Irrtum: „Bäume müssen geschnitten werden“
Bäume beherrschen die Selbstregulierung – Anpassung an urbanen Raum
Immer wieder bekommen wir zu hören „Gut, dass endlich mal wieder jemand den Baum schneidet. Der wurde schon ewig nicht mehr geschnitten!“Der Irrglaube, dass der Baum einen Schnitt benötigt, um vitaler zu werden, kranke Äste loszuwerden oder um ihn „anzuregen“ist weit verbreitet.
Aber Bäume beherrschen die Selbstregulierung in Perfektion. Sie haben sich in den etwa 300 Millionen Jahren ihrer Evolution perfekt an ihre Lebensräume angepasst. Die größte Gefahr für den Baum sind die holzzersetzenden Pilze sowie die Auswirkungen des Menschen im urbanen Bereich mit Grabungen, Bodenverdichtungen und anderem.
Effektiver Pilzschutz
Mit ihrer schützenden Borke haben die Bäume einen sehr effektiven Pilzschutz entwickelt. Schafft es ein Pilz durch eine Verletzung der Borke in den Baum zu gelangen, setzt ein ausgeklügeltes und hochkomplexes Abwehrsystem ein. Der Baum schottet sich von innen heraus ab und versucht zeitgleich die Verletzung von außen durch die Bildung von Wundholz zu „überwallen“. Auch bei lang ausladenden Ästen oder sogar
Schiefstand von Bäumen ist in der Regel kein Schnitt notwendig. Denn der Baum kann mit der Bildung von Reaktionsholz auf Veränderungen oder Schäden reagieren.
Bäume brauchen uns Menschen nicht, sie brauchen keinen „Schnitt“. Bäume können uralt werden, ohne dass sie jemals geschnitten wurden. In der Regel richten wir Menschen mit dem Baumschnitt sogar eher Schaden an. Denn jeder Schnitt verursacht eine Verletzung, die als Eintrittspforte für Pilze dient. Zudem benötigt der Baum für den Prozess der Abschottung und für das Überwallen der Schnitte viel Energie.
Verkehrssicherheit
Wieso werden Bäume denn so häufig geschnitten, fragt man sich nun. Dazu sollte man wissen, dass Baumeigentümer verpflichtet sind, ihre Bäume verkehrssicher zu halten. Das bedeutet, dass bei Gefahren für die Öffentlichkeit durch z.B. tote oder lose bzw. angerissene Äste in der Krone, Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diese zu entfernen. Auch wenn Äste in den öffentlichen Verkehrsraum ragen, muss der sogenannte „Lichtraum“eingehalten werden.
Bäume werden also geschnitten, um sie unseren Bedürfnissen anzupassen. Um dem Baum dabei möglichst wenig zu schaden, bedarf es eines breiten Wissens um Baumbiologie und Baumverständnis seitens der Baumpfleger. Gute Baumpflege zeichnet sich durch einige der folgenden Aspekte aus:
■ Grundsätzlich sollte angestrebt werden, größere Schnittmaßnahmen (z.B. Kroneneinkürzungen) im Sommer durchzuführen.
■ Statt eines großen Schnittes sollten lieber mehrere kleine Schnitte gemacht werden.
■ Der Schnittdurchmesser sollte je nach Baumart maximal 5-10 Zentimeter betragen.
■ An der Schnittstelle sollte immer ein Versorgungsast stehen gelassen werden.
■ Muss ein Ast komplett entfernt werden, so ist immer auf Astring zu schneiden.
■ Es sollte möglichst wenig geschnitten werden und wenn möglich, den Schnitt auf mehrere Jahre verteilen.
■ Der wichtigste Schnitt findet in der Jungbaumpflege statt. Ist er fachgerecht durchgeführt, erhält man langfristig verkehrssichere Bäume, die im Alter keine größeren Schnittmaßnahmen benötigen.
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