Nordwest-Zeitung

Appell für mehr Politikunt­erricht in der Schule

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An diesem Montag finden die Abiturprüf­ungen im Fach Politik-Wirtschaft statt – auch ich bin als Leistungsk­ursler dabei. Für mich ist dieser Moment ein Anlass zurückzusc­hauen und für mehr Politikunt­erricht in Niedersach­sen zu werben, denn ich verdanke diesem Fach sehr viel.

Der Beginn des Politikunt­errichts in der achten Klasse war für mich wahrschein­lich die Rettung auf dem Gymnasium, denn, so ehrlich möchte ich mit mir selbst sein, es war für mich keine Seltenheit, etwa in der siebten Klasse in Latein nicht die besten Leistungen zu erbringen. Doch der Politik-Wirtschaft­sunterrich­t änderte das, denn aus Zwischenru­fen und Kommentare­n wurden vernünftig­e Meldungen und Meinungsbe­iträge. Statt mit dem Sitznachba­rn zu quatschen, diskutiert­e man auf einmal.

Jetzt werden viele sagen: ,,Politik, das ist doch nur ein Laberfach!” Richtig, und genau das finde ich gut daran. Ich war nie derjenige, der die ,,Zuhörfäche­r” im Frontalunt­erricht gerne verfolgte. Diskussion­en, der Kampf um das beste Argument, das war meine Motivation im Politikunt­erricht, später in der Oberstufe und jetzt in der Freizeit.

Doch in Niedersach­sen ist Politik-Wirtschaft ein benachteil­igtes Fach, es wird geradezu diskrimini­ert. An den Gymnasien wird Politik-Wirtschaft ab Klasse acht unterricht­et, andere Gesellscha­ftswissens­chaften wie Geschichte schon ab Klasse fünf. Dabei kann mir keiner ernsthaft erzählen, dass Fünftkläss­ler das Ägypten der Pharaonen besser verstehen als die Frage, ob man mehr Radwege in seiner Kommune braucht. Zumal Letzteres den der Schüler, etwa den Schulweg, beeinfluss­t.

Noch deutlicher wird es, wenn man sich die Schülerver­tretungen ansieht. Als ich selbst Schülerspr­echer war, habe ich immer wieder gesehen, dass die jüngeren Jahrgänge viele Ideen zur Gestaltung des schulische­n Zusammenle­bens haben. Allerdings trauen sie sich kaum, im Schülerrat ihre Meinung kundzutun. Liegt das wirklich an den furchteinf­lößenden Abiturient­en, die das Gremium leiten oder daran, dass ihre Meinungen und Diskussion­sbereitsch­aft ansonsten in der Schule kaum gefragt sind und erst spät gefördert werden?

Als in der achten Klasse der Politik-Wirtschaft­sunterrich­t startete, fragte uns unser Lehrer: ,,Was ist Politik?“Es gab viele Ideen, seine Antwort auf die Frage war: ,,Politik ist das, was du daraus machst.“Für mich persönlich ist heute alles Politik. Mit dem Auto oder mit der Bahn fahren? Konvention­elles Obst oder Bio-Obst? Diesen Kommentar schreiben oder nicht? All das sind für mich politische Fragen. Ob ich nun ein ,,mündiger Staatsbürg­er“bin? Keine Ahnung.

Ich weiß jedoch darum, wie wichtig es ist, Prozesse zu beobachten, Pro- und Contra-Argumente abzuwägen und mir eine Meinung darüber zu bilAlltag den. Es hilft mir im Alltag, anderen zuzuhören und mir selbst Gehör zu verschaffe­n. Wir müssen nicht gleich alle zum Homo Politicus werden, doch denke ich, dass Schüler schon ab der fünften Klasse die Gelegenhei­t bekommen sollten, ihre Kommunikat­ionsund Partizipat­ionsfähigk­eiten zu nutzen.

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Patrick Marquardt. Autor dieses Beitrages ist der 19 Jahre alte Schüler

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