Oldenburg ab 22 Uhr wie leer gefegt
So reagieren Bürger auf die Ausgangssperre in Oldenburg – Meinungen zur Regelung gehen auseinander
Oldenburg/am – Die Ausgangssperre gilt seit Samstag für die Stadt Oldenburg. Ab 22 Uhr dürfen Bürger ihre Häuser, Wohnungen und Grundstücke nicht mehr verlassen. Doch wie sieht die Stadt nach 22 Uhr aus? Halten sich die Menschen an die Regel oder geht das Leben seinen gewohnten Gang?
Ein Team unserer Redaktion hat verschiedene Orte in Oldenburg angesteuert und die Situationen dokumentiert. Vom vollen Supermarktparkplatz über Personengruppen, die sich an der Hafenpromenade treffen und von jetzt auf gleich verschwunden sind bis hin zu völlig leeren Straßen und Plätzen hat sich ein vielfältiges Bild ergeben. Eindeutig war die Situation allerdings ab 22 Uhr: Die Stadt ist wie leer gefegt. Eine ausführliche Reportage über den Streifzug vor und nach der Ausgangssperre:
Oldenburg – Leere Straßen und Plätze – überall in der Stadt: Oldenburg befindet sich seit vergangenem Samstag im Ausnahmezustand. Grundsätzlich gilt laut Bundes-Notbremse aktuell, dass Bürger unter anderem ihre Wohnungen, Häuser und Grundstücke zwischen 22 und 5 Uhr nicht mehr verlassen dürfen. Ausnahmen sind Notfälle, Betreuungsaufgaben, berufliche Tätigkeiten und Individualsport bis Mitternacht.
Doch wie wirkt sich die Bundes-Notbremse auf Oldenburg aus? Halten sich die Bürger an die neuen Regeln oder geht das Leben auf den Straßen der Stadt seinen gewohnten Gang? Unsere Redaktion hat sich am Mittwochabend ein Bild gemacht.
21.15 Uhr: Auf dem Supermarktparkplatz an der Wehdestraße in Donnerschwee wirkt alles wie immer. Menschen sind zu Fuß, mit dem Rad oder Auto unterwegs – ein reges Kommen und Gehen. Einer von ihnen ist Erik Brandt. Eigentlich ist er auf dem Weg zur Arbeit und hat noch schnell etwas eingekauft. „Ich arbeite im Drei-Schicht-System. Es kommt aber schon mal vor, dass ich zu dieser Zeit noch einkaufe“, berichtet der 27-Jährige. Die Ausgangssperre betreffe ihn nicht wirklich. „Ich beschäftige mich momentan mit dem Haus, das ich baue. Das passiert am Tag.“Ob die Ausgangssperre etwas bringt, weiß er nicht. „Das ist schwierig zu sagen. Ich hoffe es. Ich freue mich auf den Sommer und darauf mit Freunden zu grillen“, sagt er und macht sich auf den Weg.
Celina Deeken-Wulsch und Eva-Maria Jeschke halten die Ausgangssperre für übertrieben und unnötig. „Wir kaufen eigentlich nicht so spät ein aber bei uns zu Hause haben die Supermärkte nicht mehr auf“, berichten die beiden Freundinnen, für die die Ausgangssperre eigentlich keine Rolle spielt. „Ich verlasse das Haus um diese Uhrzeit sowieso nicht mehr“, sagt Eva-Maria.
21.35 Uhr: An der Oldenburger Hafenpromenade ist um diese Zeit noch einiges los. In kleinen Gruppen, meist zu zweit, sind Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs oder sitzen auf der Kaimauer des Hafenbeckens und unterhalten sich.
Ina Panzer und Mathijs Duin sind auf dem Heimweg nach einem Spaziergang. „Für mich ist das Ganze nicht besonders einschränkend. Und wenn dadurch die Inzidenzen reduziert werden, halte ich die Ausgangssperre für eine gute Maßnahme“, sagt die 24-Jährige. „Ich wäre schon noch etwas länger unterwegs und hoffe, dass die Maßnahme etwas bringt“, sagt der 25-Jährige, bevor die beiden nach Hause gehen – 20 Minuten bleiben ihnen noch.
Noch befinden sind einige Leute an der Promenade, man sieht aber, dass Aufbruchstimmung entsteht. „Lass uns mal gehen“oder „Wir haben noch 10 Minuten“sind Sätze, die man jetzt vermehrt hört, und kurz darauf wirkt der Ort wie
ausgestorben. Fünf Minuten vor 22 Uhr ist kein Mensch mehr da.
22.05 Uhr: Zehn Minuten später am Hauptbahnhof ein ähnliches Bild. Nur zwei Personen gehen noch über den Bahnhofsplatz,
ansonsten tut sich nichts. Lediglich in den Taxis befinden sich noch die Fahrer, die auf Kundschaft warten – meist vergeblich, wie einige berichten. „Manchmal habe ich nur einen Kunden an so einem Abend“, sagt Najman,
der am Steuer eines schwarzen Taxis sitzt. Seit der Ausgangssperre habe sich die angespannte Situation deutlich verschlechtert. Mehmet Karamann bestätigt diese Einschätzung: „Es ist eine Katastrophe. Wir haben kaum Touren.
Wenn’s hochkommt die ganze Nacht über sechs Touren eventuell“, sagt er.
Im Bahnhof geht ein Mann durch den Gang unter den Gleisen entlang. Am Gleis 1 steht zehn Minuten nach 22 Uhr niemand mehr.
22.27: Der Waffenplatz ist menschenleer. Fast schon etwas unheimlich. Doch dann Motorengeräusche. Es ist ein Polizeiauto, das auf den Platz gefahren kommt.
Die Beamten nehmen sich einen Moment Zeit und berichten: „Das ist unsere erste Schicht während der Ausgangssperre“, sagt Polizeikommissar Simon Koopmann. Und bisher sei nicht viel passiert. „Wir gehen von einer ruhigen Schicht aus“, sagt seine Kollegin, Polizeikommissarin Annica Wolf. Sie soll Recht behalten. Denn in dieser Nacht wird die Polizei keine Person antreffen, die unerlaubt unterwegs ist, wie Polizeisprecher Stephan Klatte am nächsten Tag mitteilt.
23.11 Uhr: Auf der Nadorster Straße ist um diese Uhrzeit eigentlich noch regelmäßiger Verkehr unterwegs. Doch jetzt fahren nur noch vereinzelt Busse, in denen sich keine Fahrgäste mehr befinden, auf der Straße. Zwischendurch ist minutenlang nichts zu hören. Die Tankstelle an der Kreuzung zum Hochheider Weg hat zwar noch auf, getankt wird jedoch nicht mehr.
23.25 Uhr: Zurück beim Supermarkt im Donnerschwee – das Bild hat sich deutlich verändert. Vor zwei Stunden waren hier noch viele Kunden unterwegs. Jetzt herrscht gähnende Leere. Eigentlich hat der Markt noch eine gute halbe Stunde geöffnet, doch während der Ausgangssperre werden die Türen hier früher geschlossen.
Oldenburg präsentiert sich mittlerweile wie im Dornröschenschlaf. Es ist beinahe mucksmäuschenstill. Nur eine Lüftungsanlage surrt irgendwo monoton vor sich hin. Zeit zu gehen.