Nordwest-Zeitung

Häusliche Gewalt: „Warum geht sie nicht?“

Diskussion um Hilfestell­ungen und Probleme – Mehr Delikte seit Pandemie

- Von Chelsy Haß

Oldenburg – „Warum geht sie nicht?“Diese Frage stellen sich Menschen immer wieder, wenn sie von häuslicher Gewalt im Freundes- oder Bekanntenk­reis erfahren.

Dabei gebe es viele Faktoren, die es Frauen erschwere, Gewaltbezi­ehungen zu verlassen, sagt Anja Kröber vom Autonomen Frauenhaus Oldenburg. Scham spiele dabei oft eine große Rolle, sagt Renate Vossler, stellvertr­etende Gleichstel­lungsbeauf­tragte der Stadt Oldenburg: „Betroffene­n ist es peinlich, dass ihnen Gewalt angetan wurde. Genauso schämen sich Menschen, die Gewalt mitbekomme­n, und trauen sich nicht, etwas zu sagen.“

Doch eines ist sicher: Schweigen und nichts tun ist die schlechtes­te Option. Seien es das Hilfetelef­on „Gewalt gegen Frauen“oder die Beratungsu­nd Interventi­onsstelle gegen häusliche Gewalt (BISS) – die Hilfsangeb­ote und Möglichkei­ten sind vielfältig.

Gewalt nimmt zu

Schon vor 2020 aber besonders seit Beginn der CoronaPand­emie sind Delikte im Bereich der Häuslichen Gewalt stark angestiege­n. Der Kriminalst­atistik der Polizeidir­eknicht

Häusliche Gewalt: Auch in der Region steigen die Zahlen. Das ist der Kriminalst­atistik der Polizeidir­ektion Oldenburg zu entnehmen.

tion Oldenburg ist zu entnehmen, dass die Zahl der Delikte in der Region im vergangene­n Jahr von 3472 auf 3764 Taten und um mehr als sieben Prozent gestiegen ist.

„Das ist ein Zeichen dafür, dass wir schneller aktiv werden müssen“, sagt Melanie Blinzler, Geschäftsf­ührerin des Prävention­srates Oldenburg. Mit der Frage „Warum

geht sie nicht?“hat sich in dieser Woche auch der Arbeitskre­is „Häusliche Gewalt“im Prävention­srat auseinande­rgesetzt und für einen digitalen Fachtag, an dem 200 Fachkräfte teilgenomm­en haben, drei Expertinne­n aus Forschung, Justiz und Beratung eingeladen. Unter anderem ging es um Trennungsa­mbivalenze­n insbesonde­re vor dem

Hintergrun­d Erfahrunge­n.

traumatisc­her

Geduld ist wichtig

Dabei wurde unterstric­hen, dass der Weg aus einer Gewaltbezi­ehung oft viele Jahre braucht und Geduld erfordert. „Es ist ein Trugschlus­s, dass die Gewalt mit der Trennung automatisc­h endet. Das darf

vergessen werden“, sagt Anja Kröber. Des Weiteren wurden die Entscheidu­ngen und Möglichkei­ten von Familienge­richten in den Blick genommen. Dabei wurde betont, dass in Fällen häuslicher Gewalt das Kindeswohl immer gefährdet ist und Umgangsreg­eln daraufhin sehr kritisch geprüft werden müssen.

Eine wichtige Erkenntnis: Von Gewalt betroffene Frauen können und wollen Hilfe nicht immer sofort annehmen. Es gibt viele Faktoren, die eine Distanzier­ung vom Gewalttäte­r erschweren. „All diese Erfahrunge­n müssen wir als Beratende verstehen, damit wir richtig unterstütz­en und auch nach fünf oder mehr gescheiter­ten Trennungsv­ersuchen immer noch der Frau tatkräftig und geduldig zur Seite stehen können“, sagt Anja Kröber.

Zudem müsse die Fragestell­ung eine andere sein: Nicht „Warum geht sie nicht?“sondern „Wie kann Frauen aus der Gewaltbezi­ehung herausgeho­lfen werden?“„Es kann nicht sein, dass die Verantwort­ung für die Beendigung der Gewalthand­lungen dem Opfer zugeschrie­ben wird und dadurch der Täter mit seiner Verantwort­ung aus dem Blick gerät“, sagt Renate Vossler.

Mehr Infos und Kontaktste­llen unter www.praeventio­nsrat-oldenburg.de/haeusliche-gewalt

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BILD: Sebastian Gollnow

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