Airbus-Pläne für PAG: Kanzlerin soll helfen
Interview IG Metall-Bundesvorstand Kerner und Gesamtbetriebsrats-Chef Busch zum Airbus-Umbau
Varel/Nordenham/rzk – Im Streit um die Zukunft des Airbus-eigenen Flugzeugbau-Zulieferers Premium Aerotec (PAG) appellieren Betriebsrat und IG Metall an die Bundesregierung. „Wenn PAG zerschlagen würde, würde das massiv den FlugzeugbauStandort Deutschland schwächen“, sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Bundesregierung müsse bei Airbus „ihren Einfluss geltend machen“. PAGGesamtbetriebsratschef Thomas Busch aus Varel mahnte: „Jetzt gehört das Thema auch ins Kanzleramt in Berlin.“Dort und im Élysée-Palast würden „die wirklich wichtigen Entscheidungen getroffen“.
■ Was die beiden Interviewten außerdem fordern, lesen Sie auf
frage: Herr Kerner, Airbus will seinen eigenen Zulieferer Premium Aerotec, kurz PAG, zerschlagen. Besonders betroffen ist das Werk Varel. Warum hängen Sie sich nun vom Bundesvorstand der IG Metall aus in diesen Fall hinein?
Kerner: Was Airbus hier plant, gerade auch in Varel, hat bundesweite Bedeutung. Wenn PAG zerschlagen wird, dann würde das massiv den gesamten Flugzeugbau-Standort Deutschland schwächen. Das wäre genau der falsche Weg. Es muss darum gehen, die Zulieferer für die Herausforderungen der Zukunft zu bündeln, also zu stärken. frage:
Airbus argumentiert aber ja, man wolle Strukturen und Abläufe stärken.
Busch: Aber mit der Gründung von zwei Tochtergesellschaften in Deutschland und der Trennung der Wertschöpfungskette ist das Gegenteil der Fall. Es drohen noch kompliziertere Strukturen – erst recht, wenn die geplante neue Kleinteile-Firma außerhalb von Airbus angesiedelt wird. Die Arbeitsplätze werden massiv von Verlagerung bedroht sein. Man würde dann direkt mit Zulieferern in Nordafrika und Osteuropa in Wettbewerb geraten. In Frankreich soll die komplette Wertschöpfungskette erhalten bleiben und die Stelia soll komplett überführt werden. Die Zahl der Beschäftigten des neuen Unternehmens soll auf über 12 000 verdoppelt werden. In Deutschland soll dies nicht der Fall sein. Noch etwas: Der Vorwurf, in Varel, in der PAG, sei zu wenig in Niedriglohnländer verlagert worden, ist falsch. Varel
hat sich neben der Montage des Rumpfmittelteils des Eurofighters, neben dem Tür& Torrahmenmontage Center, auf die Herstellung der komplexen Einzelteile konzentriert. Etwa die Hälfte der Teilefertigung steuern schon heute Zulieferer, oft regionale, bei. frage: Herr Kerner, die Zukunftssicherung für PAG-Werke und Mitarbeiter lässt sich offenbar kaum allein zwischen Betriebsrat und Airbus-Vorstand erreichen. Was fordern Sie von der Bundesregierung?
Kerner: Ganz klar: Die Bundesregierung muss ihren Einfluss geltend machen. Wir erwarten, dass die Regierung, die Airbus sowohl im militärischen als auch zivilen Bereich massiv unterstützt, diese Zerschlagung verhindert. Sie ist über die KfW einer der AirbusGroßaktionäre. Da gibt es also Möglichkeiten. Die Bundesregierung und ihre Vorgängerinnen haben die Luft- und Raumfahrt und gerade auch Airbus mit großen Beträgen aus Steuermitteln gefördert.
Wir erwarten nun, dass sie sich massiv dafür einsetzt, dass die Arbeitsplätze und letztlich die Branche in Deutschland bleiben. In Frankreich, dem wichtigsten Airbus-Partner, ist so etwas selbstverständlich. Schlanke und effiziente Strukturen in der Wertschöpfungskette zu gestalten, unterstützen wir – wenn dies auch den Standorten und den Beschäftigten zugute kommt. Gegen eine Zerschlagung der Premium Aerotec und von Standorten bei Airbus Operations werden wir massiven Widerstand organisieren. frage: Es gibt nun erste Konzepte für den deutsch-französischen Kampfjet der Zukunft. Da geht es am Ende um dreistellige Milliardenbeträge...
Kerner: Das ist richtig, und dieser Zukunfts-Jet und seine Teile müssen ja irgendwo gefertigt werden. Die Bereitstellung massiver Steuermittel aus Deutschland muss direkt verknüpft werden mit entsprechenden Arbeitspaketen für Deutschland und auch mit der Zukunft von Premium Aerotec. Aktuell, beim Eurofighter, ist ja ganz klar: Wir brauchen für die Endmontage PAG in dieser Struktur. Es beginnt
mit Rumpfteilen in Varel und der weiteren Montage am PAG-Standort Augsburg.
frage: Herr Busch, hat sich die Politik in das Thema PAG und die Zukunft von Standorten wie Varel und Nordenham genügend reingehängt?
Busch: Wir bekommen viel Zuspruch auf regionaler Ebene und bei der Landesregierung, vom Ministerpräsidenten Stephan Weil bis zu Ministern wie Bernd Althusmann, Olaf Lies und Björn Thümler. Aber jetzt gehört das Thema auch ins Kanzleramt in Berlin! frage: Wer ist zuständig?
Kerner: Zuständig ist der Koordinator für Luft- und Raumfahrt der Bundesregierung, Thomas Jarzombek. Wir hätten uns gewünscht, dass er in Sachen Premium Aerotec und der drohenden Nachteile für Zulieferer-Struktur und -Größe im Vergleich auch zu Frankreich proaktiv tätig wird. Ein Engagement ist jetzt extrem wichtig – auch mit Blick auf die Arbeitsplätze. Wir setzen auf die Bundeskanzlerin. Denn eines ist doch klar: Wenn es um den Airbus-Konzern geht, laufen die wirklich wichtigen Entscheidungen dann zwischen Élysée-Palast und Kanzleramt.