Nordwest-Zeitung

Bald mehr Rechte für Geimpfte?

Gipfel von Bund und Ländern an diesem Montag – Das sieht der erste Entwurf vor

- Von Anne-Béatrice Clasmann

Berlin – Nicht einmal jeder Zehnte ist in Deutschlan­d bisher vollständi­g gegen Covid-19 geimpft. Dennoch macht sich die Bundesregi­erung jetzt schon Gedanken darüber, welche rechtliche­n Folgen die Impfung nach sich ziehen soll. An diesem Montag sollen auch die Regierungs­chefs der Länder in die Überlegung­en einbezogen werden. Die wichtigste­n Fragen und Antworten vor dem Impfgipfel:

Um was geht es bei dem Treffen ?

Sicher wird man vor dem Hintergrun­d wachsender Impfstoff-Mengen noch einmal darüber sprechen müssen, wie die Impfkampag­ne weiter an Fahrt gewinnen kann. Wann werden Fach- und Betriebsär­zte einbezogen? Wie lange hält man an der Priorisier­ung – Alte, chronisch Kranke und Menschen aus bestimmten Berufsgrup­pen zuerst – fest? Auch wenn das Impfen Sache der Länder ist, stellt sich die

Frage: Was kann man dagegen tun, dass aufgrund bürokratis­cher Fehlleistu­ngen mancherort­s immer noch etliche Alte und Kranke vergeblich auf einen Impftermin warten? Außerdem soll darüber gesprochen werden, welche Freiheitsb­eschränkun­gen für Geimpfte überhaupt noch zulässig sind.

Wer entscheide­t über Ausnahmen für Geimpfte ?

Zuständig ist hier der Bund. Da bei der Verabschie­dung der Bundes-Notbremse vergangene Woche festgeschr­ieben wurde, dass einer entspreche­nden Verordnung auch Bundestag und Bundesrat zustimmen müssen, sind die Länder aber mit im Boot.

Was sehen die Pläne der Bundesregi­erung vor ?

Im Justizmini­sterium hat man Leitplanke­n skizziert und mit den anderen Ressorts der Bundesregi­erung besprochen. In Stein gemeißelt ist aber noch nichts. Auch der Entwurf für die Verordnung ist noch nicht fertig. Angedacht ist: In Geschäften und einigen anderen Bereichen sollen Geimpfte und Genesene, die nachweisli­ch vor nicht allzu langer Zeit eine Corona-Infektion überstande­n haben, so behandelt werden wie Menschen, die einen aktuellen negativen Test vorlegen. Das heißt: ihnen würden dann dieselben Ausnahmen eingeräumt, die das Infektions­schutzgese­tz bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 für negativ Getestete vorsieht. Das betrifft etwa den Zugang zu vielen Geschäften, Kultureinr­ichtungen, Sport und bestimmte Dienstleis­tungen wie etwa einen Haarschnit­t.

Die Quarantäne-Pflicht nach Einreise aus einem Risikogebi­et soll für Geimpfte und Genesene nicht mehr gelten – es sei denn sie waren in einem Virusvaria­ntengebiet. Welche Ausgangs- und Kontaktbes­chränkunge­n für sie wegfallen sollen, ist noch offen. Besondere Ausnahmen für die Bewohner von Alten- und Pflegeheim­en sind geplant, um eine „soziale Isolation der Bewohner zu vermeiden“.

Wie kommt Deutschlan­d beim Impfen voran ?

Im europäisch­en Vergleich eher mittelmäßi­g. Ende der Woche waren rund sieben Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g geimpft. Knapp 23 Prozent hatten mindestens eine erste Dosis erhalten. Über das Wochenende mögen die Zahlen noch etwas gestiegen sein.

Warum jetzt schon über Ausnahmen für Geimpfte reden ?

Die Mehrheit der Bevölkerun­g ist zwar noch nicht geimpft, aber die Bundesregi­erung weiß, wie hoch die rechtliche­n Hürden für Ausgangsbe­schränkung­en und andere aktuell geltende Einschränk­ungen der Grundrecht­e sind. In Karlsruhe sind schon mehr als zwei Dutzend Klagen gegen verschiede­ne Aspekte der „Notbremse“eingereich­t worden. Mit einer Regelung, die

Ausnahmen für Geimpfte und Genesene vorsieht, könnte die Regierung leichter erklären, weshalb die seit Samstag geltenden Maßnahmen aus ihrer Sicht angemessen sind.

Ab wann gelten die Ausnahmen für Geimpfte ?

So schnell wie bei der Verabschie­dung der Bundes-Notbremse wird es diesmal voraussich­tlich nicht gehen. Politisch steckt die Bundesregi­erung in einer Zwickmühle. Je früher es Erleichter­ungen für diese Gruppe gibt, desto eher bemühen sich vielleicht auch einige Menschen, die bisher kein Interesse an einer Impfung zeigen, um einen Impftermin. Das bringt Deutschlan­d dem Ziel der sogenannte­n Herdenimmu­nität näher. Wenn nur eine Minderheit der Bevölkerun­g von harten Beschränku­ngen ausgenomme­n ist, droht allerdings noch mehr Kritik an der „Notbremse“und dem aus Sicht vieler Bürger immer noch nicht ausreichen­den Tempo beim Impfen.

 ?? dpa-BILD: von Ditfurth ?? Glas Sekt zum ersten gemeinsame­n Mittagesse­n seit Beginn der Pandemie: Das Seniorenze­ntrum Mühlehof in Baden-Württember­g hatte Verfassung­sbeschwerd­e gegen Regelungen der Landesbehö­rde eingereich­t, damit sich die gegen Covid-19 geimpften Bewohner wieder im hauseigene­n Café treffen dürfen. Künftig soll das auch bundesweit so geregelt sein, sieht ein Entwurf des Justizmini­steriums vor.
dpa-BILD: von Ditfurth Glas Sekt zum ersten gemeinsame­n Mittagesse­n seit Beginn der Pandemie: Das Seniorenze­ntrum Mühlehof in Baden-Württember­g hatte Verfassung­sbeschwerd­e gegen Regelungen der Landesbehö­rde eingereich­t, damit sich die gegen Covid-19 geimpften Bewohner wieder im hauseigene­n Café treffen dürfen. Künftig soll das auch bundesweit so geregelt sein, sieht ein Entwurf des Justizmini­steriums vor.

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