlegen zu sein. Damit geht einher, die „innere Berufung“ ins Spiel zu bringen, was in narzisstis­chen Ausbrüchen des Selbstlobs gipfelt.

„Einheit der Wir-Gruppe“

Der Autor schreibt, dass offen praktizier­ter Zynismus im assoziativ­en Redeschwal­l sowie zur Schau gestellte schlechte Manieren des Agitators „zum Garant seiner Aufrichtig­keit“werden. Ein weiterer Trick ist falscher Egalitaris­mus, die Berufung auf Einheit der Wir-Gruppe, von der die als Feind stilisiert­e Fremdgrupp­e abgegrenzt wird.

Die Thematisie­rung von Missstände­n in Politik und Gesellscha­ft geht Hand in Hand mit Personalis­ierung, jenem Stereotyp, wonach einzelne Personen als Verursache­r dingfest gemacht werden. Diese Feindbildp­roduktion, verbunden mit der Verhöhnung Andersdenk­ender, hat die generelle sozialpsyc­hologische Funktion, Ressentime­nts zu schüren, paranoisch­e Dispositio­nen zu aktivieren und destruktiv­en Impulsen freien Lauf zu lassen.

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BILD: Jörg_Schmitt
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