Alles muss raus: Sprache wird verramscht
Sehenswerte Schau „Language for Sale“im Edith-Russ-Haus – Kim Schoen im Blickpunkt
Oldenburg – Mobilfunkvertreter, Talkshowpolitiker, Werbefuzzis – gefühlt sind wir in einer Dauerschleife gefangen: Menschen, die unaufhörlich auf uns einreden, und die uns sagen, was für uns das Beste ist. Die Wortwahl kommt mal blumig, mal aggressiv daher, und meistens ist sie einer fremden Sprache entnommen oder als Fantasiewort entstanden. Dass wir dies als Nonsens empfinden, liegt bei vielen Wortschöpfungen nah. Das renommierte Edith-Russ-Haus für Medienkunst hat sich dem Thema in „Language for Sale“angenommen. Die internationale Gruppenausstellung ist von diesem Freitag an bis zum 13. Juni in Oldenburg zu sehen.
Spielen und ausprobieren
Mit Sprache darf man spielen und sie auseinandernehmen. Die Dadaisten haben damit angefangen; in der Objektkunst, in der Pop-Art,
Szenenbild aus John Smiths Video „Steve Hates Fish“aus dem Jahr 2005.
im Fluxus und in Ernst Jandls Experimentallyrik sind herrliche Beispiele zu finden.
Gesellschaftlicher Wandel spiegelt sich auch in der Sprache; vor allem in der jüngeren Vergangenheit beobachten die ausstellenden Künstlerinnen und Künstler eine zunehmende Verbreitung von Nonsens-Sprache in der Werbung und den Sozialen Netzwerken.
Zu den Ausstellenden gehören Harun Farocki, Nicoline van Harskamp, Stefan Panhans, Elemér Ragály, Peter Rose und John Smith. Den größten Raum nimmt in Oldenburg Kim Schoen ein. Die USAmerikanerin, mit deutschen Wurzeln und in Berlin lebend, darf hier ihre Arbeit als Stipendiatin zeigen. Seit Jahren erforscht sie die Themen Nonsens und Wiederholung. Im
Rahmen von „Language for Sale“zeigt Kim Schoen erstmals ihre experimentelle Installation „Baragouin“(2021) – das französische Wort für „Kauderwelsch“.
Dazu hat die Künstlerin in einem Skulpturengeschäft in Los Angeles gefilmt und den einzelnen Objekten nachträglich jeweils eine eigene Stimme gegeben und dies alles zu einer Nonsens-Oper komponiert. Dass es sich um mehr oder weniger gelungene Nachahmungen von Skulpturen handelt, deren Ursprung sich vom Buddhismus über das Rokoko und den Neoklassizismus bis in die Moderne zieht, entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Gesellschaftliche Norm
Die umfassende Frage lautet: Ist der Nonsens schon zur gesellschaftlichen Norm geworden? Selten war eine Ausstellung aktueller. Auch die anderen Arbeiten beschäftigen sich mit Rhetorik als öffentlicher Überredungskunst.
Haben wir die Sprache bekommen, die wir verdienen? „Rhetorik ist ein problematisches performatives Genre“, weiß Edit Molnár, Leiterin des Edith-Russ-Hauses: „Sie kann Komplexes vereinfachen und so genutzt werden, andere zu inspirieren, aber auch zu beeinflussen.“