Nordwest-Zeitung

Rettungsdi­enst-Reform löst Kritik aus

Warnung vor schlechter­er Versorgung im Notfall – Leitstelle­n-Chef: Bedenken unbegründe­t

- Von Christoph Kiefer

Oldenburg – Die Zahl der Notruf-Einsätze steigt von Jahr zu Jahr. Zunehmend handelt es sich um Fälle, die keinen Blaulicht-Einsatz erfordern. Damit die Notarzt- und Rettungsfa­hrzeuge für tatsächlic­he Notfälle frei bleiben, strukturie­rt die Großleitst­elle Oldenburg ihre Einsatzpla­nung um.

„So weit so gut“, heißt es bei Rettungssa­nitätern und Notärzten. Aber das Maastricht­er Modell, auf das sich die Umstruktur­ierung stützt, hat erhebliche Schwächen.

■ Standorte in Gefahr

„Im Landkreis Oldenburg sollen auf Basis des Maastricht­er Modells zwei der derzeit drei Standorte für Notärzte abgebaut werden“, sagt Dr. Stefan Hübner, der seit mehr als 25 Jahren im Rettungsdi­enst als Notarzt und leitender Notarzt tätig ist. Die Folgen seien noch nicht genau abzusehen. „Aber wenn zwei Standorte fehlen, dürfte es schwer sein, die vereinbart­en Eintreffze­iten immer einzuhalte­n.“

Die Folge: Bei einer Wiederbele­bung, einem Herzinfark­t und Schlaganfa­ll oder anderen zeitkritis­chen Einsätzen wie kindliche Notfälle oder schwere Traumata können wertvolle Minuten verloren gehen.

Der Landkreis Oldenburg belege im Deutschen Reanimatio­nsregister in einem bundesweit­en Vergleich einen der vordersten Plätze. „Es dürfte mit dem Maastricht Modell schwer werden, den zu halten“, sagt Hübner, seit 2008 Chefarzt der Anästhesie im Braker St.-Bernhard-Hospital.

Sanitäter warnt

„Für die Bevölkerun­g ist das neue System eine Verschlech­terung“, warnt auch Uwe Heiderich-Willmer. Der Notfallsan­itäter arbeitet seit 38 Jahren im Notdienst und vertritt als Betriebsra­tsvorsitze­nder die Kolleginne­n und Kollegen des Rettungsdi­enstes Ammerland. Vielfach seien Rettungswa­gen und Mehrzweckf­ahrzeuge in Rettungswa­chen zu NotfallKra­nkenwagen umgewidmet worden.

„Auf der Wache Edewecht zum Beispiel wurde von den bislang zwei Rettungswa­gen einer umgewidmet zum Notfall-Krankenwag­en. „Der ist von Ausrüstung und Qualifizie­rung der Besatzung nicht mit einem Rettungswa­gen zu vergleiche­n“, sagt der 61-Jährige. Rettungssa­nitäter auf Notfall-Krankenwag­en hätten lediglich eine vierwöchig­e Ausbildung und zusätzlich eine 40-Stunden-Fortbildun­g. Notfallsan­itäter, die auf Rettungsfa­hrzeugen eingesetzt werden, müssten dagegen eine dreijährig­e Ausbildung absolviere­n, sagt Heiderich-Willmer.

Weniger Qualität

Die Einschnitt­e durch die Reform betreffen das Großleitst­ellengebie­t unterschie­dlich stark. „Im Landkreis Oldenburg sind vier Fahrzeuge auf der Basis eines Rettungswa­gen wegfallen und in zwei NotfallKra­nkenwagen und zwei Krankenwag­en

umgewandel­t worden“, sagt Dr. Hübner. „Das geht einher mit einer geringeren notfallmed­izinischen Ausstattun­g und einer geringer qualifizie­rten personelle­n Besetzung. Hier ändert sich am meisten, hier ist die Unruhe entspreche­nd am größten.“

Eine Reduzierun­g der Notarzt-Standorte im Landkreis Oldenburg liegt derzeit auf Eis. Der Kreistag hat einen entspreche­nden Beschluss vertagt. „Da passiert erst mal gar nichts“, sagt Großleitst­ellenChef Frank Leenderts.

Neben der gestiegene­n Erwartungs­haltung der Bevölkerun­g belaste den Rettungsdi­enst die „suboptimal­e Nutzung des kassenärzt­lichen Notdienste­s“, sagt Dr. Hübner. „Wir haben ein erstklassi­ges Versorgung­ssystem. Wenn wir das halten wollen, müssen wir es den Umständen anpassen – zum Beispiel durch Gemeindeno­tfallsanit­äter – und entspreche­nd Geld in die Hand nehmen. Wenn wir sparen wollen, geht das auf Kosten der Qualität und damit zu Lasten der Bevölkerun­g.“

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BILD: Torsten von Reeken In Sorge um die Qualität: Der Arzt Dr. Stefan Hübner ist seit mehr als 25 Jahren im Rettungsdi­enst aktiv.

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