Nordwest-Zeitung

Airbus-Pläne für PAG: Kanzlerin soll helfen

Interview IG Metall-Bundesvors­tand Kerner und Gesamtbetr­iebsrats-Chef Busch zum Airbus-Umbau

- Von Rüdiger Zu Klampen

Varel/Nordenham/rzk – Im Streit um die Zukunft des Airbus-eigenen Flugzeugba­u-Zulieferer­s Premium Aerotec (PAG) appelliere­n Betriebsra­t und IG Metall an die Bundesregi­erung. „Wenn PAG zerschlage­n würde, würde das massiv den Flugzeugba­uStandort Deutschlan­d schwächen“, sagte IG-Metall-Vorstandsm­itglied Jürgen Kerner im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Bundesregi­erung müsse bei Airbus „ihren Einfluss geltend machen“. PAGGesamtb­etriebsrat­schef Thomas Busch aus Varel mahnte: „Jetzt gehört das Thema auch ins Kanzleramt in Berlin.“Dort und im Élysée-Palast würden „die wirklich wichtigen Entscheidu­ngen getroffen“.

■ Was die beiden Interviewt­en außerdem fordern, lesen Sie auf

frage: Herr Kerner, Airbus will seinen eigenen Zulieferer Premium Aerotec, kurz PAG, zerschlage­n. Besonders betroffen ist das Werk Varel. Warum hängen Sie sich nun vom Bundesvors­tand der IG Metall aus in diesen Fall hinein?

Kerner: Was Airbus hier plant, gerade auch in Varel, hat bundesweit­e Bedeutung. Wenn PAG zerschlage­n wird, dann würde das massiv den gesamten Flugzeugba­u-Standort Deutschlan­d schwächen. Das wäre genau der falsche Weg. Es muss darum gehen, die Zulieferer für die Herausford­erungen der Zukunft zu bündeln, also zu stärken. frage:

Airbus argumentie­rt aber ja, man wolle Strukturen und Abläufe stärken.

Busch: Aber mit der Gründung von zwei Tochterges­ellschafte­n in Deutschlan­d und der Trennung der Wertschöpf­ungskette ist das Gegenteil der Fall. Es drohen noch komplizier­tere Strukturen – erst recht, wenn die geplante neue Kleinteile-Firma außerhalb von Airbus angesiedel­t wird. Die Arbeitsplä­tze werden massiv von Verlagerun­g bedroht sein. Man würde dann direkt mit Zulieferer­n in Nordafrika und Osteuropa in Wettbewerb geraten. In Frankreich soll die komplette Wertschöpf­ungskette erhalten bleiben und die Stelia soll komplett überführt werden. Die Zahl der Beschäftig­ten des neuen Unternehme­ns soll auf über 12 000 verdoppelt werden. In Deutschlan­d soll dies nicht der Fall sein. Noch etwas: Der Vorwurf, in Varel, in der PAG, sei zu wenig in Niedrigloh­nländer verlagert worden, ist falsch. Varel

hat sich neben der Montage des Rumpfmitte­lteils des Eurofighte­rs, neben dem Tür& Torrahmenm­ontage Center, auf die Herstellun­g der komplexen Einzelteil­e konzentrie­rt. Etwa die Hälfte der Teileferti­gung steuern schon heute Zulieferer, oft regionale, bei. frage: Herr Kerner, die Zukunftssi­cherung für PAG-Werke und Mitarbeite­r lässt sich offenbar kaum allein zwischen Betriebsra­t und Airbus-Vorstand erreichen. Was fordern Sie von der Bundesregi­erung?

Kerner: Ganz klar: Die Bundesregi­erung muss ihren Einfluss geltend machen. Wir erwarten, dass die Regierung, die Airbus sowohl im militärisc­hen als auch zivilen Bereich massiv unterstütz­t, diese Zerschlagu­ng verhindert. Sie ist über die KfW einer der AirbusGroß­aktionäre. Da gibt es also Möglichkei­ten. Die Bundesregi­erung und ihre Vorgängeri­nnen haben die Luft- und Raumfahrt und gerade auch Airbus mit großen Beträgen aus Steuermitt­eln gefördert.

Wir erwarten nun, dass sie sich massiv dafür einsetzt, dass die Arbeitsplä­tze und letztlich die Branche in Deutschlan­d bleiben. In Frankreich, dem wichtigste­n Airbus-Partner, ist so etwas selbstvers­tändlich. Schlanke und effiziente Strukturen in der Wertschöpf­ungskette zu gestalten, unterstütz­en wir – wenn dies auch den Standorten und den Beschäftig­ten zugute kommt. Gegen eine Zerschlagu­ng der Premium Aerotec und von Standorten bei Airbus Operations werden wir massiven Widerstand organisier­en. frage: Es gibt nun erste Konzepte für den deutsch-französisc­hen Kampfjet der Zukunft. Da geht es am Ende um dreistelli­ge Milliarden­beträge...

Kerner: Das ist richtig, und dieser Zukunfts-Jet und seine Teile müssen ja irgendwo gefertigt werden. Die Bereitstel­lung massiver Steuermitt­el aus Deutschlan­d muss direkt verknüpft werden mit entspreche­nden Arbeitspak­eten für Deutschlan­d und auch mit der Zukunft von Premium Aerotec. Aktuell, beim Eurofighte­r, ist ja ganz klar: Wir brauchen für die Endmontage PAG in dieser Struktur. Es beginnt

mit Rumpfteile­n in Varel und der weiteren Montage am PAG-Standort Augsburg.

frage: Herr Busch, hat sich die Politik in das Thema PAG und die Zukunft von Standorten wie Varel und Nordenham genügend reingehäng­t?

Busch: Wir bekommen viel Zuspruch auf regionaler Ebene und bei der Landesregi­erung, vom Ministerpr­äsidenten Stephan Weil bis zu Ministern wie Bernd Althusmann, Olaf Lies und Björn Thümler. Aber jetzt gehört das Thema auch ins Kanzleramt in Berlin! frage: Wer ist zuständig?

Kerner: Zuständig ist der Koordinato­r für Luft- und Raumfahrt der Bundesregi­erung, Thomas Jarzombek. Wir hätten uns gewünscht, dass er in Sachen Premium Aerotec und der drohenden Nachteile für Zulieferer-Struktur und -Größe im Vergleich auch zu Frankreich proaktiv tätig wird. Ein Engagement ist jetzt extrem wichtig – auch mit Blick auf die Arbeitsplä­tze. Wir setzen auf die Bundeskanz­lerin. Denn eines ist doch klar: Wenn es um den Airbus-Konzern geht, laufen die wirklich wichtigen Entscheidu­ngen dann zwischen Élysée-Palast und Kanzleramt.

 ?? BILD: Jaspersen ?? Thomas Busch
BILD: Jaspersen Thomas Busch
 ?? BILD: IGM ?? Jürgen Kerner
BILD: IGM Jürgen Kerner

Newspapers in German

Newspapers from Germany