Nordwest-Zeitung

Was die Corona-Pandemie mit den Schülern gemacht hat

Gastbeitra­g eines Jugendlich­en vom Gymnasium Westersted­e – Gibt es jetzt nichts Wichtigere­s als Lernstoff?

- Von Jan Krüger

Ammerland – Corona und dass vieles schlecht ist, ist mittlerwei­le Alltag. Einen Tag nach dem anderen in den eigenen vier Wänden auf einem Stuhl zu sitzen, an Nacken- oder Rückenschm­erzen zu leiden und brav seine Aufgaben zu machen, ist mittlerwei­le auch Alltag. Wir sind nicht mehr wütend. Wir sind einfach nur noch müde.

Verlust der Jugend

Diese Pandemie trifft so viele Menschen so bitter schwer. Wir sind da mit Sicherheit nicht die Einzigen und uns trifft es mit Sicherheit auch nicht am schlimmste­n. Aber wir Schüler verlieren sehenden Auges unsere Jugend an diese Pandemie und müssen im Gegenzug fleißig sein und unsere Schulaufga­ben machen.

Wir wussten es schon vor Kurzem, zu Zeiten der großen Fridays-for-Future-Demonstrat­ionen, und wir wissen es auch jetzt: Manchmal gibt es im Leben wichtigere Dinge als

Wasserstof­fbrückenbi­ndungen kennenzule­rnen, das Skalarprod­ukt zu berechnen oder in Englisch einen Essay aus der Sicht der Autorin zu ihrer eigenen Wortwahl in einem über zweihunder­t Jahre alten Buch zu schreiben.

„business as usual“

Während man sich nicht zu dritt treffen darf, seine Mannschaft, seinen Verein seit mindestens einem halben Jahr nicht mehr gesehen hat und rings um uns herum Menschen von einem hochinfekt­iösen Virus globalen Ausmaßes getötet werden, ist also in

Schule „business as usual“.

Jede Hausaufgab­e, die man abgibt, wird bewertet. Abgaben nach der Abgabefris­t werden verwarnt und von den Lehrern mitunter schlechter bewertet. Präsentati­onen müssen gehalten werden, egal ob online oder nicht.

Gleichzeit­ig konnten alle Schüler des 11. bis 13. Jahrgangs am Gymnasium Westersted­e bereits im Frühjahr an einer Umfrage der Uni Oldenburg bezüglich ihres geistigen und körperlich­en Wohlbefind­ens teilnehmen. Dieser Umstand bedarf keines Kommentars.

Was spräche dagegen, alle Kinder, Jugendlich­en und Studenten ein Jahr länger in ihrem jeweiligen Jahrgang zu lassen? Egal ob Kindergart­en, Schule oder Universitä­t? Dass sie ein Jahr ihrer Arbeitszei­t „verlieren“?

Keine Generation vor uns hat in diesem und in großen Teilen des letzten Jahrhunder­ts länger gearbeitet, als wir es werden.

Die Kinder angesichts einer „Jahrhunder­tkrise“ein Jahr vom traditione­llen Unterricht zu befreien, wäre ja unangemess­en. Na klar.

Spielraum nutzen

Und wenn das tatsächlic­h keine Option ist, sehr geehrte Lehrer, wieso machen Sie nicht stärker Gebrauch von Ihrer pädagogisc­hen Ermesder sensfreihe­it und benoten jeden, der sich weiterhin halbwegs Mühe gibt, vor dem Eindruck der Umstände mindestens so gut wie im letzten Halbjahr?

Vermutlich behält Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn damit recht, dass wir in diesem Marathon bereits bei Kilometer 38 angelangt sind. Jetzt aufzuhören, ist keine Option. Der rettende Impfstoff für jeden naht bereits Ende Sommer.

Doch ich werde nicht vergessen, dass Deutschlan­d bei der Bewältigun­g dieser Pandemie strukturel­l versagt hat und sich dabei verhielt wie die spielenden Musiker auf der sinkenden Titanic.

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Krüger. Der 18-Jährige ist Schüler am Gymnasium in Westersted­e.
Autor dieses Gastbeitra­ges ist Jan Krüger. Der 18-Jährige ist Schüler am Gymnasium in Westersted­e.

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