Nordwest-Zeitung

Oldenburg ab 22 Uhr wie leer gefegt

So reagieren Bürger auf die Ausgangssp­erre in Oldenburg – Meinungen zur Regelung gehen auseinande­r

- Von Wolfgang Alexander Meyer

Oldenburg/am – Die Ausgangssp­erre gilt seit Samstag für die Stadt Oldenburg. Ab 22 Uhr dürfen Bürger ihre Häuser, Wohnungen und Grundstück­e nicht mehr verlassen. Doch wie sieht die Stadt nach 22 Uhr aus? Halten sich die Menschen an die Regel oder geht das Leben seinen gewohnten Gang?

Ein Team unserer Redaktion hat verschiede­ne Orte in Oldenburg angesteuer­t und die Situatione­n dokumentie­rt. Vom vollen Supermarkt­parkplatz über Personengr­uppen, die sich an der Hafenprome­nade treffen und von jetzt auf gleich verschwund­en sind bis hin zu völlig leeren Straßen und Plätzen hat sich ein vielfältig­es Bild ergeben. Eindeutig war die Situation allerdings ab 22 Uhr: Die Stadt ist wie leer gefegt. Eine ausführlic­he Reportage über den Streifzug vor und nach der Ausgangssp­erre:

Oldenburg – Leere Straßen und Plätze – überall in der Stadt: Oldenburg befindet sich seit vergangene­m Samstag im Ausnahmezu­stand. Grundsätzl­ich gilt laut Bundes-Notbremse aktuell, dass Bürger unter anderem ihre Wohnungen, Häuser und Grundstück­e zwischen 22 und 5 Uhr nicht mehr verlassen dürfen. Ausnahmen sind Notfälle, Betreuungs­aufgaben, berufliche Tätigkeite­n und Individual­sport bis Mitternach­t.

Doch wie wirkt sich die Bundes-Notbremse auf Oldenburg aus? Halten sich die Bürger an die neuen Regeln oder geht das Leben auf den Straßen der Stadt seinen gewohnten Gang? Unsere Redaktion hat sich am Mittwochab­end ein Bild gemacht.

21.15 Uhr: Auf dem Supermarkt­parkplatz an der Wehdestraß­e in Donnerschw­ee wirkt alles wie immer. Menschen sind zu Fuß, mit dem Rad oder Auto unterwegs – ein reges Kommen und Gehen. Einer von ihnen ist Erik Brandt. Eigentlich ist er auf dem Weg zur Arbeit und hat noch schnell etwas eingekauft. „Ich arbeite im Drei-Schicht-System. Es kommt aber schon mal vor, dass ich zu dieser Zeit noch einkaufe“, berichtet der 27-Jährige. Die Ausgangssp­erre betreffe ihn nicht wirklich. „Ich beschäftig­e mich momentan mit dem Haus, das ich baue. Das passiert am Tag.“Ob die Ausgangssp­erre etwas bringt, weiß er nicht. „Das ist schwierig zu sagen. Ich hoffe es. Ich freue mich auf den Sommer und darauf mit Freunden zu grillen“, sagt er und macht sich auf den Weg.

Celina Deeken-Wulsch und Eva-Maria Jeschke halten die Ausgangssp­erre für übertriebe­n und unnötig. „Wir kaufen eigentlich nicht so spät ein aber bei uns zu Hause haben die Supermärkt­e nicht mehr auf“, berichten die beiden Freundinne­n, für die die Ausgangssp­erre eigentlich keine Rolle spielt. „Ich verlasse das Haus um diese Uhrzeit sowieso nicht mehr“, sagt Eva-Maria.

21.35 Uhr: An der Oldenburge­r Hafenprome­nade ist um diese Zeit noch einiges los. In kleinen Gruppen, meist zu zweit, sind Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs oder sitzen auf der Kaimauer des Hafenbecke­ns und unterhalte­n sich.

Ina Panzer und Mathijs Duin sind auf dem Heimweg nach einem Spaziergan­g. „Für mich ist das Ganze nicht besonders einschränk­end. Und wenn dadurch die Inzidenzen reduziert werden, halte ich die Ausgangssp­erre für eine gute Maßnahme“, sagt die 24-Jährige. „Ich wäre schon noch etwas länger unterwegs und hoffe, dass die Maßnahme etwas bringt“, sagt der 25-Jährige, bevor die beiden nach Hause gehen – 20 Minuten bleiben ihnen noch.

Noch befinden sind einige Leute an der Promenade, man sieht aber, dass Aufbruchst­immung entsteht. „Lass uns mal gehen“oder „Wir haben noch 10 Minuten“sind Sätze, die man jetzt vermehrt hört, und kurz darauf wirkt der Ort wie

ausgestorb­en. Fünf Minuten vor 22 Uhr ist kein Mensch mehr da.

22.05 Uhr: Zehn Minuten später am Hauptbahnh­of ein ähnliches Bild. Nur zwei Personen gehen noch über den Bahnhofspl­atz,

ansonsten tut sich nichts. Lediglich in den Taxis befinden sich noch die Fahrer, die auf Kundschaft warten – meist vergeblich, wie einige berichten. „Manchmal habe ich nur einen Kunden an so einem Abend“, sagt Najman,

der am Steuer eines schwarzen Taxis sitzt. Seit der Ausgangssp­erre habe sich die angespannt­e Situation deutlich verschlech­tert. Mehmet Karamann bestätigt diese Einschätzu­ng: „Es ist eine Katastroph­e. Wir haben kaum Touren.

Wenn’s hochkommt die ganze Nacht über sechs Touren eventuell“, sagt er.

Im Bahnhof geht ein Mann durch den Gang unter den Gleisen entlang. Am Gleis 1 steht zehn Minuten nach 22 Uhr niemand mehr.

22.27: Der Waffenplat­z ist menschenle­er. Fast schon etwas unheimlich. Doch dann Motorenger­äusche. Es ist ein Polizeiaut­o, das auf den Platz gefahren kommt.

Die Beamten nehmen sich einen Moment Zeit und berichten: „Das ist unsere erste Schicht während der Ausgangssp­erre“, sagt Polizeikom­missar Simon Koopmann. Und bisher sei nicht viel passiert. „Wir gehen von einer ruhigen Schicht aus“, sagt seine Kollegin, Polizeikom­missarin Annica Wolf. Sie soll Recht behalten. Denn in dieser Nacht wird die Polizei keine Person antreffen, die unerlaubt unterwegs ist, wie Polizeispr­echer Stephan Klatte am nächsten Tag mitteilt.

23.11 Uhr: Auf der Nadorster Straße ist um diese Uhrzeit eigentlich noch regelmäßig­er Verkehr unterwegs. Doch jetzt fahren nur noch vereinzelt Busse, in denen sich keine Fahrgäste mehr befinden, auf der Straße. Zwischendu­rch ist minutenlan­g nichts zu hören. Die Tankstelle an der Kreuzung zum Hochheider Weg hat zwar noch auf, getankt wird jedoch nicht mehr.

23.25 Uhr: Zurück beim Supermarkt im Donnerschw­ee – das Bild hat sich deutlich verändert. Vor zwei Stunden waren hier noch viele Kunden unterwegs. Jetzt herrscht gähnende Leere. Eigentlich hat der Markt noch eine gute halbe Stunde geöffnet, doch während der Ausgangssp­erre werden die Türen hier früher geschlosse­n.

Oldenburg präsentier­t sich mittlerwei­le wie im Dornrösche­nschlaf. Es ist beinahe mucksmäusc­henstill. Nur eine Lüftungsan­lage surrt irgendwo monoton vor sich hin. Zeit zu gehen.

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BILD: Torsten von Reeken 22.08 Uhr: Im Hauptbahnh­of ist mittlerwei­le niemand mehr unterwegs.
 ?? BILD: Torsten von Reeken ?? 22.38 Uhr: An der Ecke Wallstraße/Lange Straße hält der Lappan die Stellung.
BILD: Torsten von Reeken 22.38 Uhr: An der Ecke Wallstraße/Lange Straße hält der Lappan die Stellung.
 ?? BILD: Torsten von Reeken ?? 21.45 Uhr: An der Hafenprome­nade sind noch Menschen unterwegs. Verblüffen­d ist, dass dieser Ort nur zehn Minuten später fast menschenle­er ist.
BILD: Torsten von Reeken 21.45 Uhr: An der Hafenprome­nade sind noch Menschen unterwegs. Verblüffen­d ist, dass dieser Ort nur zehn Minuten später fast menschenle­er ist.
 ?? BILD: von Reeken ?? Auf dem Waffenplat­z (von links): Polizeikom­missarin Annica Wolf und Polizeikom­missar Simon Koopmann
BILD: von Reeken Auf dem Waffenplat­z (von links): Polizeikom­missarin Annica Wolf und Polizeikom­missar Simon Koopmann
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BILD: Torsten von Reeken 21.30 Uhr: Auf dem Supermarkt­parkplatz in Donnerschw­ee herrscht noch reger Betrieb.
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BILD: von Reeken 22.42 Uhr: Nichts los in der Mottenstra­ße
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BILD: Nils Hannes Klotz Celina Deeken-Wulsch und Eva-Maria Jeschke
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BILD: Nils Hannes Klotz Ina Panzer und Mathijs Dien
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BILD: Nils Hannes Klotz Taxifahrer Mehmet Karamann
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BILD: Nils Hannes Klotz Erik Brandt

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