Rettungsdienst-Reform löst Kritik aus
Warnung vor schlechterer Versorgung im Notfall – Leitstellen-Chef: Bedenken unbegründet
Oldenburg – Die Zahl der Notruf-Einsätze steigt von Jahr zu Jahr. Zunehmend handelt es sich um Fälle, die keinen Blaulicht-Einsatz erfordern. Damit die Notarzt- und Rettungsfahrzeuge für tatsächliche Notfälle frei bleiben, strukturiert die Großleitstelle Oldenburg ihre Einsatzplanung um.
„So weit so gut“, heißt es bei Rettungssanitätern und Notärzten. Aber das Maastrichter Modell, auf das sich die Umstrukturierung stützt, hat erhebliche Schwächen.
■ Standorte in Gefahr
„Im Landkreis Oldenburg sollen auf Basis des Maastrichter Modells zwei der derzeit drei Standorte für Notärzte abgebaut werden“, sagt Dr. Stefan Hübner, der seit mehr als 25 Jahren im Rettungsdienst als Notarzt und leitender Notarzt tätig ist. Die Folgen seien noch nicht genau abzusehen. „Aber wenn zwei Standorte fehlen, dürfte es schwer sein, die vereinbarten Eintreffzeiten immer einzuhalten.“
Die Folge: Bei einer Wiederbelebung, einem Herzinfarkt und Schlaganfall oder anderen zeitkritischen Einsätzen wie kindliche Notfälle oder schwere Traumata können wertvolle Minuten verloren gehen.
Der Landkreis Oldenburg belege im Deutschen Reanimationsregister in einem bundesweiten Vergleich einen der vordersten Plätze. „Es dürfte mit dem Maastricht Modell schwer werden, den zu halten“, sagt Hübner, seit 2008 Chefarzt der Anästhesie im Braker St.-Bernhard-Hospital.
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Sanitäter warnt
„Für die Bevölkerung ist das neue System eine Verschlechterung“, warnt auch Uwe Heiderich-Willmer. Der Notfallsanitäter arbeitet seit 38 Jahren im Notdienst und vertritt als Betriebsratsvorsitzender die Kolleginnen und Kollegen des Rettungsdienstes Ammerland. Vielfach seien Rettungswagen und Mehrzweckfahrzeuge in Rettungswachen zu NotfallKrankenwagen umgewidmet worden.
„Auf der Wache Edewecht zum Beispiel wurde von den bislang zwei Rettungswagen einer umgewidmet zum Notfall-Krankenwagen. „Der ist von Ausrüstung und Qualifizierung der Besatzung nicht mit einem Rettungswagen zu vergleichen“, sagt der 61-Jährige. Rettungssanitäter auf Notfall-Krankenwagen hätten lediglich eine vierwöchige Ausbildung und zusätzlich eine 40-Stunden-Fortbildung. Notfallsanitäter, die auf Rettungsfahrzeugen eingesetzt werden, müssten dagegen eine dreijährige Ausbildung absolvieren, sagt Heiderich-Willmer.
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Weniger Qualität
Die Einschnitte durch die Reform betreffen das Großleitstellengebiet unterschiedlich stark. „Im Landkreis Oldenburg sind vier Fahrzeuge auf der Basis eines Rettungswagen wegfallen und in zwei NotfallKrankenwagen und zwei Krankenwagen
umgewandelt worden“, sagt Dr. Hübner. „Das geht einher mit einer geringeren notfallmedizinischen Ausstattung und einer geringer qualifizierten personellen Besetzung. Hier ändert sich am meisten, hier ist die Unruhe entsprechend am größten.“
Eine Reduzierung der Notarzt-Standorte im Landkreis Oldenburg liegt derzeit auf Eis. Der Kreistag hat einen entsprechenden Beschluss vertagt. „Da passiert erst mal gar nichts“, sagt GroßleitstellenChef Frank Leenderts.
Neben der gestiegenen Erwartungshaltung der Bevölkerung belaste den Rettungsdienst die „suboptimale Nutzung des kassenärztlichen Notdienstes“, sagt Dr. Hübner. „Wir haben ein erstklassiges Versorgungssystem. Wenn wir das halten wollen, müssen wir es den Umständen anpassen – zum Beispiel durch Gemeindenotfallsanitäter – und entsprechend Geld in die Hand nehmen. Wenn wir sparen wollen, geht das auf Kosten der Qualität und damit zu Lasten der Bevölkerung.“