Hektik und Mobbing bei Impf-Hotline?
Ehemalige Mitarbeiterin im Delmenhorster Callcenter berichtet – Majorel weist Kritik zurück
Delmenhorst/Oldenburg – Fehlerhafte Terminvergabe, Software-Probleme, verspätete Impfeinladungen: Seit Beginn der Impfkampagne in Niedersachsen reiht sich Panne an Panne bei der Hotline des Landes. „Dort herrscht das reinste Chaos“, sagt eine ehemalige Mitarbeiterin. Sie hat in einem Callcenter der Firma Majorel in Delmenhorst gearbeitet. Majorel betreibt als Dienstleister für das Land Niedersachsen das Corona-Impfmanagement.
■ Keine Zeit für Kunden
Majorel rühme sich, knapp 800 Mitarbeiter in der Hotline zu beschäftigen. Aber die wenigsten würden vernünftig ausgebildet, behauptet die 57Jährige aus Oldenburg, die ihren Namen öffentlich nicht nennen möchte. Sie hatte Mitte März ihre Arbeit im Delmenhorster Callcenter aufgenommen. Für die Einarbeitung sei kaum Zeit gewesen. Das gelte auch für das Gespräch mit den Impfwilligen. Es dürfe nicht länger als zwei bis drei Minuten dauern, berichtet die Ex-Mitarbeiterin.
Die Folge: Immer wieder komme es bei der Dateneingabe zu Problemen. Nicht nur
Mitarbeitern mit Migrationshintergrund falle die Eingabe schwer. Gerade ältere Anrufer seien oft schwer zu verstehen. Oft beschweren sich Nutzer der Hotline über die lange Wartezeit oder erzählen ihre Krankengeschichte. „Wenn die Kunden Fragen zum Impfen stellten, haben wir uns manche Antworten ausgedacht“, berichtet die Oldenburgerin.
Sie habe ja nicht jedes Mal die Teamleitung fragen können.
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„Zeitdruck ist hoch“
Weil der Zeitdruck so hoch sei, bleibe kaum Zeit, die telefonisch übermittelten Daten abzugleichen. So sei auch zu erklären, dass Bürger ihren Impftermin verspätet oder gar nicht erhalten haben, sagt die
Ex-Mitarbeiterin. Zudem gebe es Verstöße gegen den Datenschutz. Wenn die Fenster im Delmenhorster Callcenter offenstehen, könne jeder Passant auf der Straße mithören.
Kritik wurde nach Angaben der 57-Jährigen systematisch unterbunden. Die Teamleiter würden Mitarbeiterinnen regelmäßig anschreien. Überdies beklagt die Oldenburgerin systematisches Mobbing. Als sie für den Wechsel ins Homeoffice ein Notebook erhalten habe, sei ihr das nur kurz und ohne Nennung der fünf Passwörter erklärt worden. Und als die Oldenburgerin eine alte Dame minutenlang am Telefon beruhigte, erhielt sie eine Abmahnung.
■ Das sagt Majorel
Majorel bestreitet die Vorwürfe. Alle Mitarbeiter würden auf ihre Tätigkeit in der Impf-Hotline ausführlich vorbereitet, sagt Sprecherin Jana Gmelin. Sie erhielten eine inhaltliche Schulung zum Thema Covid19-Impfung und ein „Konfliktmanagement-Training“zum Umgang mit verärgerten Bürgern. Für die Aufnahme der Daten könnten sie sich „so viel Zeit nehmen, wie sie brauchen“. Um Fehler bei Adressdaten und Dubletten zu vermeiden, gebe es Stichproben. Die Datenschutzregeln würden von Majorel strikt eingehalten. Dritte hätten keine Möglichkeit, die Aufnahme der Daten zu verfolgen. Fälle von Mobbing sind der Majorel-Sprecherin nicht bekannt.
Für die 57-jährige Oldenburgerin, die zuvor in einem Einzelhandelsgeschäft tätig war, hat sich das Thema ImpfHotline erledigt. Sie hat ihren Job bei Majorel gekündigt.