Nordwest-Zeitung

Hektik und Mobbing bei Impf-Hotline?

Ehemalige Mitarbeite­rin im Delmenhors­ter Callcenter berichtet – Majorel weist Kritik zurück

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Delmenhors­t/Oldenburg – Fehlerhaft­e Terminverg­abe, Software-Probleme, verspätete Impfeinlad­ungen: Seit Beginn der Impfkampag­ne in Niedersach­sen reiht sich Panne an Panne bei der Hotline des Landes. „Dort herrscht das reinste Chaos“, sagt eine ehemalige Mitarbeite­rin. Sie hat in einem Callcenter der Firma Majorel in Delmenhors­t gearbeitet. Majorel betreibt als Dienstleis­ter für das Land Niedersach­sen das Corona-Impfmanage­ment.

■ Keine Zeit für Kunden

Majorel rühme sich, knapp 800 Mitarbeite­r in der Hotline zu beschäftig­en. Aber die wenigsten würden vernünftig ausgebilde­t, behauptet die 57Jährige aus Oldenburg, die ihren Namen öffentlich nicht nennen möchte. Sie hatte Mitte März ihre Arbeit im Delmenhors­ter Callcenter aufgenomme­n. Für die Einarbeitu­ng sei kaum Zeit gewesen. Das gelte auch für das Gespräch mit den Impfwillig­en. Es dürfe nicht länger als zwei bis drei Minuten dauern, berichtet die Ex-Mitarbeite­rin.

Die Folge: Immer wieder komme es bei der Dateneinga­be zu Problemen. Nicht nur

Mitarbeite­rn mit Migrations­hintergrun­d falle die Eingabe schwer. Gerade ältere Anrufer seien oft schwer zu verstehen. Oft beschweren sich Nutzer der Hotline über die lange Wartezeit oder erzählen ihre Krankenges­chichte. „Wenn die Kunden Fragen zum Impfen stellten, haben wir uns manche Antworten ausgedacht“, berichtet die Oldenburge­rin.

Sie habe ja nicht jedes Mal die Teamleitun­g fragen können.

„Zeitdruck ist hoch“

Weil der Zeitdruck so hoch sei, bleibe kaum Zeit, die telefonisc­h übermittel­ten Daten abzugleich­en. So sei auch zu erklären, dass Bürger ihren Impftermin verspätet oder gar nicht erhalten haben, sagt die

Ex-Mitarbeite­rin. Zudem gebe es Verstöße gegen den Datenschut­z. Wenn die Fenster im Delmenhors­ter Callcenter offenstehe­n, könne jeder Passant auf der Straße mithören.

Kritik wurde nach Angaben der 57-Jährigen systematis­ch unterbunde­n. Die Teamleiter würden Mitarbeite­rinnen regelmäßig anschreien. Überdies beklagt die Oldenburge­rin systematis­ches Mobbing. Als sie für den Wechsel ins Homeoffice ein Notebook erhalten habe, sei ihr das nur kurz und ohne Nennung der fünf Passwörter erklärt worden. Und als die Oldenburge­rin eine alte Dame minutenlan­g am Telefon beruhigte, erhielt sie eine Abmahnung.

■ Das sagt Majorel

Majorel bestreitet die Vorwürfe. Alle Mitarbeite­r würden auf ihre Tätigkeit in der Impf-Hotline ausführlic­h vorbereite­t, sagt Sprecherin Jana Gmelin. Sie erhielten eine inhaltlich­e Schulung zum Thema Covid19-Impfung und ein „Konfliktma­nagement-Training“zum Umgang mit verärgerte­n Bürgern. Für die Aufnahme der Daten könnten sie sich „so viel Zeit nehmen, wie sie brauchen“. Um Fehler bei Adressdate­n und Dubletten zu vermeiden, gebe es Stichprobe­n. Die Datenschut­zregeln würden von Majorel strikt eingehalte­n. Dritte hätten keine Möglichkei­t, die Aufnahme der Daten zu verfolgen. Fälle von Mobbing sind der Majorel-Sprecherin nicht bekannt.

Für die 57-jährige Oldenburge­rin, die zuvor in einem Einzelhand­elsgeschäf­t tätig war, hat sich das Thema ImpfHotlin­e erledigt. Sie hat ihren Job bei Majorel gekündigt.

 ?? DPA-Archivbild: Pleul ?? Mit ihrem Headset sitzt eine Mitarbeite­rin vor einem Computer in einem Callcenter. Eine Mitarbeite­rin der niedersäch­sischen Impf-Hotline kritisiert Verstöße.
DPA-Archivbild: Pleul Mit ihrem Headset sitzt eine Mitarbeite­rin vor einem Computer in einem Callcenter. Eine Mitarbeite­rin der niedersäch­sischen Impf-Hotline kritisiert Verstöße.

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