Digitales ist immer noch Neuland
Kritiker werfen Deutschland digitales Staatsversagen vor und fordern ein Umsteuern
Berlin – Umständliche Corona-Nachverfolgung, wenig Vernetzung, Formularwust – der Stand der Digitalisierung bei den Behörden in Deutschland ist in der Kritik. Der deutsche Staat hinkt anderen Ländern und der Wirtschaft scheinbar meilenweit hinterher. Offizielle Regierungsberater urteilten im Auftrag von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im April, die Schwächen hätten eine wirksame Antwort der Politik in der Pandemie „massiv behindert“. Druck macht nun der Beamtenbund dbb. Auch der Letzte sollte in der Corona-Krise gesehen haben: „Wir brauchen einen Staat, der gegen globale Krisen gewappnet ist, die mit voller Wucht auch auf die Menschen in Deutschland durchschlagen“, sagt dbb-Chef Ulrich Silberbach.
Es gibt ganz konkrete Schwachstellen, einige Verbesserungen sind auf dem Weg aber oft wirken seit Langem eingespielte Abläufe wie Sand im Getriebe. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta forderte am Sonntag „eine Digitaloffensive für den Staat“. Silberbach sagt, der Kompetenz-Wirrwarr zwischen Bund, Ländern und verschiedenen Behörden behindere die Digitalisierung. Der dbb sieht mögliche Ansatzpunkte:
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Gesundheitsämter
Anfang Februar hatten 151 der 376 Gesundheitsämter die Corona-Software „Sormas“genutzt, mit der Kontakte von Corona-Infizierten effizienter nachverfolgt werden sollen. Silberbach sagt, der dbb habe mit Mitarbeitern von Gesundheitsämtern gesprochen, um herauszufinden, wie Sormas in der Praxis funktioniert. „Das Ergebnis ist ernüchternd.“Wenn ein Mitarbeiter eine digitale Datenakte anlege, müsse er an 16 verschiedenen Stellen den Namen einer infizierten Person eingeben. „Das hat nichts mit smarter Digitalisierung zu tun.“
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Datenschutz
Datenschutz sei wichtig, sagt Silberbach. „Aber bei den entscheidenden Daten im Kampf gegen das Coronavirus übertreiben wir es in Deutschland derzeit damit“, meint er. Die Gesundheitsgefahren seien größer als die Risiken einer automatischen Weitergabe zentraler Infos: Wurde jemand positiv getestet? Wo war sie oder er seither? „Millionen Menschen lassen es rund um die Uhr ohne Bedenken zu, dass die Google-Dienste etwa bei der Standortermittlung diese Daten absaugen.“Aber bei der Corona-Warnapp gebe es keine Lokalisierung der Nutzer. „Wenn die Menschen nicht selbst eingeben, wenn sie positiv getestet wurden, bringt sie nicht mehr als ein Briefbeschwerer.“
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Vernetzung
Silberbach weist auf eine weitere „ganz große Schwachstelle“hin. „Es gibt keine standardisierte Möglichkeit für die unterschiedlichen Behörden, sich schnell zu vernetzen und die nötigen Stammdaten auszutauschen, wenn jemand zum Beispiel einen Antrag auf Elterngeld oder andere Leistungen stellt“, sagt er. „Hierfür wäre es nötig, den Bürgerinnen und Bürgern eine ID-Kennung zuzuweisen, diese in den Datensätzen bei allen Behörden hinzuzufügen und den unterschiedlichen Dienststellen
dann in vorher festgelegten und transparent nachvollziehbaren Fällen zu erlauben, diese Daten zu nutzen.“Das solle nun zwar mit der SteuerIdentifikationsnummer auch passieren. Silberbach meint aber, es komme reichlich spät.
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Finanzierung
Für Altmaiers Regierungsberater ist klar: „Es bedarf dringend weiterer Investitionen in die digitale Infrastruktur, so vor allem in Schulen, Hochschulen, Gerichten, öffentlicher Verwaltung und im Gesundheitssektor.“
Mit Spannung wird nun erwartet, welche Prioritäten die Parteien im beginnenden Bundestagswahlkampf setzen. Silberbach meint: „In den vergangenen Jahren war der politische Mainstream, dass der Staat nicht allzu viel kosten darf.“
Wird bis heute kaum benutzt: Der ePerso