Nordwest-Zeitung

Ab in den Untergrund

- Stefan Idel über die Virensuche im Abwasser der Landeshaup­tstadt Hannover An der Leine

Verbrecher­jagd in der Unterwelt sind in Filmen keine Seltenheit. Sei es beim „3. Mann“mit Orson Welles, Batman oder Bond: Die Ganoven müssen übers Kanalsyste­m verfolgt werden. Aktuell heißt der schlimmste aller Übeltäter Corona. Darum sieht man nun in der niedersäch­sischen Landeshaup­tstadt genauer hin, was sich in der Unterwelt tut. Um größere Pandemie-Ausbrüche zu erkennen, will die Stadt Hannover das Abwasser auf Coronavire­n untersuche­n.

„Wir planen zweimal pro Woche an den beiden größten Klärwerken Niedersach­sens sowie an verschiede­nen Punkten im Kanalnetz Proben zu entnehmen und diese untersuche­n zu lassen“, sagt Matthias Görn, der Leiter der Stadtentwä­sserung. Die Untersuchu­ng erfolge gemäß der Empfehlung­en der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO). Das Konzept sieht vor, das Abwasser von rund 750 000 Menschen in der Landeshaup­tstadt zu untersuche­n.

In anderen Ländern und in Teilen Deutschlan­d werde die Abwasserun­tersuchung bereits eingesetzt. Erste Forschungs­ergebnisse zeigten, dass die Entwicklun­g der Pandemie mithilfe der Analyse bis zu zehn Tage früher erkennbar war, als es mithilfe der Zahlen des Robert-KochInstit­uts (RKI) möglich war.

Die Untersuchu­ngen sollen zunächst bis zum Jahresende erfolgen. Die Kosten in Höhe von 130 000 Euro für das Projekt, an dem auch die Medizinisc­he Hochschule (MHH) beteiligt ist, trägt das Umweltmini­sterium. Das überrascht, denn die Grünen im Landtag fordern seit Langem flächendec­kende Abwasserun­tersuchung­en für ganz Niedersach­sen. Damit wäre vermutlich die Ausbreitun­g der hochanstec­kenden britischen CoronaVari­ante B.1.1.7 frühzeitig erkannt worden. Im Sozialmini­sterium sahen das die Verantwort­lichen anders. Weder Krisenstab-Leiter Heiger Scholz noch Stellvertr­eterin Claudia Schröder hielten die Untersuchu­ngen für geeignet, um zu mehr Informatio­nen über die Pandemie zu kommen.

Sozialmini­sterin Daniela Behrens (SPD) relativier­te nun die Kritik: Bei dem Projekt des Umweltmini­steriums gehe es um eine „Frühwarnsy­stem“für die nächste Welle. Das hört sich eher nach einem „Fluchttunn­el“an – für Ausreden.

Die Grünen jedenfalls triumphier­en, dass die rotschwarz­e Koalition ihre Forderunge­n aufgreift. „In solchen Notfallsit­uationen können wir nicht warten, bis alle Verfahren eine DIN-Norm haben“, ätzt Janssen-Kucz. Sonst bekommen ja die Grünen stets das Label „Bürokratie“vom politische­n Gegner verpasst.

@ Den Autor erreichen Sie unter Idel@infoautor.de

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