Ab in den Untergrund
Verbrecherjagd in der Unterwelt sind in Filmen keine Seltenheit. Sei es beim „3. Mann“mit Orson Welles, Batman oder Bond: Die Ganoven müssen übers Kanalsystem verfolgt werden. Aktuell heißt der schlimmste aller Übeltäter Corona. Darum sieht man nun in der niedersächsischen Landeshauptstadt genauer hin, was sich in der Unterwelt tut. Um größere Pandemie-Ausbrüche zu erkennen, will die Stadt Hannover das Abwasser auf Coronaviren untersuchen.
„Wir planen zweimal pro Woche an den beiden größten Klärwerken Niedersachsens sowie an verschiedenen Punkten im Kanalnetz Proben zu entnehmen und diese untersuchen zu lassen“, sagt Matthias Görn, der Leiter der Stadtentwässerung. Die Untersuchung erfolge gemäß der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das Konzept sieht vor, das Abwasser von rund 750 000 Menschen in der Landeshauptstadt zu untersuchen.
In anderen Ländern und in Teilen Deutschland werde die Abwasseruntersuchung bereits eingesetzt. Erste Forschungsergebnisse zeigten, dass die Entwicklung der Pandemie mithilfe der Analyse bis zu zehn Tage früher erkennbar war, als es mithilfe der Zahlen des Robert-KochInstituts (RKI) möglich war.
Die Untersuchungen sollen zunächst bis zum Jahresende erfolgen. Die Kosten in Höhe von 130 000 Euro für das Projekt, an dem auch die Medizinische Hochschule (MHH) beteiligt ist, trägt das Umweltministerium. Das überrascht, denn die Grünen im Landtag fordern seit Langem flächendeckende Abwasseruntersuchungen für ganz Niedersachsen. Damit wäre vermutlich die Ausbreitung der hochansteckenden britischen CoronaVariante B.1.1.7 frühzeitig erkannt worden. Im Sozialministerium sahen das die Verantwortlichen anders. Weder Krisenstab-Leiter Heiger Scholz noch Stellvertreterin Claudia Schröder hielten die Untersuchungen für geeignet, um zu mehr Informationen über die Pandemie zu kommen.
Sozialministerin Daniela Behrens (SPD) relativierte nun die Kritik: Bei dem Projekt des Umweltministeriums gehe es um eine „Frühwarnsystem“für die nächste Welle. Das hört sich eher nach einem „Fluchttunnel“an – für Ausreden.
Die Grünen jedenfalls triumphieren, dass die rotschwarze Koalition ihre Forderungen aufgreift. „In solchen Notfallsituationen können wir nicht warten, bis alle Verfahren eine DIN-Norm haben“, ätzt Janssen-Kucz. Sonst bekommen ja die Grünen stets das Label „Bürokratie“vom politischen Gegner verpasst.
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