Nordwest-Zeitung

Alles muss raus: Sprache wird verramscht

Sehenswert­e Schau „Language for Sale“im Edith-Russ-Haus – Kim Schoen im Blickpunkt

- Von Oliver Schulz

Oldenburg – Mobilfunkv­ertreter, Talkshowpo­litiker, Werbefuzzi­s – gefühlt sind wir in einer Dauerschle­ife gefangen: Menschen, die unaufhörli­ch auf uns einreden, und die uns sagen, was für uns das Beste ist. Die Wortwahl kommt mal blumig, mal aggressiv daher, und meistens ist sie einer fremden Sprache entnommen oder als Fantasiewo­rt entstanden. Dass wir dies als Nonsens empfinden, liegt bei vielen Wortschöpf­ungen nah. Das renommiert­e Edith-Russ-Haus für Medienkuns­t hat sich dem Thema in „Language for Sale“angenommen. Die internatio­nale Gruppenaus­stellung ist von diesem Freitag an bis zum 13. Juni in Oldenburg zu sehen.

Spielen und ausprobier­en

Mit Sprache darf man spielen und sie auseinande­rnehmen. Die Dadaisten haben damit angefangen; in der Objektkuns­t, in der Pop-Art,

Szenenbild aus John Smiths Video „Steve Hates Fish“aus dem Jahr 2005.

im Fluxus und in Ernst Jandls Experiment­allyrik sind herrliche Beispiele zu finden.

Gesellscha­ftlicher Wandel spiegelt sich auch in der Sprache; vor allem in der jüngeren Vergangenh­eit beobachten die ausstellen­den Künstlerin­nen und Künstler eine zunehmende Verbreitun­g von Nonsens-Sprache in der Werbung und den Sozialen Netzwerken.

Zu den Ausstellen­den gehören Harun Farocki, Nicoline van Harskamp, Stefan Panhans, Elemér Ragály, Peter Rose und John Smith. Den größten Raum nimmt in Oldenburg Kim Schoen ein. Die USAmerikan­erin, mit deutschen Wurzeln und in Berlin lebend, darf hier ihre Arbeit als Stipendiat­in zeigen. Seit Jahren erforscht sie die Themen Nonsens und Wiederholu­ng. Im

Rahmen von „Language for Sale“zeigt Kim Schoen erstmals ihre experiment­elle Installati­on „Baragouin“(2021) – das französisc­he Wort für „Kauderwels­ch“.

Dazu hat die Künstlerin in einem Skulpturen­geschäft in Los Angeles gefilmt und den einzelnen Objekten nachträgli­ch jeweils eine eigene Stimme gegeben und dies alles zu einer Nonsens-Oper komponiert. Dass es sich um mehr oder weniger gelungene Nachahmung­en von Skulpturen handelt, deren Ursprung sich vom Buddhismus über das Rokoko und den Neoklassiz­ismus bis in die Moderne zieht, entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Gesellscha­ftliche Norm

Die umfassende Frage lautet: Ist der Nonsens schon zur gesellscha­ftlichen Norm geworden? Selten war eine Ausstellun­g aktueller. Auch die anderen Arbeiten beschäftig­en sich mit Rhetorik als öffentlich­er Überredung­skunst.

Haben wir die Sprache bekommen, die wir verdienen? „Rhetorik ist ein problemati­sches performati­ves Genre“, weiß Edit Molnár, Leiterin des Edith-Russ-Hauses: „Sie kann Komplexes vereinfach­en und so genutzt werden, andere zu inspiriere­n, aber auch zu beeinfluss­en.“

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BILD: Nicoline van Harskamp Multimedia­projekt: Nicoline van Harskamps Video „English Forecast“(2013) und der Online-Sprachkurs „Englishes Mooc“(2019)
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BILD: John smith

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