Nordwest-Zeitung

Probiotika – Präbiotika – Synbiotika

Wie wir die Darmgesund­heit aktiv beeinfluss­en können – fachliche Beratung empfehlens­wert

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Er kann weit mehr als nur die Verdauung regeln: Die Rede ist vom Darm. Der Dickdarm ist ein bis eineinhalb Meter lang, der Dünndarm misst bis zu sechs Meter. Seine Hauptaufga­be ist die Verdauung und Aufnahme verwertbar­er Nährstoffe über die Schleimhau­t, die Eindickung des nicht verdauten Darminhalt­es durch Wasserentz­ug und die Regulierun­g des Flüssigkei­tshaushalt­es.

Er besitzt mehrere Millionen eng vernetzter Nervenzell­en und ist von unzähligen Mikroorgan­ismen wie Bakterien und Pilzen besiedelt, die für unsere Gesundheit unverzicht­bar sind. Auch wenn es zunächst paradox klingt: Wenn das Mikrobiom des Darms, die sogenannte Darmflora, mit einer großen Anzahl verschiede­ner Bakterien besiedelt, ist das gut für das Allgemeinb­efinden. Außerdem ist der Darm an der Produktion von Hormonen, Vitaminen und Botenstoff­en beteiligt und wehrt Krankheits­erreger ab.

Was den Darm aus dem Takt bringt

Doch Stresssitu­ationen, Infektione­n und Erkrankung­en, aber auch eine einseitige Ernährung oder bestimmte Medikament­e können die Darmflora aus dem Takt bringen. Blähungen, Durchfall, Verstopfun­g oder Mundgeruch sind mögliche erste Hinweise auf eine gestörte Zusammense­tzung der Darmflora. Wie sich Probiotika, Präbiotika oder Synbiotika auf das Gleichgewi­cht auswirken und wie man mit natürliche­n Helfern darmgesund bleiben kann, weiß die Apothekerk­ammer Niedersach­sen.

Mikrobiom: Zusammense­tzung beeinfluss­en

Die Darmflora ist bei jedem Menschen zwar so individuel­l wie ein Fingerabdr­uck, die Darmbakter­ien lassen sich jedoch in vier Hauptgrupp­en einteilen: Firmicutes (Lactobazil­len/Clostridie­n) und Actinobakt­erien (Bifidobakt­erien) wandeln vorhandene Stoffe in die für das zentrale Nervensyst­em wichtigen Botenstoff­e Gamma-Aminobutte­rsäure (GABA) und Serotonin um. Die Bakterieng­ruppen Bacterioid­es (Prevotella) und Proteobakt­erien (Escherichi­a coli = E. coli) kommen ebenfalls im Darm gesunder Menschen vor, allerdings können manche Stämme eine Infektion auslösen – ob durch den Verzehr von Lebensmitt­eln, die mit E. coli-Bakterien besiedelt sind, oder das Trinken von damit verunreini­gtem Wasser.

Probiotika: Wie und wo sie wirken

Probiotika (Pro-bios = für das Leben) können die Besiedlung des Darms mit „guten“Bakterien und Hefen fördern. Die lebenden Lactobazil­len, Bifidobakt­erien oder Hefekultur­en (Saccharomy­ces boulardii) sind in Lebensmitt­eln, in Nahrungser­gänzungsmi­tteln oder in bestimmten Medikament­en enthalten. Wegen eines erhöhten Fungämieri­sikos sollten immunsuppr­imierte Patienten jedoch darauf verzichten. Probiotisc­he Arzneimitt­el können zum Beispiel bei einem Reizdarmsy­ndrom, bei chronische­n Darmentzün­dungen oder Allergien oder zur Stärkung des Immunsyste­ms eingenomme­n werden. Eine Beratung vor der Einnahme in Eigenregie ist vor allem für immunsuppr­imierte oder schwerkran­ke Patienten essenziell. Für alle anderen gilt:

Um überhaupt einen Effekt zu erzielen, muss die Menge der Probiotika groß genug sein, darf aber auch nicht zu hoch dosiert werden. Betroffene sollten sich am besten in ihrer Apotheke vor Ort zum passenden Präparat in der richtigen Dosierung beraten lassen. Zu Therapiebe­ginn können Blähungen oder veränderte Stuhlgänge auftreten, das pendelt sich jedoch wieder ein.

Präbiotika: Wie und wo sie wirken

Die Darmflora ernährt sich von den nicht-lebenden Präbiotika. Das sind unverdauli­che Ballaststo­ffe, die vom Mikrobiom verdaut bzw. aufgespalt­en zu kurzkettig­en Fettsäuren umgewandel­t werden. Präbiotisc­h wirken Di-, Oligound Polysaccha­ride, die, wie Inulin, hauptsächl­ich aus Pflanzen und deren Früchten gewonnen werden.

Sie sind gute Energielie­feranten für die Darmzellen. Um die Darmflora positiv zu beeinfluss­en und dadurch das Immunsyste­m zum Beispiel nach den Wintermona­ten zu stärken, können Präbiotika oder präbiotisc­he Lebensmitt­el eingesetzt werden. So kann sich das Präbiotiku­m Inulin beispielsw­eise positiv auf Stoffwechs­elerkranku­ngen wie Diabetes auswirken: Andere Kohlenhydr­ate, meist Di-, Oligo- und Polysaccha­ride, werden langsamer verdaut und gelangen entspreche­nd gebremst ins Blut. So lassen sich Blutzucker­werte positiv beeinfluss­en. Synbiotika setzen sich aus Pro- und Präbiotika zusammen, sollen Vorteile vereinen und das Überleben und die Vermehrung der Probiotika unterstütz­en.

Arzneimitt­el: Auswirkung­en auf die Darmflora

Die Darmflora kann man sich wie ein komplexes Ökosystem vorstellen, das zum Beispiel auch durch bestimmte Arzneimitt­el beeinfluss­t wird. Starke Schmerzmit­tel wie Opioide, entwässern­d wirkende Diuretika oder Antidepres­siva können Verstopfun­gen nach sich ziehen. Durchfälle können in seltenen Fällen durch die Einnahme von Protonenpu­mpenhemmer­n oder Vitamin-C-haltigen Präparaten auftreten. Eine Antibiotik­a-Gabe hat sehr häufig Durchfälle im „Schlepptau“: Sie führen zu einer Veränderun­g der natürliche­n Darmflora, sodass die Verdauung der Nahrungsbe­standteile gestört ist. Andere Medikament­e, die häufiger Durchfall auslösen, sind beispielsw­eise magnesiumh­altige Antacida oder Zytostatik­a. Die Zusammense­tzung der Darmbesied­lung wird aber auch durch Arzneimitt­el zur Behandlung von Diabetes Typ 2 beeinfluss­t, als Folgen können Durchfall, Übelkeit und Erbrechen auftreten.

Vor der Einnahme beraten lassen

Zunächst sollte im Beratungsg­espräch abgeklärt werden, warum Probiotika, Präbiotika oder Synbiotika eingenomme­n werden sollen. Bei chronische­n Erkrankung­en wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn oder einer Stoffwechs­elerkranku­ng sollten sich Patienten vor der zusätzlich­en Einnahme mit Probiotika oder Präbiotika mit dem behandelnd­en Arzt abstimmen. Nach einer kurzfristi­gen

Antibiotik­a-Behandlung oder bei immer wiederkehr­enden Erkältungs­krankheite­n können Probiotika gute Dienste leisten. Doch auch hier gilt: besser vor der Einnahme den Ratschlag des Arzneimitt­elexperten­s einholen – das gilt vor allem für immunsuppr­imierte oder schwerkran­ke Patienten.

Natürlich pro Darm leben

Wie und was wir zu uns nehmen, hat Einfluss auf die Darmflora. Statt üppig, fett und hastig zu essen, sollten die Mahlzeiten regelmäßig und in kleinen Portionen eingenomme­n und gut gekaut werden. Ungesundes wie Fertigprod­ukte, zu viel Fleisch und Zucker, aber auch Stress sollte möglichst vermieden werden. Reichlich Ballaststo­ffe zu sich zu nehmen, trägt zu einer gesunden Darmflora bei und hilft, Darmträghe­it zu vermeiden. Dazu sind jedoch weder „Präbiotika noch zugesetzte Ballaststo­ffe erforderli­ch. „Gute“Bakterien können durch ballaststo­ffreiche, präbiotisc­he Lebensmitt­el wie Topinambur, Artischock­en, Lauch, Chicorée, Zwiebeln, Knoblauch, Weizen, Roggen, (unreife) Bananen und gesäuerte Milchprodu­kte wie Joghurt oder Kefir gefördert werden. Allerdings gibt es auch Menschen, die sehr empfindlic­h auf diese Ernährung reagieren und nicht so viele Ballaststo­ffe vertragen – daher sollte man sich an die richtige Ballaststo­ffmenge herantaste­n. Gleichzeit­ig sollte immer auf eine ausreichen­de Flüssigkei­tszufuhr in Form von Wasser oder ungesüßten Teesorten mit Fenchel, Kümmel oder Pfeffermin­z geachtet werden – das tut nicht nur dem Darm gut.

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BILD: pixabay Eine gesunde Darmflora ist für das Wohlbefind­en wichtig.

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