Was die Corona-Pandemie mit den Schülern gemacht hat
Gastbeitrag eines Jugendlichen vom Gymnasium Westerstede – Gibt es jetzt nichts Wichtigeres als Lernstoff?
Ammerland – Corona und dass vieles schlecht ist, ist mittlerweile Alltag. Einen Tag nach dem anderen in den eigenen vier Wänden auf einem Stuhl zu sitzen, an Nacken- oder Rückenschmerzen zu leiden und brav seine Aufgaben zu machen, ist mittlerweile auch Alltag. Wir sind nicht mehr wütend. Wir sind einfach nur noch müde.
Verlust der Jugend
Diese Pandemie trifft so viele Menschen so bitter schwer. Wir sind da mit Sicherheit nicht die Einzigen und uns trifft es mit Sicherheit auch nicht am schlimmsten. Aber wir Schüler verlieren sehenden Auges unsere Jugend an diese Pandemie und müssen im Gegenzug fleißig sein und unsere Schulaufgaben machen.
Wir wussten es schon vor Kurzem, zu Zeiten der großen Fridays-for-Future-Demonstrationen, und wir wissen es auch jetzt: Manchmal gibt es im Leben wichtigere Dinge als
Wasserstoffbrückenbindungen kennenzulernen, das Skalarprodukt zu berechnen oder in Englisch einen Essay aus der Sicht der Autorin zu ihrer eigenen Wortwahl in einem über zweihundert Jahre alten Buch zu schreiben.
„business as usual“
Während man sich nicht zu dritt treffen darf, seine Mannschaft, seinen Verein seit mindestens einem halben Jahr nicht mehr gesehen hat und rings um uns herum Menschen von einem hochinfektiösen Virus globalen Ausmaßes getötet werden, ist also in
Schule „business as usual“.
Jede Hausaufgabe, die man abgibt, wird bewertet. Abgaben nach der Abgabefrist werden verwarnt und von den Lehrern mitunter schlechter bewertet. Präsentationen müssen gehalten werden, egal ob online oder nicht.
Gleichzeitig konnten alle Schüler des 11. bis 13. Jahrgangs am Gymnasium Westerstede bereits im Frühjahr an einer Umfrage der Uni Oldenburg bezüglich ihres geistigen und körperlichen Wohlbefindens teilnehmen. Dieser Umstand bedarf keines Kommentars.
Was spräche dagegen, alle Kinder, Jugendlichen und Studenten ein Jahr länger in ihrem jeweiligen Jahrgang zu lassen? Egal ob Kindergarten, Schule oder Universität? Dass sie ein Jahr ihrer Arbeitszeit „verlieren“?
Keine Generation vor uns hat in diesem und in großen Teilen des letzten Jahrhunderts länger gearbeitet, als wir es werden.
Die Kinder angesichts einer „Jahrhundertkrise“ein Jahr vom traditionellen Unterricht zu befreien, wäre ja unangemessen. Na klar.
Spielraum nutzen
Und wenn das tatsächlich keine Option ist, sehr geehrte Lehrer, wieso machen Sie nicht stärker Gebrauch von Ihrer pädagogischen Ermesder sensfreiheit und benoten jeden, der sich weiterhin halbwegs Mühe gibt, vor dem Eindruck der Umstände mindestens so gut wie im letzten Halbjahr?
Vermutlich behält Bundesgesundheitsminister Jens Spahn damit recht, dass wir in diesem Marathon bereits bei Kilometer 38 angelangt sind. Jetzt aufzuhören, ist keine Option. Der rettende Impfstoff für jeden naht bereits Ende Sommer.
Doch ich werde nicht vergessen, dass Deutschland bei der Bewältigung dieser Pandemie strukturell versagt hat und sich dabei verhielt wie die spielenden Musiker auf der sinkenden Titanic.